Germany's Next Topmodel:Man stürzt nicht nur einmal

"Die Mädchen dürfen sich hier nie zu sicher fühlen": Heidi Klum und ihr Topmodel-Imperium sind wieder da. Im vergangenen Jahr waren die Quoten deutlich gesunken - Pro Sieben hofft nun auf eine Rückkehr der Zuschauer.

Hans Hoff

Heul woanders", sagt ein Mädchen in der ersten neuen Folge von Germany's Next Topmodel (GNTM). Die Kamera zeigt eine geschlossene Klotür. Dahinter weint eine, die es nicht geschafft hat, die jetzt niemanden sehen will und die das ein bisschen barsch auch verkündet.

Heidi Klum sucht wieder ´Topmodel"

"Du bis viel zu dick. Du hast dich nicht entwickelt. Du bekommst heute kein Foto von mir": Auch in der neuen Staffel gibt Heidi Klum die Domina vom Dienst.

(Foto: dpa)

Heidi Klum und ihre Jury-Leibgarde haben kurz vorher beschlossen, dass das Mädchen auf der Toilette keine Chance hat, beim Finale im Juni vielleicht Deutschlands nächstbestes Laufstegpüppchen zu werden. Es riecht nach Zickenkrieg. Es beginnt die sechste GNTM-Staffel, und das bedeutet, dass sich ein paar Kandidatinnen in die Wolle kriegen müssen. So ist das bei der Heid-Klum-Castingshow, mit der Heidi Klum sich in Deutschland präsentiert.

Die fünfte Staffel GNTM brachte Pro Sieben 2010 die schlechtesten Quoten seit dem Start 2006, jedoch konnte sich ein durchschnittlicher Markanteil von 18,1 Prozent (2,23 Millionen Zuschauer) bei den Unterfünfzigjährigen durchaus noch sehen lassen.

Der Wettbewerb bei GNTM hat auf besondere Art so etwas wie ein intimes Public Viewing in die Sehkultur eingeführt. Frauen schauen das nicht alleine an, weil man ohne das Geschnatter der besten Freundinnen sehr leicht auf die relativ plumpe Inszenierung zurückfällt. Die eingesetzten Stilmittel ähneln denen von gescripteten Dokusoaps: Sie sollen die Spannung fördern, man erreicht das mit Verlangsamung, Verkürzung, Verdichtung.

Natürlich sind die Darsteller bei GNTM schöner als die aus dem großen Menschenzoo, der im Nachmittagsprogramm geöffnet wird. Doch an der Tagesordnung ist die übliche Castingshow-Forderung nach unbedingtem Leistungswillen. Üblich sind auch die Ausbeutung jener, die sie erbringen wollen, und natürlich das Anprangern der Verlierer. Wer bei GNTM stürzt, stürzt nie nur einmal. Man kann das sehr schön in der ersten neuen Folge bewundern. Da stolpert eine Kandidatin und landet auf dem Hintern. Gleich viermal ist das zu sehen.

So eine Szene steht für den Druck der Auslese, den Heidi Klum noch einmal befördert, wenn sie verkündet: "Die Mädchen dürfen sich nie zu sicher fühlen." Ausgewählte 50 sind von den 13374 Bewerberinnen übrig geblieben. Am Ende der ersten Folge, die schon vor drei Monaten aufgezeichnet wurde, werden es wesentlich weniger sein. Auf einem wackeligen Laufsteg, der über ein Berliner Schwimmbad gespannt wurde, müssen die Kandidatinnen schreiten, was die beiden neuen Jury-Legionäre natürlich auch zu bösen Kommentaren ermutigt. "Von Grazie kann da nicht die Rede sein", sagt zum Beispiel Thomas Hayo, der als Creative Director vorgestellt wird, und der Designer Thomas Rath, der in der Stimmfärbung ein wenig den Ton von Bruce Darnell zurückbringt, echauffiert sich, dass man so doch kein Kleid präsentieren könne: "Das ist ja eine Lachshow", sagt er, und so wie er es sagt, ist es tatsächlich eine.

Die Kritik an der Sendung ist auch schon eingeplant

Heidi Klum ist wie bisher die Domina vom Dienst. "Ich würde auch gerne ja sagen, aber ich sage leider nein", zischt sie einmal natterhaft einer Kandidatin zu, und da klingt schon viel von der Strenge einer Konzernchefin durch. Frau Klum hat halt einiges zu verwalten. Vor allem sich selbst.

Als omnipräsente Powerfrau inszeniert die 37-Jährige ihren Spagat zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Markt. Auf beiden Kontinenten ist sie mit Fernsehshows präsent, die stets ein bisschen auch von der kontroversen Diskussion leben. Als etwa kürzlich in ihrer US-Show Seriously Funny Kids einem Kind aufgegeben wurde, Frau Klum die falsche Nachricht zu überbringen, sie sei soeben zur am schlechtesten angezogenen Frau der Welt gewählt worden, geriet das Kind prompt in echte Seelenpein. Nicht alle fanden das lustig.

Kritik wird aber beim Kluminator, wie sie sich selbst auch mal nennt, von vorneherein eingeplant. Gäbe es die Einwände und Proteste nicht, würde nicht immer wieder jemand aufstehen und das, was bei GNTM mit den Kandidatinnen passiert, erregt problematisieren, wäre die Show wohl nach Staffel drei beendet worden. Das hätte sich dann möglicherweise auf Klums Markenwert ausgewirkt, der ihr jetzt noch jede Menge Aufträge beschert. Die Liste der Dinge, die sie verkauft oder bewirbt, ist sehr lang. Sie reicht von Fastfood über Sonnenbrillen bis Kleidungskollektionen, von Schwangerschaftsmode über Kosmetika bis zur Heidi-Klum-Rose. Sogar niederrheinischen Fruchtgummi hat sie nach Amerika befördert - "Candies By Heidi Klum" gibt es nun auch in Los Angeles, ihrer zweiten Heimat.

"By Heidi Klum" ist der Stempel, der alle Produkte veredeln soll und wiederum die Brücke schlägt zu GNTM. Das eine ohne das andere wäre schwer vorstellbar. Klum-Unterschriften sind nur echt, wenn sie das Klum-Siegel tragen.

So etwas hat natürlich auch Auswirkungen auf den medialen Alltag. Als etwa in einer Folge der RTL-Serie Doctor's Diary die leicht korpulente Hauptfigur Gretchen Haase über einen Spielplatz stolperte, stieß sie unvermittelt auf ein Kind, das mitten im Sand eine Art Jurytisch aufgebaut hatte. "Du bis viel zu dick. Du hast dich überhaupt nicht entwickelt. Du bekommst heute kein Foto von mir", sagte die Kleine, und die Große erschrak, weil sie nach diesen Signalworten sofort wusste: Du bist raus. Genauso verabschiedet Frau Klum nämlich gerne ihre Kandidaten.

Dass in der RTL-Serie allerdings der Schriftzug "by Heidi Klum" fehlte, mag die Klums aus Bergisch Gladbach gewurmt haben. Ob ihr Manager, Vater Günther, überlegte, zu klagen? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Doch wie wäre es damit. An zentraler Stelle im deutschen Gesetzeswald wird eine neue Tafel angebracht. Aufschrift: "Wer Heidi Klum nachmacht oder verfälscht, wird mit GNTM nicht unter 15 Folgen bestraft."

Germany's Next Topmodel, Pro Sieben, 20.15 Uhr.

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