Geburtstags-Special:Auf Achse

Fritz Pleitgen in der 'Lindenstraße'

Abschiedsvorstellung: Vor der Pensionierung 2007 buchte Fritz Pleitgen (M.) noch eine Reise in der Lindenstraße.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Aus Anlass des 80. Geburtstags von Fritz Pleitgen widmet der WDR seinem früheren Intendanten eine lange Nacht. Darin wird der Jubilar sowohl als Auslandskorrespondent als auch als Chef gewürdigt.

Von Hans Hoff

Da fragt man höflich bei Fritz Pleitgen an, ob der langjährige WDR-Intendant vielleicht mal ein Viertelstündchen Zeit hätte, um über seine aktuelle Befindlichkeit Auskunft zu geben, und flugs dauert es über 90 Minuten, bis man wieder ansprechbar für die Restwelt ist. Die Zwischenzeit ist vergangen wie ein rasanter Flug über die Karriere jenes Mannes, der am 21. März seinen 80. Geburtstag feiert und den sein Heimatsender an diesem Freitag mit einer langen Pleitgen-Nacht ehrt. Darin erzählt er von Kosaken, vom Wilden Westen und vom Kaukasus. Zum Start läuft ein etwas sehr liebevolles Porträt des Geehrten, das den treffenden Titel Stationen eines Rastlosen trägt.

Es kann aber auch schnell zu einem gewissen Schwindel führen, wenn man sich vergegenwärtigt, was dieser Mann, den sie im heimischen WDR gern den letzten großen Intendanten nennen, alles erlebt und unternommen hat. Von den Bomben, die im Krieg auf Duisburg fielen und den kleinen Fritz Ferdinand bedrohten, ist da die Rede, von den jungen Jahren, in denen er für den Lokalsport der Freien Presse im ostwestfälischen Bünde schrieb - für sechs Pfennige pro Zeile. "Ich breitete mich im lokalen Sport ordentlich aus", erzählt er stolz, weiß aber auch noch, dass der frühe journalistische Eifer nicht mit sonstigen Leistungen korrespondierte. "Je mehr es da bergauf ging, ging es in der Schule bergab", sagt er und findet auch für die Lösung diplomatische Worte: "Dann haben wir uns im beiderseitigen Einvernehmen aufgrund zerrütteter Verhältnisse getrennt."

Bald entdeckte ihn der WDR, entsandte ihn nach Brüssel, Paris, nach Zypern und in den Sechstagekrieg nach Ägypten, wo er sich bewährte. Seine Chefs schickten ihn als Korrespondenten nach Moskau. "Es wollte keiner nach Moskau, weil die Arbeitsverhältnisse und die Lebensverhältnisse unterirdisch waren", sagt Pleitgen.

Er probierte es dann trotzdem, ausgestattet mit einer Anweisung des damaligen WDR-Fernsehdirektors Peter Scholl-Latour. Der sagte: "Sie müssen nicht mit jedem Bericht die finstere Sowjetdiktatur entlarven. Bauen Sie eine akzeptable Korrespondenz auf." Das erledigte Pleitgen auch, indem er bei einem Besuch des französischen Staatspräsidenten in Weißrussland einen Moment der allgemeinen Konfusion ausnutzte und mit dem sonst streng abgeschirmten sowjetischen Generalsekretär Leonid Breschnew ins Gespräch kam. "Am nächsten Tag stand in allen sowjetischen Zeitungen: 'Leonid Breschnew im Gespräch mit einem ausländischen Korrespondenten'. Ab dem Tag war ich für das sowjetische Außenministerium eine Nummer", erinnert sich Pleitgen.

Es folgten Korrespondenten-Einsätze in Ost-Berlin, in Washington und in New York. Der letzte Einsatz endete aber frühzeitig, weil man 1988 im Kölner Mutterhaus einen Chefredakteur brauchte. Im Januar 1994 wurde Pleitgen Hörfunkdirektor und erfand als solcher die noch heute erfolgreiche junge Welle 1 Live.

Wo Pleitgen war, da war der WDR, und der WDR war stark seinerzeit. Ohne ihn ging in der ARD nichts

Ein Jahr später wählte ihn der Rundfunkrat zum Intendanten und verlieh ihm damit eine Rolle, die er mit voller Wucht ausfüllte. Wo Pleitgen war, da war der WDR, und der WDR war stark in jenen Tagen, so stark, dass ohne ihn in der ARD nichts von Belang entschieden wurde. Auch wenn Pleitgen in seiner zweiten Amtszeit gelegentlich wie ein kleiner Sonnenkönig wirkte, war er doch der letzte Amtsinhaber, der in dieser Position wirklich etwas bewegte. Er setzte maßgeblich den Start von Phoenix durch. Gegen den Willen des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, der ihm unterstellte, einen roten Kampfsender einrichten zu wollen.

Auch nach seinem Ausscheiden blieb Pleitgen keinen Tag untätig. Er wurde 2007 Geschäftsführer der Kulturhauptstadt Essen und übernahm später das Amt des Präsidenten der Deutschen Krebshilfe.

Trotzdem hat ihn der WDR nie ganz losgelassen. Inzwischen ist er allerdings mehr Radiohörer als Fernsehzuschauer. "Ich halte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für nötiger denn je", sagt er, gibt sich aber skeptisch, was Talkshows angeht. Pleitgen stellt die Frage, ob sie immer das ideale Mittel seien, um Probleme zu erklären. "Man kann ein komplexes Thema dort nicht so in den Griff bekommen, dass der Betrachter mit schlüssigen Informationen da rauskommt", sagt er und plädiert eher für zehn Dokumentationen als 40 Talkshows.

Dass ARD und ZDF heutzutage unter kritischem Dauerbeschuss stehen, schmerzt ihn sehr. "Als kundiger Betrachter würde ich mir wünschen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit einem rigiden öffentlich-rechtlichen Programm darauf reagiert", sagt er. Dazu gehöre auch, dass die Reporter wieder mehr rausgehen: "Es wird zu viel PC-Journalismus betrieben."

Gesundheitlich ist er noch gut dabei. "Ich bin ein knuspriger Achtziger", scherzt Pleitgen, auch wenn ihn natürlich das eine oder andere Wehwehchen plagt. "Ich kann nicht klagen", schiebt er nach. Nein, klagen ist nicht sein Ding. Einer wie er muss machen. Immer wieder, immer weiter.

Fritz Pleitgen zum 80. - Stationen eines Rastlosen, 20.15 Uhr, WDR.

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