Gala in Hamburg:Beste Rede

Goldene Kamera: Die ZDF-Journalistin Dunja Hayali bekommt einen Preis und hält zum Dank eine bewegende politische Ansprache gegen Hass.

Von Angelika Slavik

Der Samstagabend in Hamburg begann so, wie deutsche Preisverleihungen nun mal beginnen. Barbara Schöneberger war da und wurde nach ihrem Kleid und nach ihrer Diät gefragt. Michelle Hunziker ließ wissen, dass sie sich "total" auf den Abend freue. Verona Pooth erzählte viel und hatte nahezu nichts an. Kai Pflaume sagte nichts, trug aber einen Smoking aus Samt. Willkommen bei der Verleihung der Goldenen Kamera von Hörzu.

Auf der Bühne wurde die heimelige Melange aus lauen Gags und kleinen Pannen offeriert, alles übertragen vom ZDF: Michelle Hunziker verwurschtelte die Laudatio auf Helene Fischer und wurde zur Strafe von Thomas Gottschalk "meine ehemalige Nachtschwester" genannt. Der Schlagersängerin Fischer erging es nicht besser: Mit Blick auf ihren Auftritt als Schauspielerin im Tatort bescheinigte ihr Gottschalk, "wir liegen darstellerisch auf einer Ebene". Autsch. Außerdem: Schauspieler Florian David Fitz brachte einen Hundewelpen und ein Kind mit zu seinem Auftritt, "wegen der Quote", was eine der besseren Pointen des Abends war. Maria Simon bekam den Preis als beste Schauspielerin und beglückte zum Dank das Publikum mit einer ziemlich schrägen Gesangseinlage "als meinen kleinen Beitrag zum Weltfrieden".

Dunja Hayali, Goldene Kamera

"Legen Sie [...] den Finger in die Wunde und streiten Sie mit uns", ermunterte Hayali. "Wir machen Fehler. Deshalb sind wir aber noch lange keine Lügner."

(Foto: REUTERS)

Es hätte also einer dieser deutschen TV-Abende werden können. Doch dann kam Dunja Hayali, und deshalb wird man länger über diese Preisverleihung sprechen. Die ZDF-Journalistin Hayali (Donnerstalk, Morgenmagazin) beschäftigt sich intensiv mit der Flüchtlingsthematik und dem wachsenden Fremdenhass, sie ging etwa für einen Beitrag im Morgenmagazin zu einer AfD-Demo in Erfurt und suchte das Gespräch mit den Leuten dort. Sie "geht keiner Konfrontation aus dem Weg und flüchtet sich niemals in Ironie", heißt es in der Begründung für ihre Auszeichnung in der Kategorie Beste Information. Laudator Michael Mittermeier las zwei Beispiele dafür vor, wie Hayali über Social-Media-Kanäle wüst beschimpft wird.

Ihre Dankesrede machte Hayali, deren Eltern aus dem Irak stammen, zu einem bewegenden politischen Statement. "Glaubt eigentlich irgendjemand, dass das irgendetwas bringt, der ganze Hass?", fragte sie. Sie glaube an Dialog, sie interessiere sich für andere Meinungen und Argumente. "Aber was da gerade abgeht, ist mit Verrohung von Sprache wirklich überhaupt nicht mehr zu beschreiben." Hayali berichtete von Anfeindungen beim Einkaufen, von "Bedrohungen, Beschimpfungen, Vergewaltigungswünschen". Dann wandte sie sich direkt an die Menschen, die von "Lügenpresse" sprechen; Menschen die man oft in Kreisen von AfD und Pegida findet. "Wir sind Journalisten, wir sind keine Übermenschen. Wir machen Fehler", sagte Hayali. "Deshalb sind wir aber noch lange keine Lügner." Kritiker forderte sie auf: "Legen Sie doch gerne den Finger in die Wunde und streiten Sie mit uns, diskutieren Sie mit uns. Weisen Sie uns auf Fehler hin." Jeder müsse seine Sorgen und Ängste äußern dürfen, ohne gleich "in die rechte Nazi-Ecke" gestellt zu werden. "Aber wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt noch mal ein Rassist!" Das Publikum im Saal applaudierte im Stehen.

Schon zuvor hatte der junge Schauspieler Edin Hasanovic, der als bester Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet wurde, kurz, aber eindringlich für mehr Toleranz gegenüber Flüchtlingen geworben - und sich außerdem so aufrichtig und rührend über seinen Preis gefreut, dass es der beste Moment des Abends war.

Der Rest war Routine: Die eingeflogenen internationalen Schauspiel-Stars Helen Mirren, Julianne Moore und Gerard Butler nahmen Preise entgegen, lobten Deutschland und stellten brav ihre Fremdsprachen-Kenntnisse unter Beweis. Nur von Thomas Gottschalk gibt es noch bemerkenswerte Nachrichten: Spiegel-TV entwickle derzeit für RTL eine untypische neue Sendung für ihn, berichtet das Handelsblatt. Ob da auch Platz für Helene Fischer ist?

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