Fußballberichterstattung:"Ey, warum färben sich alle Fußballer eigentlich die Haare?"

Fußballberichterstattung: Die Youtuber Till (alias "FifaGaming", hinten rechts), Tim ("Wakez", hinten links), Erné (in Gelb) und Stefan (gemeinsam "FeelFifa") kommentieren den DFB-Pokal.

Die Youtuber Till (alias "FifaGaming", hinten rechts), Tim ("Wakez", hinten links), Erné (in Gelb) und Stefan (gemeinsam "FeelFifa") kommentieren den DFB-Pokal.

(Foto: Screenshot: ARD)

Die "Sportschau" lässt Youtuber den DFB-Pokal kommentieren. Das hört sich deutlich anders an als bei Tom Bartels.

Von Christoph Fuchs

Das DFB-Pokalfinale wird in diesem Jahr von einem Bayern-Fan kommentiert, hat Das Erste am Mittwoch bekannt gegeben. Wer das aber als Beleg nehmen wollte für den Verdacht, die Fußball-Kommentatoren seien parteiisch und verlässlich alle gegen den eigenen Verein, wurde enttäuscht: Als Gegengewicht kommentiert dazu auch noch ein Eintracht-Frankfurt-Fan.

Und das alles spielt sich nicht im Fernsehen ab, wo der Routinier Tom Bartels das Spiel zwischen Frankfurt und dem FC Bayern begleitet und sich sicher alle Mühe um Objektivität geben wird. Sondern bei YouTube, wo "Meti" und "Jarow" ihren Auftritt haben werden. Seit letztem Herbst experimentiert die Sportschau, indem sie auf ihrem Youtube-Kanal parallel zur Live-Übertragung im Fernsehen junge Leute das Spiel kommentieren lässt. Nach dem Finale am Samstag will die Redaktion Bilanz ziehen, ob das was bringt und eine Zukunft haben soll.

Die jungen Männer, die Das Erste da bereits im Achtel-, Viertel- und Halbfinale ans Mikro gesetzt hat, sind sogenannte Youtuber. Sie heißen zum Beispiel "Der Ömsen" oder "DerHansus", und während die Bevölkerung jenseits der 30 Jahre noch nie etwas von ihnen gehört hat, schauen ihnen Hunderttausende Heranwachsende auf Youtube dabei zu, wie sie Telefonstreiche machen oder Computerspiele spielen. Ihre Videos haben teils weitaus höhere Klickzahlen als das, was die Sportschau an journalistischen Inhalten bei Youtube hochlädt. Um mit ihren Pokal-Übertragungen auch junge Nutzer zu erreichen, hat sich die Sportschau pro Spiel mehrere Youtuber nach Köln in die WDR-Redaktion geholt. In der Hoffnung, dass sie ihre junge Zielgruppe möglichst vollzählig mitbringen.

Es hört sich schon ein bisschen anders an, wenn statt der gewohnten Stimmen von Bartels oder Béla Rethy zum Beispiel "Der Ömsen" kommentiert. "Ey, warum färben sich alle Fußballer eigentlich die Haare?", räsonierte er beim Halbfinale der Bayern gegen Leverkusen. Eine Rudelbildung im Achtelfinale ordneten die beiden Nachwuchs-Kommentatoren ihrem Publikum in Anlehnung an eine Zeile des Rappers Haftbefehl ein: "Jetzt gibt's Heckmeck." Mindestens ebenso oft aber bedienen sie sich des gleichen Satzbaukastens wie die klassischen Kommentatoren: Von "kompromisslos abgeräumt" bis "eiskalt versenkt".

Man muss auch schweigen können

Einerseits klingen die Youtuber für ihr Debüt schon erstaunlich abgeklärt. Sich selbst jahrelang beim Computerspielen zu filmen, ist offenbar eine gute Schule für den Kommentatoren-Beruf. Andererseits ist es doch ein Stück entfernt vom professionellen Kommentar und erinnert insofern an die Plattform "marcel-ist-reif.de". Die trat vor sechs Jahren an, damit jeder Fan sich als Kommentator versuchen und im Netz eine Hörerschaft für seine Live-Gedanken zu einem Fußballspiel finden kann. Inzwischen wurde die Plattform eingestellt, es mangelte offenbar an einem breiten Interesse, sich regelmäßig kommentierende Fans anzuhören.

Das ist bei den kommentierenden Youtubern bislang anders: Die Sportschau hat mit ihrem Experiment in dieser Saison stets sechsstellige Abrufzahlen erreicht, was ordentlich ist. Am meisten geklickt wurde das kommentierte Achtelfinale von Bayern gegen Leipzig, das mehr als 460 000 Abrufe zählt und damit zu den erfolgreichsten Videos des gesamten Sportschau-Youtube-Kanals gehört. Wobei davon auszugehen ist, dass nicht alle Zuschauer wirklich die vollen drei Stunden drangeblieben sind, die das Video dauert.

Eine Minute lang hagelt es Antworten aus dem Chat

Nach dem Finale soll entschieden werden, ob aus dem Konzept nächste Saison eine dauerhafte Einrichtung wird. Im Chat-Fenster, in dem die Zuschauer bei Youtube beitragen können, was ihnen einfällt zu den Worten der Kommentatoren, ist während der Live-Übertragung jedenfalls reger Betrieb. Als etwa "BadeschlappenLP" und "DerHansus" diskutieren, ob da eine Torchance nicht wegen gefährlichen Spiels hätte abgepfiffen werden müssen, hagelt es eine Minute lang Antworten aus dem Chat.

Dass die Youtuber nie allein kommentieren, sondern immer zu zweit, macht es unterhaltsam. Es führt aber auch dazu, dass sehr sehr viel geredet wird. Wer sich danach einen klassischen TV-Kommentator anhört, stellt fest: Dessen vielleicht größte Kunst ist es, zu wissen, wann er dem Spiel schweigend folgen sollte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: