Fußball-EM:"Ein Versprecher bei einer Frau ist sofort ein Kompetenzdefizit"

Fußball-EM: Claudia Neumann kommentierte unter anderem die Partie Italien gegen Schweden.

Claudia Neumann kommentierte unter anderem die Partie Italien gegen Schweden.

(Foto: ZDF / Peter Kneffel)

Als erste Frau hat Claudia Neumann bei der Fußball-EM Spiele kommentiert. Im Netz wurde sie dafür von Männern aufs Übelste beleidigt. Jetzt nimmt sie Stellung.

Interview von Tobias Dirr

"Diese Frau steht ihren Mann." Mit dieser ungelenken Formulierung verteidigte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz seine Kommentatorin Claudia Neumann nach ihrer Arbeit beim Spiel der Italiener gegen die Schweden. Schon zur Halbzeit kursierten auf Twitter und Facebook sexistische Beschimpfungen. Die erste weibliche Kommentatorin bei einer EM löste eine gesellschaftliche Debatte aus.

SZ.de: Wie haben Sie die Pöbeleien im Netz wahrgenommen?

Claudia Neumann: Wenn ich ehrlich bin, habe ich das Ganze erst gar nicht mitbekommen. Dem, was mir meine Kollegen dann gesagt haben, entnehme ich aber, dass es doch etwas heftiger zugegangen ist. Aber wirklich überrascht hat mich das nicht.

Warum nicht?

Wenn eine Reporterin am Spielfeldrand steht, und noch ganz nett ausschaut, dann ist das ja meist okay. Dann dringt da niemand in männliches Hoheitsgebiet vor. Aber wenn eine Frau 90 Minuten aus dem Off heraus quatscht und den Männern auch noch Dinge zum Fußball erzählt, die sie gar nicht wissen oder selber anders sehen - da muss man schon sehr selbstbewusst sein, um das zu akzeptieren. Und das sind dann vielleicht doch nicht so viele.

Was, meinen Sie, stört die Männer an einer Kommentatorin?

Genau weiß ich das nicht. Es kann natürlich sein, dass einem tatsächlich einfach die Frauenstimme nicht gefällt oder der Kommentarstil. Das ist ja vielleicht auch erst mal gewöhnungsbedürftig, weil es so was noch nicht gab. Aber die Beleidigungen haben ja nichts mit fundierter Argumentation zu tun. Und daran merkt man wohl auch: Unsere Gesellschaft ist wohl doch nicht so offen, wie wir gerne glauben mögen.

Treffen Sie die Beleidigungen?

Ich kann das sehr gut ausblenden, weil das ja keine Menschen sind, die mich kennen und einen Wesenszug von mir vielleicht sogar zu Recht an die Wand nageln können. Die Reaktionen sind nur ein Reflex auf etwas, das ich gemacht habe, was ihnen auf den ersten Blick missfallen hat. Und zwar nicht aus inhaltlichen Erwägungen, sondern aus der einfachen Tatsache heraus, dass ich eine Frau bin.

Muss man als Frau kompetenter sein als die männlichen Kollegen?

Es gibt ja immer den kleinen feinen Unterschied zwischen Fehler und Versprecher. Ein Versprecher wird bei einer Frau gnadenlos zerpflückt: Das ist dann ein Kompetenzdefizit. Bei einem Mann wird da milde drüber weggesehen. Im Übrigen kenne ich genug Frauen, die viel Ahnung vom Fußball haben - vielleicht sogar mehr als so mancher veraltete männliche Trainer. Aber nicht jede möchte sich in den Wind stellen - das ist ihr gutes Recht.

"Manche lauern nur auf Fehler"

Sie waren die erste Frau, die jemals ein Spiel bei einer Fußball-EM der Männer kommentiert hat. Haben Sie Druck gespürt?

Natürlich war mir bewusst, dass das etwas Besonderes ist, aber eigentlich habe ich alles gemacht wie immer, wenn ich als Kommentatorin für unterschiedliche Sportarten tätig bin. Dass manche nur darauf lauern, dass man Fehler macht, war mir klar.

Wie bereiten Sie sich vor?

Ich wälze Statistiken, lese die aktuellen Trends und Meldungen durch und schaue, ob es historische Anekdoten gibt. Zudem analysiere ich die Charakteristiken der einzelnen Spieler und Mannschaften. Viele kennt man zwar, aber gerade in den vier Mannschaften, die ich kommentiert habe, gab es Spieler, die in der dritten englischen Liga spielen. Die Namen habe ich vielleicht mal gehört, aber das war es auch schon. Das ist zunächst journalistisches Handwerk. Ob jemandem dann meine Art zu kommentieren gefällt, das ist nicht immer objektiv zu bewerten - das sei auch jedem gegönnt.

Wie schwer ist es als Frau in der Männerdomäne des Sportjournalisten?

Bei mir ist alles sehr harmonisch gelaufen. Ich bin nie benachteiligt worden. Ich habe mich von Anfang an anerkannt gefühlt. Das hängt aber sicher vom Medium, den einzelnen Personen und der Gesinnung der Chefs ab.

Ihr Einsatz als Kommentatorin ist ja nun schon vorbei. Warum haben Sie nur zwei Spiele kommentiert?

Das war von Anfang an so geplant. Natürlich wollten wir nicht mit der Tür ins Haus fallen, sondern das Publikum vorsichtig daran gewöhnen, dass da auch eine Frau sitzen kann. Zudem werden es im Laufe des Turniers immer weniger Spiele, somit braucht man weniger Kommentatoren.

Einige Leute fordern nun, Sie sollten das EM-Finale kommentieren. Hätten Sie Lust?

Lust schon, aber das Finale überträgt die ARD. Und auch wenn es im ZDF laufen würde: Ich bin der Meinung, das sollte der Beste machen. Und das bin ich definitiv nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: