Frankreich: Vorwürfe gegen Präsidenten:Gejagt von Sarkozy

Der Präsident, der Geheimdienst und die Reporter: Angeblich lässt Nicolas Sarkozy missliebige Journalisten ausspionieren. Weil die Journaille in der "Bettencourt-Affäre" recherchiert.

Stefan Ulrich, Paris

Die Republik hat Erfahrung mit Affären. Doch das, was die Zeitung Le Canard enchaîné am Mittwoch berichtete, ist auch für französische Verhältnisse ein starkes Stück. Der Präsident persönlich hetze den Geheimdienst auf Journalisten, schreibt der Chefredakteur der oft gut informierten Enthüllungs- und Satirezeitung. Immer wenn ein Journalist Recherchen betreibe, die Nicolas Sarkozy unangenehm seien, schalte der Staatschef Bernard Squarcini ein, den Chef des Inlandsgeheimdienstes. Dieser sei nicht begeistert, da er genug mit Terroristen und industrieller Gegenspionage zu tun habe. Doch er gehorche. So habe er inzwischen eine Sondereinheit geschaffen, um Journalisten zu bespitzeln.

Bericht: Sarkozy setzt Agenten auf Journalisten an

Vorwürfe gegen Nicolas Sarkozy: Der Präsident lässt angeblich missliebige Journalisten ausspionieren. 

(Foto: dpa)

Während die Grünen jetzt einen Untersuchungsausschuss fordern und die Sozialisten Squarcini in der Nationalversammlung vernehmen wollen, tut der Élysée-Palast die Vorwürfe als "totale Spinnerei" ab. Nun mag es sein, dass auch der legendäre Canard mal eine Ente fabriziert. Das Blatt führt jedoch als Quellen Geheimdienst-Mitarbeiter an, natürlich ohne deren Identität zu enthüllen. Außerdem weist es auf eine seltsame Serie von Attacken auf Journalisten in diesen Wochen hin.

Dabei geht es stets um die "Bettencourt-Affäre", die für den Präsidenten besonders heikel zu sein scheint. Liliane Bettencourt, die reichste Frau Frankreichs, wird verdächtigt, sie habe Sarkozy und dessen UMP-Partei illegale Spenden zukommen lassen und dafür Vorteile bei der Steuer erhalten. Seit Juni enthüllten französische Medien immer neue Einzelheiten. Damit brachten sie Arbeitsminister Éric Woerth in größte Schwierigkeiten. Doch auch die Journalisten erlebten Ungemach. Im September beschuldigte die Zeitung Le Monde das Präsidialamt, es habe den Geheimdienst beauftragt, einen Informanten der Zeitung im Fall Bettencourt zu finden. Tatsächlich enttarnten die Agenten einen Berater im Justizministerium. Der Mann wurde dahin versetzt, wo angeblich der Pfeffer wächst - nach Cayenne. Le Monde findet, die Agenten hätten den journalistischen Informantenschutz verletzt, und erstattete Strafanzeige gegen unbekannt.

Anfang Oktober entwendeten Unbekannte CDs aus der Redaktion des Online-Magazins Mediapart. Auf den CDs waren heimliche Aufzeichnungen von Gesprächen im Hause Bettencourt gespeichert. Mediapart hatte Auszüge daraus im Juni veröffentlicht und so die Affäre richtig ins Rollen gebracht. Auch der Le-Monde-Journalist Gérard Davet arbeitete daran, den Fall aufzuklären. Am 21. Oktober wurde der Laptop mit seinem Recherchematerial aus seiner Wohnung gestohlen. Am 23. Oktober verschwand aus der Redaktion des Magazins Le Point der Computer des Journalisten Hervé Gattegno. Er war ebenfalls in Sachen Bettencourt tätig. Zufälle? Der Pariser Star-Anwalt Olivier Metzner glaubt nicht daran. Er sieht die Dienste am Werk und fragt: "Ist es in unserer Demokratie akzeptabel, Geheimagenten loszuschicken, um die Computer jener Journalisten zu stehlen, die an der Affäre Bettencourt arbeiten?"

Im Oktober stufte die Organisation Reporter ohne Grenzen Frankreich in seiner Liste der Pressefreiheit auf den 44. Platz zurück. Sie kritisierte Angriffe der Regierung Sarkozy auf Journalisten, die im Fall Bettencourt recherchierten. Doch was sagt der Präsident zu alldem? Auf die seltsamen Diebstähle angesprochen, antwortete er nun: "Ich sehe nicht, was mich das angeht."

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