Frankreich:Das Geld und der König

In Paris werden zwei Journalisten verhaftet, sie sollen versucht haben, das marokkanische Königshaus zu erpressen. Das Druckmittel: die Veröffentlichung eines kritischen Buchs. Der Fall ist mysteriös.

Von Joseph Hanimann

Für den Enthüllungsjournalismus wäre es ein harter Schlag, für all jene, die etwas zu verbergen haben, ein Sieg. Als am vergangenen Donnerstag die angesehenen französischen Journalisten Éric Laurent und Catherine Graciet nach einem Treffen mit einem Gesandten des marokkanischen Königs Mohammed VI. in Paris verhaftet wurden, hatten viele Beobachter ernsthafte Zweifel an den angeführten Gründen. Die beiden Journalisten hätten versucht, das Königshaus zu erpressen mit der Forderung von Schweigegeld für den Verzicht auf die Publikation eines geplanten Buchs, hieß es. Bei der Verhaftung sollen sie 80 000 Euro bei sich gehabt haben. Am Wochenende wurden die beiden von einem französischen Richter der räuberischen Erpressung angeklagt, und Laurent gab schließlich zu, dass es beim Treffen tatsächlich um Geld gegangen sei.

Der 68-jährige Laurent und die jüngere Catherine Graciet hatten vor drei Jahren in ihrem Buch "Le roi prédateur" (Der König als Plünderer) im Pariser Seuil-Verlag die unüberschaubaren Verstrickungen des marokkanischen Königshauses in allen Wirtschaftszweigen des Landes aufgezeigt und damit den Zorn des Palasts auf sich gezogen. Nicht nur das Buch, auch die Zeitung El País, die Auszüge abdruckte, war an dem Tag in Marokko verboten. Was nun genau passiert ist, erscheint noch unklar.

Laut marokkanischer Version hat Laurent im Juli um ein Gespräch mit dem Königshaus im Zusammenhang seines neuen Buchprojekts gebeten und dem Gesandten dann das Schweigegeldangebot für drei Millionen Euro unterbreitet. Darauf habe der Palast in Paris Klage wegen Erpressung eingereicht. Bei einem weiteren Treffen am Donnerstag, bei dem die geforderte Summe für das Nicht-Erscheinen des Buches auf zwei Millionen heruntergehandelt und eine Vorauszahlung von 80 000 Euro erbracht worden sei, stand dann die französische Polizei vor der Tür.

Éric Laurent bestreitet den Vorwurf der Erpressung. Wenn er sich "aus persönlich gravierenden Gründen" auf eine Geldtransaktion mit dem Königshaus eingelassen habe, deute nichts darauf hin, dass die Initiative dazu von ihm gekommen sei, erklärte sein Anwalt. Vom Seuil-Verlag wurde bestätigt, dass ein solches Buch für Anfang nächsten Jahres geplant war. Verleger, Bekannte und Kollegen der beiden Journalisten bekundeten jedoch ihr Erstaunen über die Anschuldigungen.

Die Hintergründe dieses obskuren Falls wird das Gericht klären müssen. Für den marokkanischen König kommt er höchst gelegen, und geschickt wurde von dessen Anwalt die Möglichkeit terroristischer Zusammenhänge ins Spiel gebracht. Diplomatisch erhält die gerade begonnene Annäherung zwischen Paris und Rabat nach Spannungen und Zwischenfällen eine erste Krönung. Journalistisch liegt fortan ein Schatten über allen vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Enthüllungen über die eigennützige Geschäftstüchtigkeit des marokkanischen Königshauses im eigenen Land und die wieder schärfer gewordene Pressezensur.

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