100 Folgen "Inas Nacht":"Sabbeln, singen, saufen"

Inas Nacht

Sie hat ein berauschendes weibliches Selbstverständnis und elementare Freude an Alkohol und derben Zoten: die Moderatorin Ina Müller.

(Foto: Morris Mac Matzen/NDR)

Der NDR feiert 100 Folgen "Inas Nacht" mit einer 100-minütigen Sondersendung. Was der fehlt? Spontaneität, Situationskomik und ein Kneipentresen.

Von Silke Burmester

Um Verstimmungen und böse Briefe an die Redaktion zu vermeiden, mögen bitte alle Leserinnen und Leser, die bei Worten wie "Pferdepimmel" und Gesprächen über den günstigsten Ablageplatz von weiblichen Brüsten beim Gitarrenspiel den Untergang des Abendlandes vorhersehen, das Lesen dieses Textes beenden. Denn ein Text anlässlich der 100. Ausstrahlung von Inas Nacht wird derlei zum Inhalt haben. Weil die Sendung genau wegen dieser Dinge so erfolgreich ist.

Freude an Alkohol, brüllendes Lachen, derbe Zoten

Ina Müller ist eine mittlerweile 51 Jahre alte Sängerin, die, aufgewachsen in einer Bauernfamilie in der Nähe von Cuxhaven, eine große Portion dessen mitbringt, was im Fernsehen eher als Problemstellung abgebildet wird: berauschendes weibliches Selbstverständnis, elementare Freude an Alkohol, brüllendes Lachen und derbe Zoten sowie eine Direktheit, die fern von plattdeutschen Ferkelställen als ungewöhnlich gelten darf. Obendrein sieht sie großartig aus und kann einen hinreißenden Charme entfalten.

Ina Müller ist eine Art singender Sprengsatz und es hat einige Jahre gedauert, bis der NDR das optimale Einsatzgebiet für sie gefunden hatte. Nachdem das ehemalige Mitglied des Kabarettduos "Queen Bee" drei Jahre lang durch die Sendung Inas Norden führte, kam man auf die geniale Idee, sie in einem sehr, sehr kleinen Raum eine Show gestalten zu lassen. Was bedeutet, dass sie seit 2007 in der Hamburger Hafenkneipe "Zum Schellfischposten" auf geschätzt 30 Quadratmetern zwei bis drei Gäste empfängt, in der obendrein eine Band und zwei Tische mit 14 Personen Publikum untergebracht sind. Und weil der rund 25-köpfige Shantychor bärtiger älterer Herren mit Barschbäuchen dann doch nicht mehr hineinpasst, steht dieser bei Wind und Wetter vor dem geöffneten Fenster des Lokals und singt, wann immer Frau Müller einen schlechten Witz macht: "Heute haben wir gelacht, denn wir sind bei Inas Nacht, ha ha ha ha ha, hey!"

Ihre Gästeliste ist eine beneidenswerte Sammlung unterschiedlichster Prominenz

100 Sendungen sind so entstanden, inzwischen läuft die Show samstags im Ersten, und waren die Gäste am Anfang schräg und norddeutsch, kommen mittlerweile auch jene, für die eine Begegnung mit Müller ein gewisses Risiko darstellt. Imagekontrolleure wie Heino oder Ute Lemper, Massenlieblinge wie Bully Herbig und H. P. Baxxter. Ihre Gästeliste ist eine beneidenswerte Sammlung unterschiedlichster Prominenz von Caroline Kebekus über Hellmuth Karasek bis hin zu Bjarne Mädel.

Dass sich dem Zuschauer hier Seiten jener Promis eröffnen, die sie nicht kennen, liegt am schlichten Konzept, das Ina Müller in ihrer Dankesrede für die Auszeichnung "Beste Moderatorin Late Night" des Deutschen Fernsehpreises 2008 mit den Worten "Sabbeln, singen, saufen" charakterisierte. Ein Auftritt, der Marcel Reich-Ranicki neben anderem zu der Ansicht führte, dass der Untergang bereits eingetreten sei, und ihn veranlasste, seinen Fernsehpreis abzulehnen: "Ich habe nicht gewusst, was ich hier erleben werde."

Knallfrösche auf Butterfahrt

In der 100-minütigen Jubiläumssendung, die der NDR in der Nacht zu Samstag zeigt, sind die Highlights dieses die Geister scheidenden Formats zusammengestellt. Die anzuschauen ist - zumindest für die Kellerkinder des Niveauanspruchs - ein großes Fest. Etwa, wenn Ina Müller den Südafrikaner Howard Carpendale wieder und wieder das Wort "Echo" sagen lässt, Carpendale: "Escho". Wenn sie mit Beth Ditto singt oder Florian David Fitz vor die Wahl stellt: Lässt er sich von ihr eine Braunüle legen oder will er lieber an "einem Pferdepimmel lutschen"? Auf einen Bluff hoffend, entscheidet Fitz sich für das Pferd - das dann selbstverständlich in den "Schellfischposten" geführt wird. Oder wenn sie auf die Frage von Katharina Thalbach, was es zu trinken gibt, erwidert: "Du kannst trinken, was du willst. Nur wenn es Morgenurin wäre, dann lass uns drüber reden."

Schlicht unwürdig

Wohl in guter Absicht wurde für diese Sondersendung eine Art Wohnzimmer sehr geschmacklos eingerichtet und die Moderationskollegen Hubertus Meyer-Burckhardt und Bettina Tietjen neben Müller aufs Sofa gesetzt. Die drei sollen, unterstützt von alkoholhaltigen Getränken, das Best-of ansehen und Lustiges noch lustiger machen. Um im Müller-Jargon zu bleiben: Das geht voll in die Büx. Neben der aus der Situation geborenen Komik einer queren Sendung wie Inas Nacht wirken die drei auf dem Sofa wie Knallfrösche auf Butterfahrt. Auch sind Idee und das armselige Setting zu Ehren des auch mit dem Grimme-Preis für Unterhaltung ausgezeichneten Formats schlicht unwürdig.

Ina Müller hat durch die Moderation größerer Sendungen wie der Gala zum 100. Geburtstag von Heinz Erhardt gezeigt, dass ihr diese Formate nicht liegen. Dass ihre derbe Art, ihre freche Klappe auf der großen Bühne nicht funktionieren. Das ist nicht schlimm. Denn das, was in der Enge der Kneipe und durch die körperliche Nähe im Kontakt zwischen ihr und den Gästen geschieht, ist oft sehr viel mehr, als man sonst zu sehen bekommt. Und zu hören. Etwa als sie Peter Maffay löchert, was hinter seinem legendären Hit "Und es war Sommer" stecke, wie alt die Frau, die ihn verführt hat, wirklich gewesen sei und vermutet: "Es war wohl nicht ganz so romantisch, wie im Song beschrieben." Und Maffay sagt: "Nee, es war Winter."

Inas Nacht - Das Beste aus 100 Folgen, NDR, Nacht zu Samstag, 0 Uhr.

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