TV-Vorschau: "Die Akte Berlusconi":Italienische Verstrickungen

Warum regiert Italiens Ministerpräsident noch, trotz aller Eskapaden? Auf der Suche nach Antworten schlagen ZDF und Arte "Die Akte Berlusconi" auf - und werden nur in Maßen fündig.

Andrea Bachstein

Das Phänomen Silvio Berlusconi lässt seit Jahren rätseln. Wie kann es sein, dass er Italien noch immer regiert - trotz aller Skandale, Prozesse und vieler Verdachtsmomente, die an ihm hängen?

Silvio Berlusconi

Silvio Berlusconi, Italiens Ministerpräsident, wird in der Dokumentation Die Akte Berlusconi in Verbindung mit der Geheimloge P2 gebracht.

(Foto: dpa)

Michael Busse und Maria-Rosa Bobbi haben sich 2010 für Arte und das ZDF auf die Reise gemacht, um zu erklären, warum dieser Mann immer noch an der Macht ist. Ein Unterfangen, an dem sich schon viele abgemüht haben.

Die Akte Berlusconi greift einige der schwersten Vorwürfe und Fakten auf: Hinweise, dass die Mafia seine Karriere gestützt hat. Die Medienmacht seines Konzerns, die das Publikum manipuliert, und Gesetze, von denen seine Unternehmen skandalös profitieren. Ohne Zweifel empört und besorgt, wie Berlusconi Politik instrumentalisiert und sie deformiert zum Schaden des Landes.

Das präsentiert der Film als sehr finsteres Reich Berlusconistan, in dem der Premier allein bestimmt und Erbe einer Verschwörung ist. Was den Reiz der Theorie schmälern könnte, bleibt beiseite. Und auch, dass es Abwehrmechanismen gibt, die Berlusconi bremsen. So ist er im Dezember nur knapp seinem Sturz im Parlament entgangen.

Berlusconi wird es weiter versuchen, doch in den vergangenen zwei Jahren sind seine Gesetze geplatzt, die ihn vor Prozessen retten und Justiz und Medien für ihn ungefährlich machen sollten.

Keine Schonung

Der Film blickt zurück zu Berlusconis politischen Anfängen und erzählt von seinem großen Thema, der Justiz. Hätte der berühmte Ermittler-Pool "Mani Pulite" (Saubere Hände) der Mailänder Staatsanwaltschaft nicht Anfang der neunziger Jahre das korrupte System der ersten Republik zu Fall gebracht, wäre Berlusconi kaum 1994 zum Regierungschef aufgestiegen. "Für die nächsten 16 Jahre wird der Mailänder Justizpalast zur juristischen Gegenmacht", heißt ein Satz im Film.

Unfreiwillig greift er ein Hauptargument des von Ermittlungen und Prozessen begleiteten Berlusconi und seiner Getreuen auf: Ihr Mantra, eine linke Justiz wolle ihn mit Verfahren aus dem Amt treiben. Und so mancher Bürger glaubt das.

Zum Bild gehört auch der zweimal wegen Mafiaverstrickungen verurteilte Senator Marcello Dell'Utri, ewiger Wegbegleiter Berlusconis. Am heikelsten für den Premier ist der Verdacht, Dell'Utri habe mit Mafiahilfe Berlusconis erste Partei Forza Italia aufgebaut.

Schurke Dell'Utri verdient keine Schonung. Aber der Korrektheit halber hätte man sagen müssen: Das letzte Urteil gegen ihn betrifft nur Vorgänge bis 1992 - die Zeit vor Gründung der Partei.

Ein großer Strang des Films handelt von der 1981 enttarnten Geheimloge P 2. Sie verfolgte in den siebziger Jahren Pläne für einen rechten Umsturz und steht im Verdacht, hinter Terroranschlägen zu stehen. Die These ist, dass Berlusconi ihre Ziele eines autoritären Staats weiter verfolgt.

Ein skrupelloser, egoistischer Politiker

Als Zeuge wird unter anderen Licio Gelli präsentiert, einst "Meister vom Stuhl" der Geheimloge. Er war "ein optimales Element", sagt der alte Verschwörer über das einstige P-2- Mitglied Berlusconi. Der möchte tatsächlich lieber mit mehr Macht ausgestattet regieren und Kritikern einen Maulkorb verpassen. Das passt auch zu Gellis Vorstellungen.

Nur weist sein unberechenbares, indezentes und konzeptloses Agieren Berlusconi so gar nicht als raffinierten Verschwörer aus. Auch Gelli hat sich im Juni 2010 im Politmagazin Espresso abfällig über ihn geäußert und ähnlich vor kurzem in Il Tempo. Berlusconi folgt seinem persönlichen Vorteil. Aber einem mehr als 30 Jahre alten Plan?

Geheimnisvoll heißt es im Film über Gelli: "Eine unsichtbare Hand schützt ihn bis heute." Dabei ist er immerhin vier Mal verurteilt und steht seit 2001 für zwölf Jahre unter Hausarrest. Ohne Reiz ist es ist nicht, den fast 90-jährigen Gelli wie eine Sphinx im Lehnstuhl zu sehen. Nur, was soll man so einem glauben?

Und so antwortet Gelli auf die Frage, ob Berlusconi durch die P 2 große Kredite bekam, listig lächelnd: "Kann sein." Irgendwie ist das auch der Satz zum Film: Kann sein, dass alles so ist. Kann aber auch nicht sein. Die Akte Berlusconi beleuchtet wichtige Aspekte. Doch wie viele andere, ehrenwerte Versuche erklärt der Film das Phänomen nicht ganz. Womöglich mystifiziert er Berlusconi mehr, als der es verdient.

Vielleicht ist er ganz banal ein besonders skrupelloser, egoistischer Politiker.

Die Akte Berlusconi, Arte, 20.15 Uhr;

Einer von uns - Reise durch ein populistisches Italien, 21.05 Uhr.

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