Fernsehfilm:Und dann kam Hildegard

Fernsehfilm: Zweiter Frühling dank Partnervermittlung: Ursula und Manfred, beide verwitwet, am Grab seiner Frau.

Zweiter Frühling dank Partnervermittlung: Ursula und Manfred, beide verwitwet, am Grab seiner Frau.

(Foto: MDR)

Eine schöne Dokumentation erzählt vom Suchen und Finden der Liebe im Alter.

Von Cornelius Pollmer

Einem Film über die Liebe ist es womöglich nachzusehen, wenn er zu Beginn holprig wirkt und unsicher, so ist das eben, wenn man sich annähert. Diesem Film über die Liebe ist sein holpriger Anfang in jedem Fall nachzusehen, er liegt schließlich außerhalb der Zuständigkeit der Autorin Regina Hamborg. Es holpert nämlich bereits in der Anmoderation der Dokumentation unter dem Markendach "Exakt die Story". An diesem Mittwoch lautet die Leitfrage Einmal noch ein spätes Glück? Vom Suchen und Finden mit 70plus.

Die Sendung beginnt also mit einem gegoogelten Zitat von Coco Chanel, dann verliert sie sich kurz in jener Partykellerhaftigkeit, von welcher der MDR glaubt, sie wäre humorvoll. Es gehe um "Schmetterlinge im Bauch trotz Falten und Rollator", sagt die Anmoderatorin und dann läuft sie so dimensionenverirrt in ein gerahmtes Familienbild hinein, dass man dem MDR sämtliche Studiotechnik wegnehmen möchte.

Aber dann? "Dann kam Hildegard." So sagt es die Betreuerin von Hildegard Richter, 88, lange Zeit ihres Lebens wohnhaft in Werne, Nordrhein-Westfalen. Frau Richter ist vor wenigen Jahren zu Sohn und Neffen ins sächsische Radebeul gezogen, im Gepäck auch Briefe von und Erinnerungen an ihren verstorbenen Mann: "Mein geliebtes Frauchen, mein herzallerliebster Schatz!" Richter zittern die Hände, als sie noch einmal liest. "Ich hab ja die Briefe noch und alles von ihm. So schöne Briefe."

Rostfreier Oldtimer, völlig intakt u. startklar sucht pass. Oldtimerin

1965 starb die erste größte Liebe von Hildegard Richter, es folgten 40 ordentliche Jahre mit Otto, dann war auch er gegangen. Gustav Deutschmann wiederum fand in Radebeul zunächst keinen echten Herzensmenschen, bis eben die Betreuerin ihn mit Hildegard bekannt machte. Nun werden Hände gehalten, das Off jubelt: "Ob Essen, Basteln, Singen - der Stuhl neben Hildegard ist jetzt immer besetzt." Und Gustav Deutschmann erinnert sich an den Frühling im Herbst: "Die Küsse waren ja so süß, da haben wir nicht aufgehört!"

Der Film von Regina Hamborg bietet gleich mehrere Erfolgsgeschichten an, und seine größte Stärke besteht darin, dass er sie ohne falsche Scheu erzählt. Die Relevanz seines Gegenstands vermisst der Film angemessen knapp: Ein Drittel der Frauen zwischen 70 und 80, zwei Drittel jener über 80 sind verwitwet und ohne neue Partnerschaft. Gleichzeitig sehnen sich viele ältere Menschen zumindest nach Zärtlichkeit. Daraus entsteht ein Markt, für den stellvertretend die Inhaberin einer "Liebeskummer-Praxis" etwas schrill vorsprechen darf. Und daraus entsteht auch ein Forschungsgegenstand, den ein Professor in nüchterner Zugänglichkeit umschreibt. So sei ein Problem beim Finden der Liebe im Alter, dass 80-Jährige einander viel unähnlicher seien als 20-Jährige. In der Jugend geht es vielen um Sex, eine gemeinsame Wohnung, um Kinder. Im Alter? Da seufzt Werner Fischer, aus dessen Gesicht irgendwann in den vergangenen Jahren die Freude gewichen ist.

2007 hatte Fischer, Busfahrer i. R., noch frohen Mutes eine Kontaktanzeige aufgegeben: "Rostfreier Oldtimer, TÜV gepr., völlig intakt u. startklar, Bj. 1934 ... sucht pass. Oldtimerin." Es kamen 15 Briefe in acht Tagen, aber "so richtig war das alles nichts". Keine der Frauen wollte zu ihm nach Langenhennersdorf, nun ist Fischer selbst nach Pirna gezogen und sitzt dort wie ein Dorf-Churchill allein auf der Parkbank und nuckelt Zigarre. Alles in Ordnung, sagt Werner Fischer, aber so ganz glaubt man ihm das dann auch wieder nicht. Gerade federte ja noch kontrastierend Ursula Büchner in die Kamera, sie saß auf einem Gymnastikball und sie sagte, es sei ihr wichtig gewesen, keinen Opa zu bekommen, der nur noch im Sessel sitzt. Jetzt weiß sie Manfred an ihrer Seite, und beide teilen nicht nur auf der hohen See des Lebens eine Kabine, sondern im Zweifel auch auf einem sehr konkreten Kreuzfahrtschiff.

Behutsam und vorbehaltlos wird all dies erzählt, am Ende ist aus dem Holpern ein Tanzen geworden und ein Geheimtipp an alle Alten im Sendegebiet, die noch einmal finden wollen. Wie man höre, schließt der Film, solle es im Café Heiderand in Dresden bei den Tanznachmittagen regelmäßig hoch hergehen.

Exakt - Die Story, MDR, 20.45 Uhr.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: