Fernsehfilm:Das Fenster der anderen

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Späte Aussprache: Hermann Blok (Rainer Bock) und Eva (Petra Schmidt-Schaller). (Foto: HR/Bettina Müller)

Eine scheinbare Idylle - betrachtet vom Nachbarhaus: Aus einer Erzählung von Margriet de Moor macht der HR einen überraschenden Film.

Von Claudia Tieschky

Wer späht, installiert heute Videokameras oder lenkt Drohnen. Eine ältere Frau im Nachbarhaus am Fenster? Harmlos. Aber das ist ein leichtfertiger Irrtum, der einen umso sanfter in diesen so seltsam sanften Film hineingleiten lässt. Harmlos, denkt man also, außerdem ist sie doch freundlich und zugetan, diese Sylvia Blok, die Späherin, die wir erst nach ihrem Tod aus der Erzählung ihres Ehemannes kennenlernen. Aber was ist harmlos, wenn einer sich völlig hineinsaugt in das scheinbar makellose Leben des kürzlich eingezogenen jungen Paares mit den zwei netten Kindern in diesen hellen, offenen Räumen, den Festen auf dem schönen Rasen?

In Wahrheit sind nicht die jungen Leute das Rätsel; es sind die alten

"Ausgespäht!", empört sich Eva Sanders, als Hermann Blok ihr eröffnet, was sie für seine kranke Frau bedeutet habe, plötzlich wieder Lebensfreude, Anteilnahme. Der Zuschauer hat da gerade gesehen, wie Eva auf Bloks Drängen noch einmal für einen Nachmittag hinausfährt zu ihm in den Vorort, jetzt geschieden von ihrem Autohaus-Besitzer, das schöne helle Haus verkauft. Vorbei, so was passiert. Nun schaut man also in das andere Haus hinein, das von Hermann und Sylvia Blok, es ist viel kleiner und bescheidener als das nebenan, gedeckte Farben, Blok bringt Tee, dann sitzen er und die junge Frau Sanders (Petra Schmidt-Schaller) am Tisch in der aufgeräumten Stille, der Sommer bleibt draußen, kein Lebenstraum hat sich hier erfüllt, nur die Pflicht. Hier erspähte Sylvia Blok vom Fenster aus das, was sie zu Kräften kommen ließ - nein: was sie zu einem Geschöpf werden lässt, das organisch am Glück der anderen hängt. Aber was sah sie dort wirklich?

Irgendwie haben es Edda Leesch (Buch) und Martin Enlen (Regie) geschafft, an diesem Konstrukt aus Dialog und Rückblenden nicht zu scheitern, sondern eine Abfolge von Überraschung und Verblüffung zu erzeugen. Das großartige Spiel von Rainer Bock vor allem trägt den Film, er ist ein altmodischer, höflicher, fürsorglicher Ehemann Hermann Blok, der Eva etwas gestehen will - und in Wahrheit ist das interessantere Rätsel hier natürlich nicht das junge, sondern das alte Paar. "Genau so habe ich mir das vorgestellt", juchzte Sylvia, als sie die Weihnachtsdekoration der Sanders' sah, sie meinte: in meinem eigenen Leben. Ich war eine glückliche Frau, nach einer Erzählung der Schriftstellerin Margriet de Moor hat eine große Wucht in kleine, manchmal fast kitschige Szenen verpackt.

Möglich scheint, dass der Witwer und die junge Frau, die erst nicht lang bleiben will, im Streit auseinandergehen. Aber dann wechselt beim Reden das Licht, die Dämmerung fällt, irgendwann macht Herr Blok Licht, am Ende zieht der Morgen auf, als Eva Sanders die Siedlung verlässt und sich, warum auch immer, die Schuhe auszieht.

Ich war eine glückliche Frau , Das Erste, Mittwoch, 20.15 Uhr.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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