Fernsehen:Ist da Politik drin?

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Olli Schulz und Jan Böhmermann dürfen erst nach der Wahl auf Sendung. (Foto: Ben Knabe/ZDF)

Am Sonntagabend flog Jan Böhmermann beim ZDF aus dem Programm - wegen eines Gastes. Die Sender wollen den Wahlkampf aus ihren Shows raushalten.

Von David Denk

Die nahende Bundestagswahl ist eigentlich kaum zu übersehen, Plakate auf den Straßen, Wahlwerbespots sowie "große" und "kleine" Kandidaten-Duelle im Fernsehen. Und doch ist dem ZDF offenbar erst am Sonntag und somit recht kurzfristig aufgefallen, dass in der für den Abend programmierten und bereits aufgezeichneten Talkshow Schulz & Böhmermann die Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln, Franziska Giffey, zu Gast sein sollte - entgegen der Senderregularien eine Politikerin kurz vor der Wahl.

Nachdem Jan Böhmermann am frühen Abend in einem später gelöschten Tweet darüber informiert hatte, dass die Sendung ausfallen muss, äußerte sich ZDF neo um 20.17 Uhr: "Ja, es ist leider wahr", die Sendung müsse "aus produktionellen Gründen" entfallen. "Sorry!" Auch in der Mediathek war sie nicht abrufbar, stattdessen wiederholte der Sender einen Film aus der Krimireihe Ein starkes Team - von deren Existenz viele Schulz & Böhmermann-Fans am Sonntagabend zum ersten Mal unfreiwillig Notiz genommen haben dürften.

"Produktionelle Gründe" klingt geheimnisvoll-vieldeutig - dabei ist der Sachverhalt klar. So kurz vor dem Urnengang ist ein Politiker-Auftritt im ZDF tabu, sechs Wochen vor Bundestags-, Landtags und Europa-Wahlen gilt: keine Parteienvertreter in Unterhaltungssendungen. Dies soll klare Verhältnisse schaffen: Informationsformate sind in dieser Zeit die Foren für Wahlkämpfer und ihre Positionen, aber kein aktiver Politiker soll sich etwa bei Markus Lanz menschelnd-plaudernd ins Herz des Wahlvolks charmieren.

Die Regel mit der Sechs-Wochen-Frist ist so alt, dass die Pressestelle des Senders am Montag nicht auf Anhieb ihren Ursprung datieren konnte (und eine Mitarbeiterin Aktenordner wälzen ließ), was den Wirbel um die Böhmermann-Sendung umso erstaunlicher macht. Jedenfalls wurde bei der obligatorischen Abnahme der Sendung durch die Redaktion offenbar niemand stutzig - ein Versagen, das der Sender auf Nachfrage nicht weiter kommentieren wollte, was man allerdings auch schon als eine Form von Kommentar verstehen kann.

Auch bei den ARD-Sendern gilt eine Karenz-Regelung für Unterhaltungssendungen, die Chefredakteur Rainald Becker auf Anfrage lieber als "Agreement" bezeichnet. Er halte die Sechs-Wochen-Frist für "sehr sinnvoll, denn nicht Sympathie, Spielfreude oder großes Showtalent der Kandidaten sollten eine Wahl bestimmen, sondern ihr Programm und die politische Auseinandersetzung".

Die Schulz & Böhmermann-Sendung mit Franziska Giffey soll nun übrigens zu einem noch ungenannten Termin nach der Bundestagswahl am 24. September ausgestrahlt werden. Sie dürfte dann in etwa so mitreißend sein wie eine Wiederholung von Ein starkes Team.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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