"Familie!" im ZDF:Ein Patchwork-Drama, das nachhallt

Familie! im ZDF

Lennart Behrwaldt (Jürgen Vogel), Melanie Dombrowski (Anna Maria Mühe) und ihr Kind genießen das Familienglück - aber das ist nur von kurzer Dauer.

(Foto: ZDF)

Selten werden Familien im Fernsehen so gezeigt, wie sie wirklich sind. Der ZDF-Zweiteiler "Familie!" will anders sein - ohne Klischees.

TV-Kritik von David Denk

Von Familien kann das deutsche Fernsehen kaum genug bekommen, weshalb mehrmals in der Woche Teflon-Sippen in lichtdurchfluteten Altbauten sitzen, blendend aussehen und außerdem imprägniert zu sein scheinen gegen Karies und die Unbill der menschlichen (Ko-)Existenz. Dabei weiß doch jeder, der selber eine hat (also die allermeisten), dass Familie auch anstrengend sein kann, frustrierend und verletzend. Aber das will man dem Fernsehzuschauer lieber nicht zumuten, das hat er ja schließlich schon zu Hause.

Der Zweiteiler Familie! will die Ausnahme sein. Nach dem vielschichtigen Buch von Rainer Berg, überarbeitet von Johannes Rotter, erzählt der ZDF-Zweiteiler (Regie: Dror Zahavi) von zwei sehr unterschiedlichen Familien im Berlin von heute, die irgendwie zusammenfinden müssen, weil Melanie Dombrowski (Anna Maria Mühe), Tochter eines Handwerkers, ein Kind von Lennart Behrwaldt (Jürgen Vogel) bekommt, Sohn einer Anwältin aus großbürgerlichem Hause und (finanziell sorgenfreier) Sternekoch.

Die eine Familie ist eher warm, die andere unterkühlt - wunde Punkte und Geheimnisse haben sie aber natürlich beide. Wie war das noch bei Tolstoi? "Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Art unglücklich."

Während Melanie und ihre Eltern bevorzugt im Rudel auftreten, sind Anwältin Lea (Iris Berben) und Lennart notorische Einzelgänger mit Bindungsängsten. Lea etwa lebt und arbeitet in sicherer Distanz zu ihrer Familie in Hamburg, erst durch die Nachricht von der Geburt kommen sie wieder in Kontakt. Lennart fährt lange zweigleisig, hat eine Affäre mit seiner litauischen Kollegin, die ihm schließlich eine Entscheidung abnimmt, zu der er sich selbst vielleicht nie durchgerungen hätte.

Die Geschichte hallt nach, weil man über sich selber nachdenkt

Die Energie der Frauenfiguren trägt die Filme, allen voran die von Anna Maria Mühes Melanie, deren Traum von einer glücklichen Familie so stark ist, dass sie Lennart auch den Seitensprung mit Nida verzeiht - ein naiv wirkendes, aber zähes Muttertier mit Hang zur Selbstaufgabe und damit ihrer eigenen nicht unähnlich, die vor der Alkoholsucht ihres Mannes, Melanies Vater, die Augen verschließt. Psychologisch präzise zeigt Familie! alle Figuren als Produkt ihrer Erziehung und Abstammung - Generationenkonflikte inklusive.

Vielleicht drehen sich die Dialoge mitunter ein bisschen arg im Kreis, und auch den wegen der Schulden ihres Mannes auf Nida losgelassenen Schlägertypen mit osteuropäischem Akzent, Inbegriff eines TV-Klischees, hätte man sich sparen können. Insgesamt aber ist Familie! ein zeitgemäßes Patchwork-Drama, das länger nachhallt als der deutsche TV-Durchschnitt, indem es den Zuschauer auf seine eigene Familiensituation zurückwirft.

Im letzten Bild fällt eine schwere Holztür ins Schloss - und man ist nicht ganz sicher, ob die Menschen dahinter nun behütet sind oder eingesperrt.

Familie!, ZDF, Montag und Mittwoch, 20.15 Uhr.

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