Facebook-Auftritte von Medien:Alle inklusive

Eine SZ-Recherche zeigt, welchem politischen Lager bei Facebook welche Nachrichtenseite gefällt - und was Anhänger von AfD und Linkspartei verbindet.

Von Simon Hurtz

Lachen verbindet. Alt und Jung, Arm und Reich und sogar Rechts und Links. Zweieinhalb Millionen Menschen gefällt die Webseite Postillon auf Facebook, die Heute-Show des ZDF hat mehr als eine Million Likes gesammelt. Die Fans der Satire-Seiten stammen aus fast allen politischen Milieus. Von Linkspartei bis CSU sind sämtliche großen Parteien dabei. Nur eine fehlt: die AfD. Das geht aus mehr als einer Million öffentlicher Facebook-Likes hervor, die SZ.de in den vergangenen Monaten ausgewertet hat.

Damit stehen die satirischen Facebook-Auftritte stellvertretend für eine ganze Reihe von Medien. So wenig die Satire des Postillon auf den ersten Blick mit dem Journalismus von Spiegel Online oder der Tagesschau zu tun hat - sie eint, dass sie Zuspruch von Sympathisanten aller Parteien finden, mit Ausnahme der AfD.

Das ist nur folgerichtig: Die Rechtspopulisten inszenieren sich gern als Partei, die radikal mit dem sogenannten Mainstream bricht, vermeintliche Wahrheiten ausspricht und Dinge beim Namen nennt, die man angeblich nicht sagen dürfe. Insofern liegt es nahe, dass ihre Unterstützer um viele Medien einen Bogen machen, auf die sich Linke, Grüne, SPD-, FDP-, CDU- und CSU-Anhänger einigen können.

Selbst Medien, die als linksliberal gelten, werden von weiten Teilen der Gesellschaft genutzt

Neben den genannten Seiten verbinden auch die Heute-Nachrichten des ZDF, der Stern und die Süddeutsche Zeitung das politische Spektrum von Rot bis Schwarz. Lässt man die CSU als vor allem regionales Phänomen außen vor, kommen noch Zeit Online und die NDR-Satiresendung Extra 3 hinzu. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Seiten sind gering: Facebook-Fans der großen Volksparteien gefallen häufig auch die Tagesschau und Spiegel Online, während Satire-Sendungen wie die Heute-Show besonders beliebt bei Nutzern aus dem Linken- und Grünen-Milieu sind.

Demnach träfe zumindest auf Facebook zu, was selbsternannte Systemkritiker oft behaupten: Es gibt tatsächlich Medien, auf die sich fast alle einigen können. Es ist aber auch eine andere Interpretation möglich: Selbst Medien, die vielen als linksliberal gelten, decken ein so großes Meinungsspektrum ab, dass sie von weiten Teilen der Gesellschaft als Informationsquellen genutzt werden.

Doch auch AfD-Sympathisanten liken längst nicht nur rechtsalternative Nischenmedien. Drei Facebook-Seiten großer deutscher Nachrichtenportale vereinen Nutzer aus allen politischen Milieus inklusive der AfD: Welt und Huffington Post sowie das Politik-Ressort von Focus Online, das bei Facebook mit einer eigenen Seite vertreten ist. Dessen allgemeine Facebook-Präsenz fällt dagegen bei Grünen, Linken und Sozialdemokraten durch, ist im AfD-Lager aber außerordentlich beliebt.

Um herauszufinden, warum ausgerechnet diese Seiten so attraktiv für AfD-Anhänger sind, wäre eine genaue Analyse der Inhalte nötig, die dort gepostet werden. Doch auch ohne jeden Link auszuwerten, fällt auf, dass insbesondere die beiden Burda-Portale Huffington Post und Focus Online häufig Kommentare oder Interviews verlinken, die sich kritisch mit Flüchtlingen und Zuwanderern, dem Islam und anderen Themen beschäftigen, mit denen die AfD mobilisiert. Entsprechend regelmäßig sammeln diese Posts dann auch ein paar Hundert oder Tausend wütende Reaktionen und werden hundertfach geteilt und kommentiert. Auffallend oft finden sich diese Links in Timelines von AfD-Sympathisanten oder in Facebook-Gruppen mit rechter bis rechtsextremer Ausrichtung.

Die Diagramme der großen Medien zeigen Ausschläge auf allen sieben politischen Achsen, etwa ein halbes Dutzend vereint die sechs etablierten Parteien von Linke bis CSU. Zusätzlich existieren Medien, deren Facebook-Fans sich in ihrer Affinität zu politischen Parteien nahezu exakt gleichen. Das gilt vor allem für die beiden Fernsehsender N24 und n-tv sowie die Bild-Zeitung. Alle sind besonders bei Anhängern der Union beliebt, hinzu kommen SPD- und FDP-Sympathisanten. Nur Fans von Grünen, Linken und der AfD ignorieren die drei Medien in seltener Einigkeit. In dieses Lager passt auch die Facebook-Seite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ihr Publikum ähnelt mit Blick auf die politische Zusammensetzung dem von Bild, N24 und n-tv, mit dem Unterschied, dass die bürgerliche Tageszeitung auffallend vielen FDP-Unterstützern gefällt.

Für eine schwarz-gelbe Koalition müssten sich Union und FDP auch bei vielen FAZ-Lesern bedanken

Insgesamt bestätigen die Daten Bauchgefühle: Besucher von Spiegel Online, Zeit Online und SZ.de werden die AfD im September wohl kaum über die Fünf-Prozent-Hürde heben. Falls es eine schwarz-gelbe Koalition geben sollte, dürfen sich Union und FDP auch bei vielen FAZ-Lesern bedanken. Springers Aushängeschilder Bild und Welt sind die Medien des konservativ-bürgerlichen Milieus, während die öffentlich-rechtlichen Sender keineswegs Programm nur für "Linksgrüne" machen, wie ihnen aus dem AfD-Milieu vorgeworfen wird, sondern politisch einen breiten Querschnitt der Bevölkerung ansprechen.

Die bei AfD-Anhängern beliebten Medien entsprechen ebenfalls den Erwartungen: Neben Welt, Focus Online und Huffington Post finden sich dort die Wochenzeitung Junge Freiheit (ebenfalls beliebt bei CDU und CSU), The Epoch Times (CSU) oder RT Deutsch (was sie mit den Fans der Linken verbindet). Außerdem liken Fans der Rechtspopulisten häufig die Facebook-Seiten des Compact-Magazins, des Kopp-Verlags und des Blogs "Tichys Einblick" - immerhin diese Vorlieben müssen sie mit den Anhängern keiner anderen Partei teilen.

Weitere Ergebnisse der Recherche, Hintergründe zur Methodik und einen Selbsttest für Ihr eigenes Facebook-Profil finden Sie unter sz.de/filterblase

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