ESC-Vorentscheid:Levina soll's richten

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Imposante Stimme für Kiew: Isabella "Levina" Lueen. (Foto: NDR/Sony Music/Walter Glöckle)

Die 25-Jährige fährt für Deutschland nach Kiew. Mit imposanter Stimme streifte sie zumindest die Ränder des Mittelmaßes. Die wahre Siegerin war jedoch eine andere.

Von Hans Hoff

Zwei Punkte im Beiprogramm skizzierten am Donnerstag in Köln die musikalische Bandbreite beim Vorentscheid des Eurovision Song Contest (ESC). Zum einen war da ein liedhafter Gastvortrag von Schauspieler Matthias Schweighöfer, der in seiner gruseligen Lullihaftigkeit die Abgründe deutscher Betroffenheitslyrik brutal offenlegte; zum anderen trat mit der Kraft einer Naturgewalt Conchita Wurst, die ESC-Gewinnerin von 2014, an, um Lenas Siegerlied von 2010 in einen neuen Kosmos zu katapultieren. Bei ihr klang "Satellite" wie von einem anderen Stern, groß, gewaltig, weltenverschiebend. Der Rest der Darbietungen pendelte sich in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen ein.

Aus diesem Mainstream fischte das Publikum zielsicher Isabella "Levina" Lueen heraus, weil sie mit imposanter Stimme wenigstens ab und an die Ränder des Mittelmaßes streifte. Die 25-Jährige ist nun ausersehen, am 13. Mai in Kiew Deutschland musikalisch zu repräsentieren.

Eigentlich war von der ARD ja ein spannender Abend versprochen worden mit fünf Kandidaten und zwei Songs zur Wahl. Aber dann stimmte Levina Adeles "When We Were Young" an, und fortan waren ihre Mitbewerber Staffage.

Das entwertete natürlich das komplizierte Abstimmungsverfahren, das ein bisschen nach Demokratie aussehen und die Ausrichter vor dem Vorwurf schützen sollte, sie bestimmten den Kandidaten fürs ESC-Finale nach Gutsherrenart. Die Erfahrungen mit dem erst nominierten und dann doch nicht antretenden Xavier Naidoo hallen da ebenso nach wie das Abschneiden bei den jüngsten ESC-Shows. Zweimal ist Deutschland Letzter geworden. Jetzt soll es Levina richten.

Der am Ende ausgewählte Song "Perfect Life" erfüllt zumindest etliche Forderungen, die an ideale ESC-Beiträge gestellt werden. Er verfügt über eine passable Dramaturgie, lässt sich optisch opulent aufplustern und hat auch schon die ersten Plagiatsvorwürfe an der Backe. Wer David Guettas "Titanium" kennt, dürfte zumindest keine Schwierigkeiten haben, sich an "Perfect Life" zu gewöhnen.

Das verdeckt natürlich den Umstand, dass die ARD die Gutsherrenart durch die Hintertür wieder eingeführt hat. Zwar standen viele Interpreten zur Wahl, aber bei den Songs ließ man nur die Wahl zwischen zwei risikolosen Popnummern, die beide übrigens in den USA gefertigt wurden. Falls die US-Regierung demnächst mal wieder den deutschen Exportüberschuss kritisiert, kann man sagen: Unser Song für Kiew ist ein amerikanischer.

Die wahre Siegerin des Abends, der lediglich 3,14 Millionen Zuschauer interessierte, war aber Moderatorin Barbara Schöneberger. Ohne sie ist die Übertragung einer deutschen Feierlichkeit ja quasi ungültig, und in Köln bewies sie eindrücklich, dass das auch gut so ist. Als lebendes Gesamtkunstwerk wirbelte sie über die Bühne, sabbelte alle in Grund und Boden und hielt die einzelnen Teile des klapprigen Showgerüsts fest zusammen. Die Frau weiß, wie es geht. Könnte man ihre Energie in einen Song packen, wäre es keine Frage mehr, wer zum ESC-Finale reisen sollte.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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