Erste "Tonight Show" mit Jimmy Fallon:Evolution des Humors

Jimmy Fallon, Stephen Colbert

Ein Selfie mit dem Neuen: Komiker-Kollege und Konkurrent Stephen Colbert (rechts) war auch zu Gast bei Jimmy Fallon

(Foto: Lloyd Bishop/AP)

Jimmy Fallon hat seine erste "Tonight Show" moderiert. Schon jetzt ist klar: Es wird einen Paradigmenwechsel im amerikanischen Humor geben. Zur Premiere kamen zahlreiche Prominente, es gab sehr witzige Momente - und New York.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der bedeutendste Gast des Abends blieb zunächst schüchtern im Hintergrund. Stets zu sehen, gewiss, aber nicht so aufdringlich, wie man es von ihm gewohnt ist. Das war kein Problem, kam doch gerade Robert De Niro auf die Bühne und knallte einen 100-Dollar-Schein auf den Tisch von Jimmy Fallon. Der hatte zuvor gesagt, dass ihm nun ein Freund, dessen Namen er nicht verraten wolle ("Du weißt schon, wer gemeint ist!"), Geld schulden würde wegen der Behauptung, dass Fallon niemals die Tonight Show werde moderieren dürfen.

In der Nacht von Montag auf Dienstag, zwischen der Berichterstattung über die Olympischen Spiele, war Fallon war zum ersten Mal Gastgeber der Sendung, die es seit 60 Jahren gibt.

Nach De Niro bezahlten Tina Fey, Mike Tyson, Lindsay Lohan, Joe Namath, Lady Gaga, Rudy Giuliani, Joan Rivers, Seth Rogen, Kim Kardashian ihre Wettschulden. Mariah Carey zog den Schein aus ihrem mittlerweile überdimensionierten Dekolleté, Sarah Jessica Parker zückte ihn ganz Sex-and-the-City-like aus ihrem Schuh - und Stephen Colbert brachte seinen Einsatz in Centstücken vorbei und schoss noch schnell ein Foto von dem neuen Gastgeber. "Welcome to 11:30, bitch", sagte Colbert über seinen neuen Konkurrenten.

Wow, was für ein Start! Dreizehn Promis aus hohen Buchstaben-Kategorien - und die beiden vor der Sendung angekündigten Gäste waren noch nicht einmal aufgetreten. Es war nicht zu übersehen, dass Fallon überaus nervös war, als er mit den Worten begann: "Ich bin Jimmy Fallon und werde ihr Gastgeber sein - zunächst einmal." Eine kleine Anspielung auf den Streit zwischen Jay Leno und Conan O'Brien vor vier Jahren und darauf, dass Leno zuletzt nicht besonders glücklich wirkte, die Tonight Show nun nach 22 Jahren endgültig abgeben zu müssen.

Fallon erzählte noch ein paar Witze, die meisten davon drehten sich um die Olympischen Spiele - er brachte die überaus witzige Superlativen-Kategorie von seiner alten Show mit. Was er noch mitbrachte: eine Evolutions-Variante. Er zeigte gemeinsam mit Will Smith The Evolution of Hip-Hop-Dancing - genial dabei: "The Carlton" aus Smiths früherer Show Fresh Prince of Bel-Air. Fallon hatte früher bereits mit Präsidentengattin Michelle Obama die Entwicklung der Mama-Tänze und mit Justin Timberlake The History of Rap präsentiert.

Kaum zu überbietende Bilder

Danach präsentierte er endlich diesen so wichtigen Gast. Der war lange bekannt, er war auch im Eingangsvideo von Spike Lee zu sehen und hielt sich zunächst recht unauffällig als Silhouette im Hintergrund auf. Nun wurde deutlich, wie wichtig dieser Gast für Fallon ist, wird er doch von nun an jeden Abend da sein: Dieser Gast heißt New York City. Nach 42 Jahren an der Westküste wird die "Tonight Show" wieder im Studio 6B im 30 Rockefeller Plaza in Midtown Manhattan aufgezeichnet.

Und welche Wirkung das entfalten kann, zeigte sich, als Fallon den nächsten musikalischen Beitrag ankündigte. Dazu traten U2 an, die auf dem Dach des Rockefeller Center ihren Song "Invisible" spielten, unterstützt von Trommlern der Rutgers University.

Der Auftritt erinnerte an das letzte Konzert der Beatles im Jahr 1969 in London, vor allem aber waren es beeindruckende Bilder vom Sonnenuntergang in New York City. Ja - und das müssen auch Menschen zugeben, die Los Angeles als Wohnort bevorzugen, weil es dort bestens gelaunte Nachbarn, wunderbare Strände und jeden Tag Sonne gibt: Es ist nicht zu überbieten, wenn da eine Rockgruppe ein Konzert in 70 Stockwerken Höhe gibt und dahinter die Skyline der Stadt zu sehen ist, von der es heißt, dass sie niemals schlafen würde.

Plattform für coole Socken

Mit Will Smith führte Fallon ein recht langweiliges Interview, das zu viele Komplimenten füreinander (Fallon: "Einer der größten Filmstars weltweit." - Smith: "Die Tonight Show ist groß, aber die Menschen kommen wegen dir, wegen deines Herzens."), einige unangenehme Pausen und nervöses Gekicher enthielt. Auch das Gespräch mit U2 werden die Zuschauer am nächsten Tag vergessen haben - bis auf das Element, in dem er Bono dazu aufforderte, eine Rede auf eine Kaffeetasse zu halten: "Du kannst doch zu jedem Thema wunderbar reden."

Es war klar, dass Fallon keine klassische Late-Night-Show mit Monolog und drögen Interviews präsentieren würde, das ist nicht die Stärke des erst sechsten Gastgebers der "Tonight Show". Sein Stil setzt sich zusammen aus Slapstick, Improvisationstheater und Ganzkörper-Komik. Er wird Zuschauer einbeziehen durch die Aufforderung, sich über Twitter zu aktuellen Themen zu äußern oder lustige Videos zu schicken. Fans von Fallon übrigens nennen sich selbst "FalPal", die meisten haben eine App auf ihrem Smartphone, durch die sie sich beteiligen können.

Fallon ist ein Lausejunge, dem es durch schelmische Naivität gelingt, dass die Stars seine Sendung nicht nur als Werbeplattform für ihre Werke wahrnehmen, sondern als Möglichkeit, sich sowohl im Fernsehen als auch im Internet - dort verbreiten sich die Videos von Fallon viral - als coole Socke zu präsentieren. Das erklärt, warum Will Smith bei der Evolution of Hip-Hop-Dancing mitmacht oder U2 in der Kälte von New York auf dem Dach eines Wolkenkratzers ein Lied spielen.

In dieser Woche schauen noch Jerry Seinfeld, Lady Gaga, Bradley Cooper, Will Farrell und Justin Timberlake vorbei - allesamt grandiose Partner für verrückte Einlagen und lustige Sketche. Am Donnerstag kommt sogar Michelle Obama.

Es war keine bahnbrechende erste Sendung, wohl aber eine Andeutung der neuen humoristischen Stilfom bei der "Tonight Show". Fallon wird künftig nicht so nervös sein, die prominenten Gäste dürften auch weiterhin geniale Auftritte hinlegen, weil sie das nirgends so gut können wie bei Jimmy Fallon. Und im Notfall gibt es da draußen immer noch New York City.

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