Erfundene "Wetten, dass..?"-Berichte:"Es ist unglücklich geschrieben"

Die Abendausgaben von "Österreich" und "Bams" schreiben trotz des Unfalls über gutgelaunte Sofarunden. Jetzt hat sich der Herausgeber von "Österreich" erklärt.

Christina Maria Berr

Eine glückliche Show und eine gemütliche Kuschelrunde auf Gottschalks Sofa - das suggerieren die sonntags erscheinenden Ausgaben von Bams und Österreich in Teilen ihrer Ausgaben. Dabei wusste jeder Normalinformierte bereits kurz nach Showbeginn: Am Samstag musste Gottschalks Wetten, dass..? vorzeitig beendet werden, weil der schreckliche Unfall eines Wettkandidaten den Show-Abbruch notwendig machte. Das geschah im Anschluss an die erste, fatal verlaufene Wette.

So kommentierte die Bams in einer Teilausgabe: "Hollywood-Schauspielerin Cameron Diaz (38), Tennie-Star Justin Bieber (16) Take That und Altmeister Gérard Depardieu (61) nahmen gestern gut gelaunt auf Thomas Gottschalks Sofa Platz." Und weiter: "Nur eine spielte verrückt: Tattoo-Lady Kat von D (28)" ... Danach folgt ein ausführlicher Bericht über die Tatowiererin. Dazu gibt es einen weiteren Bericht, in dem es heißt: "Gestern stellte Justin Bieber (16) bei Wetten dass..? seinen Song Somebody to love vor."

Darunter ziert ein Kasten die Seite, in der Samuel Koch gezeigt wird, wie er beim Proben über ein Auto springt. Immerhin wird zumindest hier nicht ein glücklicher Ausgang der Wette gezeigt, bei der es in Wirklichkeit zu einem schlimmen Unfall kam: "Wie die Wette gestern abend ausging, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest", heißt es da.

Die Tageszeitung Österreich ist in ihrer Abendausgabe schon großzügiger im Umgang mit Fakten und kommentiert mit der nun geradezu makaber wirkenden Dachzeile: "Gottschalk: Robbie holte Show aus Koma". Doch die Seite über den vermeintlich gelungenen Abend kündigte die Zeitung in der Abendausgabe sogar auf der Titelseite an: "So rockte Robbie Gottschalk".

Doch zu einem Auftritt von Robbie Williams kam es nicht: In der Show am Samstagabend hatte es gleich bei der ersten Wette besagten Unfall gegeben. Der Wettkandidat hatte sich beim Sprung über Autos schwer verletzt. Moderator und Showtitan Thomas Gottschalk hatte die Sendung zunächst unterbrochen - und schließlich mit nachdrücklicher Begründung vor laufender Kamera vorzeitig beendet. Es ist das erste Mal in der fast 30-jährigen Geschichte der erfolgreichen Sendung, dass es in der Wetten-dass..?-Sendung einen so schweren Unfall gegeben hat und das erste Mal, dass die Sendung abgebrochen wurde.

Das aber hatten die Redakteure für die Abendausgaben von Österreich noch nicht mitbekommen und schrieben munter drauflos. So wusste der Verfasser des auf Seite 36 abgedruckten Textes: "Robbie trat in der Show zweimal auf, einmal solo und dann mit Band." Weiter erklärte er, "Oscar-Star Christoph Waltz" habe gemeinsam mit Cameron Diaz auf der Couch Platz genommen, "um dort mit Teenie-Idol Justin Bieber und der ewig jungen Cher zu plaudern". Diese Nachricht war den Redakteuren sogar eine Vorschau auf der Titelseite wert: "So rockte Robbie Gottschalk" heißt es da und: "Er machte TV-Auftritt zur Show."

Während bei der Bams montags redaktionsfrei ist - und sich daher offenbar niemand äußern kann, hat der Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner mittlerweile sueddeutsche.de erklärt, der Artikel sei "unglücklich geschrieben". Er entschuldigte sich für die "missverständlichen Formulierungen in der Abend-Ausgabe". Man habe allerdings "in der Morgenausgabe mit Abstand die beste Berichterstattung zu Wetten, dass...? gehabt. Die Doppelseite bezeichnete er als Platzhalter, da die Zeitung bereits um 16.30 Uhr gedruckt wird. Andere österreichische Zeitungen hätten in ihren Abendausgaben ähnlich über Wetten, dass...? geschrieben.

"Leider offenbar auch in einige Skiorte geliefert"

Der Herausgeber lobte jedoch Besserung: Man werde "in Zukunft bei Wetten,dass ...? besser aufpassen", erklärte er. Die Abendausgabe, fügte er noch hinzu, die schließlich nur "cirka 15.000 bis 30.000 Exemplare umfasst", gelange "üblicherweise in den Abendverkauf (vor der Show)", wurde aber leider "offenbar auch ins Ausland und in einige Skiorte geliefert". Bleibt trotzdem die Frage, warum man auch in einem Skiort über eine Show lesen soll, die so überhaupt nicht stattgefunden hat.

Mit der eigenwilligen Berichterstattung verstößt die Zeitung gegen den sogenannten "Ehrenkodex für die österreichische Presse". Dort heißt es unter anderem: "Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten und Kommentaren sind oberste Verpflichtung von Journalisten."

Auch beim österreichischen Presserat reagierte man mit Verärgerung: "Es ist eine Fallschberichterstattung und eine heikle Angelegenheit, weil es ein trauriger Fall ist", so kommentierte Alexander Warzilek vom Presserat. Und weiter: "Es gibt ein paar Medien in Österreich, die dem Veröffentlichungsdruck weniger stark standhalten als andere. Besonders die Boulevardmedien wollen da noch Meldungen reinbringen, ohne dass besonders gut recherchiert wurde."

Das trifft wohl auf Österreich zu. Auf der dazugehörigen Onlineseite www.oe24.at findet sich mittlerweile eine ausführliche Berichterstattung inklusive eines Livetickers zum Unfall - eine Richtigstellung des eigenen Printartikels allerdings gibt es nicht. Stattdessen beginnt die Seite mit einer völlig anderen Stellungnahme "Im Namen der Republik!" Danach heißt es, der Verlag dürfe nicht mehr behaupten, die Tageszeitung Österreich sei "wenn auch bloß sinngemäß, als die neue Nr. 1 der österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK)" anzusehen.

Und auch das gilt wohl auch in Skiorten.

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