Kampf um Sportrechte:Endlich Haifisch

Nach dem überraschenden Olympia-Deal mit ARD und ZDF wirkt die Strategie von Discovery zumindest rätselhaft. Was will der Medienkonzern aus den USA?

Von Jürgen Schmieder

Beim Strategie-Brettspiel "Risiko" gibt es immer diesen unscheinbaren Akteur, den zu Beginn der Partie niemand richtig ernst nimmt. Er besetzt einen kleineren Kontinent und wird mit zusätzlichen Truppen belohnt. Er schließt scheinbar sinnlose Kooperationen und ärgert seine Konkurrenten, indem er eine unbedeutende Gegend vehement verteidigt und sich selbst Zugang zu einem größeren Erdteil verschafft. Irgendwann schlägt er zu: In nur einem Spielzug erobert er von strategisch wertvollen Ländereien aus Kontinente und vielleicht das komplette Spielfeld.

David Zaslav marschiert jeden Morgen von seiner Wohnung aus durch Manhattan zur Firmenzentrale des von ihm geleiteten Medienkonzerns Discovery Communications. Mitarbeiter des Unternehmens berichten, dass Zaslav während dieser überaus flotten Spaziergänge darüber nachdenkt, wohin er die Discovery-Ressourcen verteilen könnte, welche Kooperationen er abschließen und welche Konkurrenten er ärgern muss, um am Ende zu obsiegen und einen der weltweit mächtigsten Akteure der Unterhaltungsbranche zu kreieren. "Wir spielen da oben mit", sagte Zaslav kürzlich während eines Telefonats mit Investoren. Seine Strategie: Risiko.

Was genau stand hinter der Olympia-Story? Fehlplanung? Angst vor einer Blamage?

In Deutschland betreibt Discovery diverse Fernsehsender, den Männer-Kanal DMAX, den Frauensender TLC oder den Discovery Channel, keine Kanäle, die hierzulande allzu oft die Aufmerksamkeitsschwelle überschreiten. Das schafft das Unternehmen eher, wenn es in den USA Michael Phelps gegen einen Computer-Hai antreten lässt. Vor allem kennt man Discovery in Deutschland aber wegen zwei Manövern beim Geschacher um die Übertragungsrechte von Sportereignissen: Für seinen Sender Eurosport hat Discovery Rechte an der Fußballbundesliga erworben, 45 Spiele laufen künftig live bei dem Discovery-Kanal. Und vor zwei Jahren sicherte sich das Unternehmen für insgesamt 1,3 Milliarden Euro vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) die europaweiten Fernsehrechte für die Spiele von 2018 bis 2024 und reichte die Lizenzen danach in zahlreichen Ländern an traditionelle TV-Sender weiter. In Deutschland wurde vergangene Woche nach zähen Verhandlungen überraschend doch noch eine Einigung verkündet, der zufolge die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF die vermeintlich bedeutsamen und publikumswirksamen Wettbewerbe wie Biathlon und Skispringen zeigen dürfen.

In Deutschland wird die späte Einigung als Scheitern von Discovery interpretiert und als Eingeständnis, die Kosten für die Produktion der aufwendigen Sendungen unterschätzt zu haben, weil man sie mit den eigenen Kanälen mit deutlich geringerer Reichweite als ARD und ZDF nicht refinanzieren kann. Ein Totalausfall? Eine peinliche Fehlkalkulation? Angst vor einer Blamage, falls die guten Einschaltquoten ausbleiben und die Werbewirtschaft unzufrieden ist? Oder doch einer von Zaslov im Gehen entwickelten Winkelzügen, die zum Schluss wirklich aufgehen? Fest steht nur, dass man bei Discovery am Ende doch dringend Interesse an einer zunächst abgelehnten Einigung mit ARD und ZDF hatte.

231 Millionen

Haushalte erreichen die Sender der Marke Eurosport insgesamt, in 95 Ländern sind die Kanäle in 21 Sprachen zu empfangen. In Deutschland galt Eurosport viele Jahr lang ein klassischer Spartensender. Im Jahr 2012 stieg Discovery mit 20 Prozent bei dem 1989 gegründeten pan-europäischen Sportsender ein, seit 2015 ist bekannt, dass Eurosport komplett dem US-Konzern gehört. Seither tritt der Sender im Rechtekauf so aggressiv auf wie nie, sicherte sich Olympia und 40 Spiele der Fußball-Bundesliga in Deutschland, im Tennis zeigt Eurosport drei der vier Grand-Slam-Turniere bis 2019.

Bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang werden nun Snowboard, Shorttrack, Eiskunstlauf und Eishockey (ohne deutsche Beteiligung und ohne Finalspiele) live und exklusiv beim Discovery-Sender Eurosport zu sehen sein. Die Mehrheit an Eurosport und dessen Reichweite von mehr als 130 Millionen europäischen Haushalten übrigens hat sich Discovery erst 2014 für 345 Millionen Dollar gesichert.

Discovery will seine Position auf dem Medienmarkt mit aller Macht ausbauen, der heute dank der Milliarden von Konzernen wie Amazon vielleicht so umkämpft ist wie nie zuvor. Im Jahr 2016 lag das Unternehmen Discovery in einem Ranking der weltweit größten Medienkonzerne auf Platz 33 - weit hinter Rupert Murdochs Imperium , aber auch hinter Netflix, die nach ihrem Umsatz auf Platz 30 der Liste des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik geführt werden.

Bei Discovery werden fast wöchentlich neue Kooperationen verkündet, in dieser Woche etwa mit dem Alleshändler Amazon - für 4,99 Euro monatlich können die Kunden dort Bundesliga-Spiele, Tennisturniere wie die US Open, Motorsport und im Februar natürlich auch die Wettkämpfe aus Pyeongchang sehen. Auch in Großbritannien kooperiert Discovery mit Amazon und zeigt dort nicht nur Live-Sport, sondern auch eigene Reality-TV-Produktionen, die in den USA auf dem Kabelkanal Discovery Channel laufen. Es gibt eine Zusatzvereinbarung mit dem IOC, derzufolge das in Dokumentationen geübte Unternehmen die Olympia-Inhalte für Filme und Serien über Helden, Rekorde und Überraschungen verwenden und in 50 europäischen TV-Märkten senden darf.

In Italien gibt es eine Kooperation mit dem Mobilfunkanbieter TIM, es soll der erste Olympia-Kanal entstehen, auf dem ausschließlich fürs Smartphone produzierte Sendungen zu sehen sein werden. Ach ja: Auf dem Eurosport-Player sollen aus Pyeongchang auch Virtual-Reality-Inhalte übertragen werden. David Zaslav ließ sich kürzlich folgendermaßen zitieren: "Wir bauen eine globale Content-Maschine auf. Hochwertige Inhalte waren immer die Polarsterne dieses Unternehmens." Und, nicht gerade bescheiden: "Es ist durchaus möglich, dass wir über mehr geistiges Eigentum verfügen als jeder andere Medienkonzern."

Collage

Der US-Konzern Discovery ist ein Kosmos, der vielen Deutschen erst durch das Geschacher um die Olympia-Rechte (u.r.) bekannt wurde, wenn sie nicht die Ludolfs bei DMAX verfolgen (o.l.). In den USA gehört etwa Oprah Winfreys (o.r.) Sender zu dem Konzern, der gerade angeblich Michael Phelps gegen einen Hai schwimmen ließ (u.l.)

(Foto: dpa(2), Getty, AFP)

Zaslav, 57, kennt das Unternehmen, seit es vor 32 Jahren als TV-Sender gegründet wurde. Er war damals Anwalt in einer Kanzlei in New York, die sich um die neuen Sender Discovery und MTV kümmerten. Er ist - nach einem Zwischenstopp beim Konzern NBC, bei dem er den Start der Sender CNBC and MSNBC verantwortete - seit 2007 Geschäftsführer, ein Jahr später führte er Discovery an die Börse und treibt seitdem die Expansion nach Europa voran. Das ist freilich auch die Strategie von Hauptanteilseigner John Malone, der zweifellos schillerndsten Figur im Discovery-Imperium. In den USA nennen sie den mächtigen Medien-Mann Malone wahlweise "Kabel-Cowboy" oder "Sumpf-Krokodil", weil er sich gerne unter der Oberfläche bewegt und dann plötzlich zuschlägt.

John Malone möchte mit Discovery ein Pay-TV-Imperium erschaffen, und damit die Zuschauer bezahlen, braucht es exklusive Inhalte, und Übertragungsrechte von Sportereignissen sind derzeit die Filetstücke, von denen sich Malone über seine andere Firma Liberty Media und Zaslav mit Discovery einige gesichert haben: Olympia, Fußball-Bundesliga, Tennisturniere, Formel 1. Es heißt, dass Discovery Ende des Jahres auch um die Rechte der englischen Premier League bieten könnte.

Wie aggressiv Discovery derzeit mit verschiedenen Plattformen und Geschäftsmodellen experimentiert, zeigt auch ein weiterer Zukauf Ende Juli. Für 14,6 Milliarden Dollar hat das Unternehmen den Medienkonzern Scripps Networks Interactive gekauft, der Anfang kommenden Jahres durchgeführt werden soll. Discovery erhält dadurch Zugriff auf die Kanäle Travel Channel und Food Network und kann seinen Marktanteil besonders bei den werberelevanten Frauen ausbauen. Bereits vor dem Scripps-Deal erreichte Discovery weltweit mehr als drei Milliarden Menschen. Reichweite ist für die US-Kabelsender ein wichtiges Gut im Konkurrenzkampf gegen die immer mächtiger werdenden Streamingdienste. Viele Amerikaner kündigen ihre Kabelanschlüsse und wenden sich von den klassischen Sendern, wie Discovery sie betreibt, ab.

Auch deshalb dürfte Europa für den Konzern interessant sein. "Wenn es uns gelingt, in Europa ein Geschäftsmodell zu etablieren, bei dem wir möglichst viele Kunden direkt erreichen können, dann könnten wir angesichts der Prognosen einer der größten Gewinner der Unterhaltungsbranche werden", sagt Zaslav.

"Es gibt kein endgültiges Ziel für einen Medienkonzern heutzutage", sagt Zaslav: "Wir sind flexibel und verfügen über eine ordentliche Artillerie. Wir haben in den nächsten zwei Jahren genügend Munition für weitere, kleinere Zukäufe." Das klingt wie ein Risiko-Spieler, der gerade Nordamerika und Europa besetzt hat und behauptet, dass ihm Australien auch noch ganz gut gefallen würde. David Zaslav ist noch lange nicht fertig. Er bringt sein Unternehmen gerade erst in Stellung.

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