Echo-Verleihung:Setzt beim Echo endlich auf Qualität!

Echo 2016 - Preisträger

Frei.Wild - ihre Texte sind schwammig wie die Vergabekriterien des Echo.

(Foto: dpa)

Dass die umstrittene Band Frei.Wild diesen Preis gewinnt, zeigt, wie abgestumpft die Branche geworden ist.

Kommentar von Carolin Gasteiger

Jetzt haben sie es also geschafft: Frei.Wild haben nach fünf Nominierungen in sechs Jahren doch einen Echo gewonnen.

Die Band wird aufgrund ihrer uneindeutigen Texte oft in die rechtsextreme Ecke gedrängt. Mal singen sie von ihrer Heimat Südtirol als "heiliges Land" ("Südtirol"), mal idealisieren sie Gewalt und "das Blut auf meinen Fäusten" ("Rache muss sein"), mal fordern sie Heimathasser dazu auf, diese zu verlassen ("Wahre Werte"). Und doch: Immer wieder versucht die Band, ihr Rechtsrock-Image loszuwerden. In einem Statement vom vergangenen Sommer bezeichnete sie Anhänger von AfD und Pegida als "Idioten", was ihr viele Fans übelnahmen. Aber dann singen sie in "Für immer Anker und Flügel" wieder "Sturm, brich los" und zitieren damit einen Satz aus Joseph Goebbels Sportpalastrede. Wirkliche Distanz sieht anders aus.

Vor drei Jahren drohten daher Künstler wie Mia und Kraftklub angesichts der Nominierung von Frei.Wild, die Echo-Verleihung zu boykottieren. Die Verantwortlichen gaben nach, entzogen den Südtirolern ihre Nominierung, nicht ohne die Band im darauffolgenden Jahr erneut zu nominieren.

Jetzt haben Frei.Wild ihren Echo. Das sagt nicht nur etwas über den fragwürdigen Massenmusikgeschmack aus, sondern auch darüber, wie abgeflaut offenbar die Protesthaltung unter deutschen Künstlern ist. Wo waren in diesem Jahr all die Mias und Kraftklubs, die sich dagegen wehren, mit einer politisch so fragwürdigen Band auf einer Bühne zu stehen?

Niemand hatte Kritik geäußert, als Anfang März die Nominierungen bekanntgegeben wurden. Wo etwa waren Die Ärzte, die vor drei Jahren noch kommentierten: "Beim 'wichtigsten deutschen Musikpreis' ist mal wieder eine politisch fragwürdige Band nominiert." Wo waren die Toten Hosen, die damals noch eine eigene Rubrik "Rechte gegen Nazis" vorschlugen, für Interpreten, "die mal rechts waren, aber heute garantiert 'unpolitisch' sind ..."? Mit dem Berliner Kultursenator Tim Renner äußert sich noch die prominenteste kulturelle Stimme zur fragwürdigen Preisvergabe. Aber seine Kritik kommt zu spät:

Das Abflauen und Abstumpfen der Branche zeigt, wie belanglos der Echo inzwischen geworden ist. Eine Auszeichnung, deren Vergabekriterien mindestens so fragwürdig sind wie die Texte von Frei.Wild.

An sich richtet sich der Echo nach den Verkaufszahlen, also dem Massengeschmack. Wie kann es dann sein, dass am Ende doch eine Jury über die Sieger entscheidet? Und dass sie so entscheidet? Wie kann es sein, dass nach der Kritik an der Frei.Wild-Nominierung ein sogenannter Ethikrat einberufen wird, um zu überprüfen, ob die Inhalte der nominierten Künstler "gesellschaftlich vertretbar" sind oder nicht. Ja, entweder man richtet sich nach den Verkaufszahlen oder nicht! Wie kann es sein, dass eine Südtiroler Band in der Kategorie "Rock/Alternative National" auftaucht und das damit begründet wird, dass einige Bandmitglieder im Besitz eines deutschen Passes seien? Sich über so einen dubiosen Preis, bei dem sich der kommerziell erfolgreiche Teil des Pop-Geschäfts feiert, zu echauffieren, ist auch den hiesigen Künstlern offenbar zu blöd geworden.

Wenn die Verantwortlichen doch nur ihre Standards ändern und die Nominierten künftig mehr nach Qualität als nach Quantität auswählen würden! Denn nach Qualitätskriterien würden Frei.Wild unter "Ferner liefen" rangieren. Und wir könnten uns die leidige Diskussion sparen.

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