Durchsuchung bei "Berliner Morgenpost":"Die hundert sind angekommen. Vielen Dank"

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Justizsenator Thomas Heilmann vor dem Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Im Zentrum der Sitzung stand die Durchsuchung der Berliner Morgenpost. (Foto: dpa)

Ein Fall von Korruption oder ein Anschlag auf die Pressefreiheit? Ermittler durchsuchen die Redaktion der "Berliner Morgenpost". Sie hegen den Anfangsverdacht, dass ein Journalist einen Polizisten bezahlt haben soll, um frühzeitig Tipps zu bekommen.

Von Hans Leyendecker

Polizeireporter sind Nachrichtenjäger, die Informationen besorgen, wo Kollegen längst kapitulieren. Ihr Geschäft sind Verbrechen, Unglücke und was die Welt sonst noch für bemerkenswert hält. Sie müssen manches aushalten, dürfen sich für nichts zu schade sein, vor allem nicht fürs Klinkenputzen. Und sie interessiert nicht das Gequatsche der angeblich wichtigen Leute; sie brauchen Informanten im Apparat.

Der Journalist Michael Behrendt von der Berliner Morgenpost steht im Ruf, ein guter Polizeireporter zu sein. Er ist Chefreporter des Blattes und recherchiert intensiv in den schwierigen Bereichen Pädophilie, Kinderhandel und Rocker. Einer seiner Freunde ist Beamter beim Berliner Landeskriminalamt (LKA). Der redet den Reporter in SMS-Botschaften mit "Michi" an, was eine gewisse Nähe nahelegt.

Was "Michi" und der Beamte miteinander zu tun hatten, interessiert seit kurzem die Strafverfolger. Sie hegen den Anfangsverdacht, dass der Journalist den Beamten auf dem umkämpften Berliner Nachrichtenmarkt mit Barem bedacht haben könnte, um frühzeitig Tipps zu bekommen. Verfahren wegen Verdachts der Bestechung (Journalist) und der Bestechlichkeit (Polizist) wurden eingeleitet. Die Wohnungen wurden durchsucht, auch der Arbeitsplatz des Journalisten in der Redaktion und das Büro des Beamten. Ein Fall von Korruption oder ein Anschlag auf die Pressefreiheit?

Das Berliner Blatt berichtete an diesem Mittwochmorgen groß "In eigener Sache - Durchsuchung bei der Morgenpost". Am Nachmittag nahm der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) im Rechtsausschuss des Senats dazu Stellung. Heilmann, der Unternehmer war, steht dem Journalismus im allgemeinen freundlich gegenüber. Während seines Referendariats hat er unter anderem für die FAZ gearbeitet, er schrieb auch mal eine wirtschaftspolitische Kolumne in der Berliner Morgenpost. Zeitgleich mit dem Erscheinen der Staatsanwaltschaft in der Redaktion vorige Woche rief er im Auftrag der Strafverfolger den Chefredakteur Carsten Erdmann an, damit der Fall nicht eskalierte.

Großangelegte Suche nach dem Leck

Journalistenverbände haben dennoch das Vorgehen der Ermittler als "vollkommen unverhältnismäßig" bezeichnet und Erdmann erklärt, die Durchsuchung in der Redaktion sei "grob unverhältnismäßig und rechtswidrig" gewesen.

Ausgangspunkt waren Durchstechereien im Zusammenhang mit den vielen Rocker-Geschichten in Berlin. Eine Gruppe der Hells Angels hatte von einer geplanten Razzia erfahren und das Klubhaus rechtzeitig geräumt. Ob die Rocker von einem Ermittler oder von Journalisten von der anstehenden Durchsuchung erfahren hatten, blieb unklar. Berlin ist für Beamte, die Dienstgeheimnisse schätzen, die Hölle. Großflächige Ermittlungen liefen an, um das Leck zu finden. Es wurde geprüft, wer wann über was in dem Rockerfall informiert worden war, und was dann mit den dienstlichen Mitteilungen auf dienstlichen Computern passiert war. Gab es Abflüsse nach draußen? Am Ende fiel der Verdacht auf einen einzigen Beamten im LKA.

Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung wurde eine von ihm ausgestellte Rechnung an die Berliner Morgenpost in Höhe von 3150 Euro gefunden. Grammatikalisch nicht ganz korrekt hatte er notiert: "Wegen der Konspirativität der Angelegenheit" bitte er um Barzahlung. Das war von einem Verantwortlichen der Berliner Morgenpost mit "ok" gezeichnet worden. Bei dem Beamten wurde auch ein halbes Dutzend Handys gefunden. In einem der Geräte steckte eine Prepaid-Karte und auf diesem Handy sollen sich einzig die Nummern von zwei Berliner Journalisten befunden haben. Die Ermittler werteten alle SMS aus, nur Botschaften zwischen dem Beamten und den beiden Journalisten. Bei dem einen soll es um Dienstliches gegangen sein und bei Behrendt mehr um Privates. Der Beamte bedankte sich bei "Michi": "Die hundert sind angekommen. Vielen Dank".

Bei den hundert Euro, soll es sich, wie die Morgenpost mitteilt, "um eine Auslage für zwei Jacken" gehandelt haben, die der "LKA-Beamte in einem Polizei-Shop für den Reporter und einen weiteren Kollegen erworben" habe. Der Reporter habe dem Beamten nur das Geld für die Jacken zurückgegeben. Das klingt umständlich. Die Rechnung über 3150 Euro, das offenbar für konspirative Zwecke verwendete Telefon, das von den Ermittlern "Journalisten-Handy" genannt wird, die SMS und anderes Material reichten der Berliner Staatsanwaltschaft, um einen Anfangsverdacht gegen den Journalisten zu begründen.

Die Durchsuchung in der Redaktion diente, so der Kern des Durchsuchungsbeschlusses, dem Zweck, zu überprüfen, wie die Rechnung vom Verlag verbucht worden war. Springer händigte die Buchungsunterlagen aus und, so hieß es nun in der Morgenpost, beauftragte den Anwalt Professor Alexander Ignor, "der bereits das Magazin Cicero nach einer Redaktionsuntersuchung vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich vertreten hatte, mit der Wahrnehmung ihrer Interessen" .

Den Fall Cicero und den Fall Morgenpost verbindet, dass es sich bei beiden um Gedrucktes handelte. Ansonsten sind die Fälle sehr unterschiedlich. Im Fall Cicero ging es bei der Durchsuchung darum, einen Informanten ausfindig zu machen, der geheimes Material weitergereicht hatte, was vom Bundesverfassungsgericht später gerügt wurde. Im Fall Morgenpost geht es um den Verdacht der Bestechung. Das Bargeld an den Beamten, so heißt es in Ermittlerkreisen, soll aus einem Topf für Informanten bezahlt worden sein.

Einzigartige Fürsorge

Der Darstellung im eigenen Blatt zufolge war alles legal. Journalist Behrendt habe gemeinsam mit einem Kollegen an einem alten Fall gearbeitet. Mitte der neunziger Jahre war ein zwölf Jahre alter Junge aus Berlin-Tempelhof verschwunden und es gibt den Verdacht, dass der Junge Opfer von Pädophilen gewesen sein könnte. Behrendt und sein Kollege Dirk Banse hatten immer wieder über den Fall des Jungen berichtet, auch weil der Name des verurteilten belgischen Kinderschänders Marc Dutroux bei Recherchen aufgetaucht war. 2007 erschien der letzte Beitrag über den Fall des Jungen. Dann habe sich plötzlich, so die Morgenpost, ein Informant gemeldet, die neue Spur habe nach Amsterdam geführt. Im Frühjahr 2011 seien die beiden Journalisten dorthin gereist. Weil im Umfeld des alten Kinderhändlerrings Zeugen auf rätselhafte Weise um Leben kamen, habe der Verlag Personenschützer für die Recherchen in Amsterdam verlangt, zwei Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma und auch der Beamte vom LKA, dem Behrendt besonders vertraut habe. Die 3150 Euro für den Beamten setzten sich aus 2000 Euro Honorar für vier Tageseinsätze, sowie Spesen und Auslagen zusammen.

Recherchen in Amsterdam mit angeblich drei Personenschützern - solche Fürsorge für Rechercheure wäre einzig in der Republik. Amsterdam ist nicht Bogotá und Krieg ist in Holland auch nicht. Bei Springer gebe es möglicherweise andere Standards als in anderen Häusern, erklärt ein Verlagssprecher auf Anfrage. Die Konzernsicherheit sei eingeschaltet gewesen.

Ob es sich um eine Lustreise oder um einen sehr freien Arbeitseinsatz gehandelt hat, will die Staatsanwaltschaft auch klären. Der Beamte hatte keine Erlaubnis für eine Nebentätigkeit und in der Zeit des Amsterdam-Ausflugs war er krank gemeldet. Die Strafverfolger haben die beschlagnahmten Unterlagen erst mal versiegelt. Verlag und Reporter hatten Beschwerde beim Landgericht Berlin eingelegt. Bis die Gerichte darüber entschieden haben, sollen die Unterlagen verschlossen bleiben.

© SZ vom 06.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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