"Durch die Nacht mit ..." auf Arte:Ex und Arschloch

Hugh Cronwell, Westbam

Hugh Cronwell (links) trifft auf Westbam

(Foto: © avanti media/Fabian Meyer/Chri)

"Es ist ja nicht so, dass Picasso nicht auch mal einen schlechten Tag hatte": Westbam trifft in Artes "Durch die Nacht mit ..." auf seinen Helden Hugh Cornwell und textet ihn voll.

Von Claudia Fromme

Wahrscheinlich gibt es wenig Orte, die besser geeignet sind, über Punkrock zu sprechen als eine Picasso-Ausstellung, vor allem, wenn man zu ihr in einem Rolls Royce mit weißen Ledersitzen gefahren ist. Maximilian Lenz, bekannt als Techno-DJ Westbam, steht mit Hugh Cornwell, dem Sänger der britischen Stranglers, in London vor einem frühen Werk, "Mutter und Kind", und koddert los: "Es ist ja nicht so, dass Picasso nicht auch mal einen schlechten Tag hatte." Cornwell lächelt, nachsichtig fast, und sagt: "Es ist eine großartige Auswahl."

Eigentlich ist mit dem Gemälde und der Reaktion darauf das Verhältnis definiert, wie der deutsche DJ und der britische Sänger für Arte durch die Nacht fahren, in der großartigen Reihe, bei der auch schon Liza Minnelli auf Fritz Wepper traf oder Henryk M. Broder auf Kai Diekmann. Mutter und Kind, Lebensweisheit trifft Großmäuligkeit, kein Treffen auf Augenhöhe, was den Unterhaltungswert aber immens steigert.

Cornwell trägt einen Herrenmantel, Schal, eine graue Hose, er ist 63 Jahre alt, gibt sich aber so abgeklärt, dass er auch 80 sein könnte. Lenz trägt eine Thermojacke, Baseballkappe, Turnschuhe, er ist 48 Jahre alt, walzt sich aber so assoziativ durch die Gegend, dass er auch 20 sein könnte. Cornwell steht seit 40 Jahren auf der Bühne, Lenz seit 30. Der DJ sagt über den Sänger: "Ein Held meiner Jugend." Der Sänger sagt über den DJ nichts, er hört ihm zu, fasziniert davon, wie einer so viel reden kann.

Sie treffen sich im Pub "Hope & Anchor", in dem die Stranglers 1976 ihr erstes Punkrockkonzert gaben - vor einem Gast. Ein Jahr später sind sie mit "No more heroes" in den Charts. Cornwell trinkt Wasser, Lenz Bier. Der DJ nimmt einen großen Schluck und sagt: "Ex und Arschloch." Cornwell nickt. Lenz war Punk, in Münster, da kommt er her, da spielte er als Frank Xerox mit Rotten-Frisur in Bands. Der erste Punk sei er da gewesen, pumpt er. Cornwell beeindruckt es nicht, vielleicht, weil er ahnt, dass es Mumpitz ist, vielleicht, weil im England der Siebziger jeder Punk war.

Lupenreiner Punkrocker

Das ungleiche Paar im Pub, im Museum, im London Eye, im indischen Restaurant, im Plattenladen, im Gitarrenshop. Lenz plappert, dass Vinyl aus Karbon ist, was Kohlenstoff sei und dass er schon darüber nachgedacht habe, aus seinen Platten Diamanten zu pressen. Oder von New York aus ein Buch über Berlin zu schreiben. Oder dass Techno ohne Mauerfall nicht zum Sound der Neunziger geworden wäre. Oder dass junge Leute heute nicht mehr mit Drogen umgehen können. Zwischendurch gähnt sein Zuhörer, er saß mal wegen Drogenbesitzes im Knast und hat da vor lauter Langeweile die Bibel gelesen.

Irgendwann sagt Hugh Cornwell, dass Punkrock bedeutet, dass man sich nicht darum schert, was andere von einem denken. In dem Sinne ist Westbam ein lupenreiner Punkrocker.

Durch die Nacht mit Westbam und Hugh Cornwell, Arte, Nacht zu Sonntag 0.55 Uhr.

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