DSDS-Viertelfinale:Dieter hat dich lieb

Huch, das ist ja richtig unterhaltsam! "Deutschland sucht den Superstar" ist nach Telefonpannen, Skandälchen und einer Massenpanik hochgradig umstritten. Doch die Kritiker sollten sich die Sendung mal ansehen: Die Show ist in der Mitte der TV-Gesellschaft angekommen - und so gut wie nie.

Ruth Schneeberger

Man muss DSDS nicht mögen. Genau genommen darf man es nicht mal. Die Jury der Castingshow beleidigt die Jugendlichen am laufenden Band - und RTL zeigt nicht wenige Kandidaten nur, um sich über sie lustig zu machen. Mehr als einmal wurde der Jugendschutz eingeschaltet, immer wieder wurden Verwarnungen und Bußgelde gegen einen alternden Musikproduzenten ausgeprochen, der sich in der Show als "Pop-Titan" feiern lässt: Dieter Bohlens Sprüche sind so unverschämt wie unlustig - seit Jahren, siehe Bildergalerie - und lassen sich nur noch durch Heidi Klum toppen, die im US-Fernsehen über Kleinkinder herzieht.

Noch nie aber stand die Sendung derartig in der Kritik wie in diesem Jahr. RTL habe die Show nicht mehr im Griff, hieß es nach einer Telefonpanne. Die Kandidaten selbst wenden sich öffentlich gegen die Jury. Von Manipulation ist nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand die Rede. Bild findet es an der Zeit, Moderator Marco Schreyl aus dubiosen Gründen zu "feuern". Ende März sind während einer Autogrammstunde 60 junge Fans bei einer Massenpanik verletzt worden. Und dann muss auch noch eine Kandidatin gehen, die dem Druck in der Sendung nicht standhält - sie war auf der Bühne zusammengebrochen.

Was ist da los?

Ist diese Show am Ende?

Mitnichten. Wenn man mal reinzappt, ist sie in Wahrheit so gut wie nie.

Die verbleibenden Kandidaten sind showtauglicher denn je. Die meisten können besser singen. Und sie sehen dabei auch noch besser aus.

Ob dies der Grund für die Jury ist, sich zivilisierter zu geben als in den vorigen Staffeln, oder ob die Beleidigungen und Tiefschläge unter die Gürtellinie in den "Recall" verlegt wurden und ins DSDS-Magazin, also womöglich für Liebhaber abgekoppelt? Jedenfalls gibt es kaum noch gemeine Kommentare der Juroren, als würde gelten: Dieter hat dich lieb. Die leisen Versuche, Kandidaten auf der Bühne aus der Reserve zu locken, werden von den Jungspunden lässiger pariert als je zuvor, die jungen Sänger wirken zumindest einen Tick selbstbewusster, kontern öfter, haben dadurch das Publikum mehr auf ihrer Seite als die Jury. Und was noch wichtiger ist: Sie lassen sich nicht mehr so verrückt machen durch das Juryurteil. Betonte oder hilflose Unterwürfigkeit war gestern.

Man könnte sagen: DSDS ist nun, nach sieben teils sehr peinlichen Staffeln und sieben mehr oder weniger peinlichen Siegern, endlich dort angekommen, wo es immer sein wollte. Es ist erfolgreiche Samstagabend-Unterhaltung, eine große Glitzershow mit Musikdekor, die sich dank emotionalen Bindungsfaktors und Spannungsbogen gut verkaufen lässt - und sie ist dabei erstmals sogar halbwegs sympathisch. Verglichen mit den vorigen Staffeln, versteht sich.

Wie familientauglich DSDS geworden ist und wie brav die Jury, ließ sich an diesem Ostersamstagabend gut beobachten.

Wer die wahren Favoriten dieser DSDS-Staffel sind

Kandidat Pietro Lombardi wurde minutenlang gezeigt, wie er seine kleine Schwester auf den Kopf küsst und sich als Osterhase verkleidet, um für sie Eier zu verstecken - rührende Homestory für den Publikumsliebling, so steuert RTL die Sympathien. Direkt danach auf der Bühne kommen ihm kleine Mädchen in weißen Kleidchen mit dicken roten Herzen zu Hilfe, um den rührenden Effekt zu verstärken und davon abzulenken, wie sich seine Stimme vor Schmalz überschlägt. Lombardi ist stimmlich der schlechteste der vier verbliebenen Kandidaten - doch er persönlich macht den Makel durch seinen Auftritt wett, indem er alle überstrahlt und eine kindlich-naive Fröhlichkeit aussendet, der tatsächlich schwer zu widerstehen ist.

Generalprobe bei 'Deutschland sucht den Superstar'

Rausgewählter Kandidat Angelini (Anfang April): Wie familientauglich muss der Sänger sein?

(Foto: dapd)

Als Konkurrent Ardian Bujupi am Ende "Sex Machine" singt und dabei keinen Zweifel daran lässt, dass James Brown dieses Lied auch ein bisschen für ihn geschrieben haben muss, ist er nach dem Auftritt trotzdem nicht restlos von sich überzeugt. Man wisse ja nie, bei diesen Familiensendungen, sagt er und lächelt verlegen.

Den familiären Pathos übernimmt dann Sarah Engels, die einzige verbliebene Kandidatin, und trotz starker Stimme und strahlenden Prinzesschenlooks hat sie es schwer. Sarah kann nicht tanzen, probiert es trotzdem - keine gute Idee. Als sie sich dann noch an einer Rock-Nummer versucht, obwohl sie doch die ausgewiesene Balladenkönigin ist, wird es knapp für die schöne Kölnerin. Erst als sie am Ende wieder eine Ballade im schwarzen Cocktailkleid mit ganz viel Glitzerschmuck schmettert, haben alle sie wieder lieb.

Quotenrocker Marco Angelini hat es dagegen richtig schwer. Was man auch an seinem bettelnden Blick ablesen kann. Er müht sich, so gut er kann. Am Ende ist es wohl sein Übereifer, dessentwegen er aus der Show gewählt wird. Die Disconummer, die er zum Schluss zeigt, hat ihm außer Dieter Bohlen niemand abgenommen. Dazu Jurymitglied Fernanda Brandao erstaunlich passend: ,,Das war Gesichtsdico, und in den Hüften leider Seniorendisco."

DSDS ist immer noch Trash. Man darf guten Gewissens ausschalten, ohne irgendetwas Relevantes zu verpassen.

Doch DSDS ist nicht mehr peinlich wie früher. Man darf das als Erfolg werten: Selbst RTL ist lernfähig.

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