Dschungelcamp-Nachlese: Tag 8:Warum fliegt'n hier überall Stroh rum?

Dschungelcamp, RTL, Sonja Zietlow und Daniel Hartwich

"Dschungelcamp"-Moderatoren Daniel Hartwich und Sonja Zietlow: In ihrer Show fallen zuweilen auch axiomatische Sätze.

(Foto: SZ.de/Katharina Bitzl/RTL)

Liebe, Opferwille und eine Reifeprüfung: Nach einer Woche im Dschungelcamp geht es um die ganz großen Fragen im Leben. Und um Sätze, die unumstößliche Gültigkeit haben.

Von Benjamin Romberg, Oliver Klasen und Martin Anetzberger

Selbstvergewisserung

Man muss die 105 Minuten Sendezeit, die RTL an diesem Freitagabend für das Dschungelcamp bereithält, als aktiven Dienst am Seelenheil der Menschheit sehen. Es sind 105 Minuten, in denen die wirklich wichtigen Fragen des Lebens verhandelt werden. Wer bleibt drin? Wer fliegt raus? Wer geht freiwillig? Darum, das wird am Ende klar, geht es nur vordergründig.

Wer fällt auf im TV-Dschungel?

16 Tage, elf Möchtegern-Promis, eine Dschungel-Kulisse - und zwei Strippenzieher im Baumhaus. Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! (RTL) geht in die neunte Runde. Wer ist dieses Jahr als Zicke besetzt? Wer spielt Psychospielchen? Und was steht bei der Ekelprüfung auf dem Menü? Süddeutsche.de sagt jeden Morgen, wer aufgefallen ist: in der täglichen Einzelkritik zum Dschungelcamp.

In Wirklichkeit - und deswegen liegen sämtliche Kritiker, die in den vergangenen Tagen über die vermeintliche Langweile der Staffel schwadroniert haben, falsch - darf so eine Sendung nicht überfrachtet werden mit zu viel Handlungs-Klein-Klein. Es muss Zeit bleiben zur Reflexion. Es muss Zeit bleiben für Erkenntnisse wie diese hier von Sara Kulka: "Wenn die sehen, dass es Dir gut geht, dann sind die Menschen wie die Scheißhausfliegen auf Dir drauf. Und wenn es Dir schlecht geht, dann ist die Kacke alle". Es gibt eben Sätze, die entfalten - gesprochen in die Unwirtlichkeit des australischen Dschungels - eine unumstößliche, quasi axiomatische Gültigkeit.

Gesundheit

Sara leidet nach eigener Aussage an Mundgeruch und Blähungen. Ist wohl nicht so gesund, das Leben im Dschungelcamp. Wird auch nicht unbedingt besser, wenn man in tropischem Klima Schokoriegel futtert. Bei diesen ekelhaften Details fällt einem relativ schnell jene extrovertierte Österreicherin mit dem dreifarbigen Haar (pink-türkis-blond) ein, die noch wenige Minuten zuvor zusammen mit Günther Jauch das 1993 in der britischen Sun in allen schmutzigen Details ausgebreitete Tampon-Telefonat zwischen Prince Charles und Camilla rezitierte. Danach hatte sie auch noch die Nerven, 125 000 Euro bei "Wer wird Millionär" abzuräumen.

Aber zurück zur Sendung "Ich bin ein Star, holt mich hier raus", der definitiv eine Österreicherin abgeht. Wie wäre es denn mit einer Nachnominierung für die freiwillig ausgeschiedene Angelina? Jauchs Kandidatin hätte auf jeden Fall genügend Geld, um die Dschungelbewohner in der verbleibenden Woche mit ausgewogener Ernährung zu beglücken.

Reife

Bei Nachos mit Käse versöhnt sich Angelina, 22, mit ihrer Mutter. Als erste Kandidatin ist sie freiwillig ausgestiegen, zurück in der Zivilisation denkt sie nur an eines: Nachos. Und die Familie. Der Dschungel hat sie hungrig gemacht - aber auch reifer. Eine Woche war genug für einen Prozess, den andere in einem ganzen Leben nicht abschließen. Angelinas Erkenntnis: Sie will nie wieder gemein zu ihrer Mutter sein, weil die ja eigentlich doch ganz okay ist. Für den Dschungel war sie zu jung, wie sie selbst sagt, für das Leben jetzt nicht mehr. Beneidenswert. Viele sagen ja: Um dort zu landen, im australischen Urwald, in den Armen von Beinahe-Bundespräsident Walter Freiwald, muss man viele falsche Entscheidungen treffen. Ein paar Mal falsch abbiegen im Leben. Angelina aber hat alles richtig gemacht. Manch ein Zuschauer fragt sich: Wo war meine Abzweigung? Was hätte ich tun können, um den heutigen Abend anders zu gestalten? Und: Wo bleiben eigentlich die Nachos?

"Ich habe absolut keine Probleme mit irgendwas"

Opferwille

Herzzerreißendes Schluchzen bei der süßen Angelina: Sie "ist körperlich und physisch am Ende" und fasst den Entschluss aufzugeben. Trotzdem opfert sie sich noch auf und absolviert eine letzte Dschungelprüfung für ihre Mitbewohner. Fast so sinnvoll, wie als deutscher Abfahrer bei der Streif in Kitzbühel an den Start zu gehen, um dem Fernsehpublikum daheim ein Spektakel zu bieten. Besser wäre es da, auf einen Start zu verzichten und bescheiden auf den Slalom-Wettbewerb am Sonntag zu verweisen, wo Felix Neureuther tatsächlich eine Chance hat, die rot-weiß-roten Lokalmatadoren zu besiegen.

Ach ja Stopp, zurück zur Sendung: Angelina spielt also das Opferlamm, lässt ein Krokodil auf sich herumkrabbeln, versagt aber beim Teeren und Federn und weigert sich ebenso wie Walter, Kakerlaken vom Lebkuchen zu essen. Magere Ausbeute der beiden: vier von elf Sternchen. Besser wäre wohl Benjamin Boyce gewesen. Der weiß immerhin, wie man im Urwald über einen reißenden 1,30 Meter breiten Bach springt und einer großbrüstigen Nixe das Badewasser mit dicker Hose ranschafft.

Gelassenheit

Er hat Maden am Kopf und Ameisen im Schlüpper. Was sich sonst noch in seiner Hose befindet, hat nach Maren Gilzers Aussage die ganze Nation gesehen. Er musste jeden Tag zur Dschungelprüfung antreten und - noch schlimmer - die SPD wollte ihn nicht mal als Bundespräsident. Doch Walter Freiwald sagt: "Ich habe absolut keine Probleme mit irgendwas." Ob jeder mit dem Alter so gelassen wird? So viel ertragen kann, ohne Wut, ohne Scham. Wie viel kann der durchschnittliche RTL-Zuschauer ertragen? Na gut, einiges. Aber: Würde einen diese Sendung in Freiwalds Alter - immerhin ist er 60 - vielleicht weniger ratlos zurücklassen? Nicht so voller Wut, so voller Scham.

Liebe

Wie gesagt, es geht um die großen Fragen in dieser Sendung. Und die größte all dieser Fragen, die Frage nach der Liebe, stellt sich beiläufig. Während der Dschungelprüfung, die Angelina und Walter in einem Hänsel-und-Gretel-Knuspermärchenhäuschen zu absolvieren haben. Sie werden geteert und gefedert, sie werden übergossen mit Kübeln voller braun-glibbrig-schleimiger Flüssigkeiten, aber im Moment des größten Erfolges, als Walter innerhalb von sieben Sekunden einen für die Gruppe so wertvollen Stern verdient, da fragt sich der geneigte Zuschauer mit vollem Recht: "Warum fliegt'n hier überall Stroh rum?"

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