Dschungelcamp mit Daniel Hartwich:So schön kann Ekel sein

Gar nicht komisch, wie RTL sich über Helmut Berger lustig macht. Der Rest vom australischen Dschungelfest ist allerdings verhältnismäßig erfreulich: Die Promi-Auswahl ist beachtlich, der neue Moderator schlägt sich wacker - und rekordmäßig viele Zuschauer adeln den Start. Ob das was mit dem Fehlen von Dirk Bach zu tun hat?

Eine TV-Kritik. Von Ruth Schneeberger

Dschungelcamp, RTL, Daniel Hartwich, Sonja Zietlow

Guter Start für das RTL-Dschungelcamp mit Sonja Zietlow und Daniel Hartwich: Noch nie schalteten zu Beginn einer neuen Staffel mehr Zuschauer ein als in diesem Jahr

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Und schon wieder eine Fehleinschätzung vorab: Nein, Daniel Hartwich macht sich nicht lächerlich im Dschungel, wie es ihm viele Medien im Vorfeld des Starts der neuen Dschungelcamp-Staffel prophezeit hatten. Es ist nicht mal so, dass man Dirk Bach nun sonderlich vermissen würde in der Sendung "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" bei RTL.

Der neue Moderator Hartwich hat am Freitagabend das schwierige Erbe angetreten, den kugeligen Entertainer Bach, der 2012 überraschend gestorben war, in einer Sendung ersetzen zu müssen, die er mit seinem Witz und seiner Erscheinung maßgeblich geprägt hatte. Dirk Bach und Sonja Zietlow, das war sechs Jahre lang ein eingespieltes Team, für seinen zynischen und herablassenden Moderationsstil gegenüber den abgehalfterten C- und D-Promis im Camp beim Publikum äußerst beliebt.

Nun soll also dieser Hartwich, 34, jüngst erschlankt, dafür immer noch mit Nerd-Brille, der den Zuschauern bisher als ehrgeizige aber unspektakuläre Moderations-Maschine aus Sendungen wie "Let's Dance" und "Das Supertalent" bekannt war, über den Verlust des kölschen Urgesteins Bach hinweg trösten, der für sich genommen schon immer eine Show war. Das schafft der nie, war vorab von Kritikern zu lesen. Stimmt nicht, muss attestieren, wer sich den Staffelstart am Freitagabend tatsächlich angetan hat.

Vielmehr schlägt sich Hartwich wacker neben der resoluten Sonja Zietlow. Weder versucht er sie oder Bach an Witzigkeit zu übertrumpfen, noch gehen die vorbereiteten Sprüche daneben - sogar seine spontanen Kommentare sind schlagfertig und lustig. Sein Geheimnis: Er versucht gar nicht erst, es genauso oder gar besser zu machen als sein Vorgänger, er hat sich einfach das Showkonzept genau angeschaut, spielt mit und bleibt locker. Perfekt.

7,77 Millionen Zuschauer zum Start

Vielleicht ist es sogar so, dass seine Anwesenheit im australischen Dschungel zwar eventuell ein paar eingefleischte Bach-Fans verschrecken wird, dafür aber womöglich auch eine Menge neue Zuschauer anlocken wird, für die Dirk Bach zuvor zu aufgedreht war. Die Rekord-Zuschauerzahl von 7,77 Millionen Zuschauern zum Start (so viele gab es noch nie zum Staffel-Auftakt) kann zwar auch bedeuten, dass viele eingeschaltet haben, um den Neuen scheitern zu sehen, was gerade bei dieser Sendung eine bevorzugte Einschaltmotivation zu sein scheint.

Doch ähnlich wie beim Wechsel von Thomas Gottschalk zu Markus Lanz bei "Wetten, dass ..?!", der ebenfalls vor allem mit dem hohen Erwartungsdruck von Kritikern zu kämpfen hat, kann es auch bedeuten, dass viele Zuschauer sich vom neuen Moderator eher mehr erwarten als vom alten.

Dirk Bach war ein großer Komiker, die Zuschauer liebten ihn für seine Schrulligkeit. Doch seine wahre Größe hatte er schon zuvor gezeigt, außerhalb des Dschungelcamps, auf anderen Bühnen. Hier zeigt sich nun: Es kann auch mal ganz angenehm sein, wenn der Moderator den anderen Show-Egos den Vortritt lässt. Denn die gibt es in dieser Staffel zur Genüge - und sie sind diesmal sogar recht unterhaltsam.

Zumindest zum Start gab es nicht die sonst für die Sendung üblichen langweiligen Einstellungen von X- und Y-Promis zu sehen, die ermattet im Dschungel liegen und nur Nonsens von sich geben. Sondern die fast dreistündige Show, unterbrochen von gar nicht mal so viel Werbung, war von vorne bis hinten vergleichsweise unterhaltsam.

Womöglich haben sich die Macher bei RTL gedacht: Wenn schon kein Dirk Bach mehr, dann müssen wir wenigstens aufpassen, dass der Rest stimmt. Und so geben sich diesmal allen voran Fiona Erdmann, die mal bei "Germany's Next Topmodel" Vierte wurde, Georgina Bülowius, die mal beim "Bachelor" Fünfte wurde, und Joey Heindle, der mal bei "Deutschland sucht den Superstar" Fünfter wurde sowie die Reeperbahn-Transe Olivia Jones alle Mühe, das Publikum zu belustigen. Was durchaus gelingt.

Das irgendwie-doch-nicht-Model mit dem feuerroten Haar droht zwar an der ersten Ekelprüfung aus körperlichen Gründen zu scheitern und hat auch irgendwie doch ein Problem damit, ein Tortenstück aus Ungeziefer in Gänze zu verspeisen. Doch in Sachen Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen und mentaler Energie macht ihr hier niemand etwas vor.

Die von ihren Campkollegen als "Powerfrau" gelobte Fiona entpuppt sich außerdem als gar nicht blöd - und bildet damit einen wunderbaren Kontrast zum TV-Frischling Joey, mit dem sie in dieser Prüfung eine Ekel-Hochzeit hinlegt, wie sie in keinem Buche steht. Diese Bilder sind wahrlich zum Schreien. Dass sich die beiden showsüchtigen Menschenkinder zum Hochzeitskuss gegenseitig eine Riesenkakerlake in den Mund stecken und dabei in Hochzeitskleidern stecken, die in Fisch eingelegt wurden und mit Maden und Spinnen gefüllt sind, und dabei trotzdem tapfer aus der schleimigen Wäsche gucken, um für sich und ihre Campkollegen Essensmarken zu erkämpfen, all das gehört zum schon viel gezeigten Repertoire der Ekel-Sendung, die möglichst viele Gefühle der Zuschauer ansprechen soll.

Und doch ist es diesmal anders. Weil die beiden dabei trotzdem ihre Würde behalten. Das sieht man dann schon gerne, dass so etwas möglich ist.

Alkoholikerwitze auf Kosten von Helmut Berger

Auch auf die Spannungen zwischen Luxusweibchen Georgina und Hot-Banditoz-Sänger Silva Gonzalez ("Die hat mich bei The Dome angemacht"), zwischen Katzenberger-Mutter Iris Klein und Fiona Erdmann ("Das sieht man doch, dass die magersüchtig ist"), weitere Enthüllungen aus dem Privatleben von Teenieschwarm Patrick Nuo ("Ich war mal pornosüchtig"), Sprüche von Olivia Jones ("Ich habe das Dschungelbuch gelesen, mir die Lippen aufspritzen lassen, und los geht's"), Dummheiten von Joey ("Ich wollte ja eigentlich auch DSDS gewinnen, aber jetzt kann ich immer noch das Dschungelcamp gewinnen") und zarte Bande zwischen Toni-Curtis-Tochter Allegra und Kaufhaus-Erpresser Arno Funke ("Du bist mein Held. Vor allem, dass Du auch ruhig bist.") sowie Nacktauftritte von Unter-uns-Darstellerin Claudelle Deckert dürften die Zuschauer noch gespannt sein.

Einzig was mit Helmut Berger hier veranstaltet wird, ist nicht mehr komisch. Sonja Zietlow entschuldigt sich gleich zu Beginn dafür, dass fast die gesamte Sendung lang Alkoholiker-Witze über ihn gerissen werden, sie hätten einfach so viele davon, die müssten raus (nur eine kleine Kostprobe: "Mehr als Helmut Berger zittert im Moment nur der Kölner Dom", "Stell dir vor, er hätte ins Lagerfeuer gepinkelt, dann sähe es da jetzt aus wie Dresden 1945"). Nein, müssen sie nicht. Und es muss auch partout nicht sein, dass hier zur Unterhaltung der Millionen ein offenbar kranker alter Mann in den Dschungel geflogen wird, wo er sich kaum noch regen kann, außer in den Wald zu pinkeln, an keinem der Wettbewerbe teilnehmen kann, und wo er kaum noch mitbekommt, was um ihn herum passiert. Abgesehen von einigen durchaus wachen Momenten ("Jetzt wird es gewöhnlich", beendet Berger einen peinlichen Auftritt von Silva Gonzalez, als der von seiner eigenen Zeugung berichtet).

Das wird auch in der Sendung schon thematisiert. Ob es denn wirklich sein könne, dass ein Mensch in diesem Zustand an der Sendung teilnehme, fragt Hartwich. Sowohl der vor Vertragsunterzeichnung konsultierte Arzt als auch der Psychologe seien davon überzeugt gewesen, dass er stabil genug sei, lässt Zietlow wissen. Allerdings habe er danach körperlich wohl ziemlich abgebaut, ergänzt sie.

Das kann nur bedeuten, dass RTL schleunigst handeln und den ehemals schönsten Mann der Welt zu seiner eigenen Sicherheit nach Hause entlassen sollte. Sonst kann der Sender bald noch so einen hübsch melancholischen Abspann basteln wie für Dirk Bach.

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