Drohanrufe des Bundespräsidenten:Sechs Fragen, die Wulff in Wallung brachten

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Die "Bild"-Zeitung veröffentlicht die E-Mail, auf die Bundespräsident Wulff mit drohenden Anrufen reagierte. Sie enthält sechs Fragen zu Wulffs Hauskredit und seiner Beziehung zum Unternehmer-Ehepaar Geerkens - mitunter konfrontativ, aber berechtigt.

Oliver Das Gupta

"Noch mal in eigener Sache", überschreibt die Bild-Zeitung einen Beitrag auf Seite 2. Dort dokumentiert sie die Fragen, die Bundespräsident Christian Wulff in Wallung gebracht haben. Derart in Wallung, dass er telefonisch bei höchsten Stellen des Springer-Verlages, in dem das Blatt erscheint, intervenierte, um die unliebsame Berichterstattung zu stoppen.

Nachdenklicher Moment beim Staatsbesuch im Orient: Bundespräsident Christian Wulff in Kuwait-City (Foto: dpa)

Teile der Tirade, die der Präsident bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann auf Band hinterließ, kolportierten Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung (mehr hier) - das Medienecho fiel katastrophal aus.

Wie Bild nun schreibt, habe Wulff am 12. Dezember 2011 um 18.19 Uhr Diekmann auf den Anrufbeantworter gesprochen. Die Fragen, die den Präsidenten in Rage brachten, waren seinem damaligen Sprecher und engem Vertrauten Olaf Glaeseker am Vortag zugeschickt worden - per Mail um 6.49 Uhr.

Das Anschreiben ist sachlich-höflich gehalten. Dann befragen die Bild-Rechercheure den Bundespräsidenten zu dem Kredit für sein Haus. Zuvor hatte das Boulevardblatt herausgefunden, dass das Darlehen von der Ehefrau des Unternehmers Egon Geerkens stammt.

Bild konfrontiert Wulff in der Mail mit einem Widerspruch: Das Darlehen kam 2008 zustande, doch am 18. Februar 2010 beteuerte Wulff auf eine Anfrage der Grünen, zwischen Egon Geerkens und ihm habe es "in den letzten zehn Jahren keine geschäftliche Beziehung gegeben."

Der Tenor der Fragen ist durchaus scharf: "Warum haben Sie dem Landtag verschwiegen, dass eine "geschäftliche Beziehung" zwischen Ihnen und der mit Egon Geerkens in Gütergemeinschaft lebenden Ehefrau Edith durch einen im Oktober 2008 geschlossenen Darlehensvertrag über 500.000 Euro besteht?"

"Teilen Sie die Auffassung, dass Sie den Landtag in diesem Zusammenhang bewusst getäuscht haben?", fragt das Blatt und impliziert, dass es offenbar glaubt, Wulff habe gelogen. Desweiteren möchten die Frager wissen, wie Wulff das Geld von Geerkens erhalten habe - und nennen Varianten, die für Manchen nach Schwarzgeld und Geldkoffern klingen: "Per Überweisung aus Deutschland, der Schweiz, der USA - oder bar? Oder auf welche andere Weise?"

Unangenehme Fragen aus der Heimat: Olaf Glaeseker, damals Sprecher von Christian Wulff, beim Besuch des Bundespräsidenten in Kuwait City (Foto: dapd)

Bild spricht auch den Darlehensvertrag mit der BW-Bank an, der das Darlehen von Edith Geerkens ablöste. Man wolle wissen, warum die Sache wenige Wochen nach der parlamentarischen Anfrage der Grünen erfolgt sei - obwohl der Darlehensvertrag noch bis November 2013 gelaufen sei. Und in welcher Form das Darlehen zurückgezahlt worden sei.

Die sechste und letzte Frage geht noch weiter in die Vergangenheit zurück: "Gab es vor dem Jahr 2000 geschäftliche Beziehungen zwischen Ihnen, dem CDU-Kreisverband Osnabrück, dem CDU-Landesverband Niedersachsen bzw. dem Land Niedersachsen und Herrn Egon Geerkens oder irgendeiner Firma, an der Herr Geerkens und/oder Frau Geerkens als Gesellschafter beteiligt waren?"

Das Boulevardblatt flankiert seine journalistische Neugier mit dem Hinweis auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs: Nach langem juristischen Tauziehen hatte das Nachrichtenmagazin Spiegel am 17. August 2011 erreicht, Einsicht beim Grundbuchamt Großburgwedel nehmen zu dürfen. Das Magazin vermutete, Bettina und Christian Wulff hätten ihr Eigenheim von einem befreundeten Unternehmer gekauft, doch der Verdacht war unbegründet.

Durch das juristische Gefecht um die Grundbucheinsicht (mehr dazu hier) war Bild auf die Causa aufmerksam geworden - und fand alsbald heraus, dass die Frau des Unternehmers Egon Geerkens den Wulffs eine halbe Million Euro geliehen hatte, um dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsident den Hauskauf zu ermöglichen.

Die Fragen, die das Blatt daraus ableitete und an Wulff übermittelte, sind mitunter konfrontativ gestellt, aber berechtigt. Wulff aber empfand sie offenbar als unzumutbare Frechheit von einer Zeitung, die ihn früher hätschelte - und die er gerne an sich heran ließ (mehr dazu hier).

Zusätzlich fühlte sich das Staatsoberhaupt wohl dadurch brüskiert, dass ihn die delikate Sache während einer Reise in den Orient erreichte. Darauf deutet auch die von seinem Drohanruf bei Diekmann überlieferte Formulierung hin, man könne darüber nach der Rückkehr von seiner Dienstreise sprechen, wenn Bild "Krieg führen" wolle.

Vielleicht war der verhängnisvolle Anruf des Wutbürgers Wulff eine Kurzschlusshandlung, ein Indiz dafür gibt es: Denn sein Sprecher Olaf Glaeseker übermittelte Bild die Antworten auf die unangenehmen Fragen. Doch kurz vor Redaktionsschluss, Wulff und sein Tross befanden sich inzwischen in Kuwait, musste Bild die Zitate streichen. Die Antworten Wulffs seien zurückgezogen worden.

Danach wählte der Präsident die Nummer von Kai Diekmann und legte los.

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