Dokuserie über Chirurgen:Engel in echt

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Spritzendes Blut, durchbohrte Lungenflügel, kaputte Familien: In der amerikanischen Serie "Hopkins" kann der Zuschauer Chirurgen bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Intelligentes Fernsehen, das vielleicht auch deutsche Nachahmer findet. Die Dokuserie läuft ab Samstag bei ZDF Neo.

René Martens

Normalerweise spritzt in einer Dokumentation kein Blut, aber in Hopkins Hospital - Zwischen Leben und Tod gibt es so eine Szene: Der Hirnchirurg Alfredo Quinones-Hinojosa operiert eine 19-jährige Patientin. Eine Arterie platzt, und Blut spritzt in die Augen des Arztes. "Ich muss es sofort ausspülen", sagt er, leicht panisch, weil die Gefahr besteht, dass sich eine Krankheit überträgt.

Wirkliche Ärzte, echte Patienten - die Dokuserie "Hopkins" gleicht erfolgreiche Krankenhaus-Serien mit der Realität ab. (Foto: N/A)

Die schon 2008 in den USA ausgestrahlte Doku-Reihe des Senders ABC, die nun bei ZDF Neo zu sehen ist, blickt in den Operationsalltag des Johns Hopkins Hospitals/Baltimore. Das Hopkins zählt zu den besten Krankenhäusern Amerikas. Hopkins (Originaltitel) ist so etwas wie der Realitätsabgleich von Grey's Anatomy, der ebenfalls bei ABC und bereits in der siebten Staffel laufenden Medical-Serie. Grey's Anatomy ist über inzwischen 145 Episoden bestechend erzählt. Im Mittelpunkt stehen immer die persönlichen Beziehungen, die Ärzte, Pfleger und Patienten untereinander knüpfen oder lösen.

Hopkins sei dramaturgisch beabsichtigt an Grey's Anatomy angelehnt, sagt Executive Producer Terence Wrong. Auch in Hopkins geht es um Gefühle, um Leben und Tod. Hauptdarsteller ist Hirnchirurg Alfredo Quinones-Hinojosa (in Grey's Anatomy ist es der Hirnchirurg Derek Shepherd). Vor 20 Jahren kam Quinones-Hinojosa als Einwanderer illegal in die USA. Sein erstes Geld verdiente er als Tomatenpflücker. Inzwischen leitet er (neben seiner Tätigkeit im Krankenhaus) ein mit Spenden- und Fördermillionen aufgebautes Labor zur Hirnforschung.

Der in Mexiko aufgewachsene Tumorspezialist, den sie im Krankenhaus auch "Dr. Q" nennen, gibt das weitgehend rasante Tempo vor: Er ist ständig unter Strom, tigert unablässig über die Flure. Quinones-Hinojosa bezeichnet sich selbst als "Draufgänger". Als ein riskanter Eingriff gelingt, ballt er die Fäuste - wie ein Sportler im Moment des Sieges.

Insgesamt 100 Personen gaben ihre Zustimmung für die vier Monate dauernden Dreharbeiten. Die Ärzte werden - wie in Grey's Anatomy - als fehlbare Lebensretter inszeniert. Ein Assistenzarzt durchbohrt einen Lungenflügel. Ein anderer muss zu Hause ausziehen, die Ehe droht an seiner familienfeindlichen Arbeit zu zerbrechen. Trotzdem schneiden die Mediziner am Ende als Helden ab. Das Hopkins ist der Ort der Hoffnung für alle, die nur noch hoffen können.

David Brown, der an der Johns Hopkins University Medical Writing unterrichtet hat, warf der Doku Verklärung vor. In der Washington Post kritisierte er, dass Hopkins Hospital ausschließlich Hirntumore, Herz- und Lebertransplantationen zeige und vergleichsweise unspektakuläre Krankheiten wie Asthma oder Diabetes ignoriere. Vielleicht ist das so, es ändert nichts daran, dass Hopkins Hospital sehr intelligent gemachtes Fernsehen ist. Es ist faszinierend, wie beinahe souverän die Patienten und Angehörigen mit ihrer Situation umgehen - auch wenn man sich fragt, warum ein Mann öffentlich ausbreitet, dass und wie die Urologie-Chefin im Hopkins seine Sterilisation rückgängig macht.

Authentischer als das hiesige Reality-TV

Ist das Reality-TV? Der Begriff drängt sich auf, andererseits ist er bereits so diskreditiert, dass es einem schwer fällt, Hopkins Hospital damit in Verbindung zu bringen. Producer Wrong bezeichnet Hopkins als "rein dokumentarisches" Format: Authentischer als in einem OP-Saal, in dem es um Sein oder Nichtsein geht, könne nicht gedreht werden.

Dass die "Medical" ein Zuschauer bindendes Genre werden kann, glaubt in Deutschland Ute Biernat. Biernat führt die Produktionsfirma Grundy Light (u.a. Deutschland sucht den Superstar) und hat ARD und ZDF die Doku-Fiktion "Großstadtklinik Köln" angeboten. Bei Grundy heißt das "authentic fiction". Es geht darin um das Ärzteteam des Köln-Merheimer-Klinik-Professors Bertil Boullion, um die Luftrettungsmannschaft des Hubschraubers Christoph 13 und um die Wache 9 in Köln Mühlheim.

Zwei Pilotfilme ließ Biernat im Herbst 2010 drehen: den einen für eine tägliche, den anderen für eine wöchentliche Ausstrahlung. ZDF und ARD haben abgesagt. Nun liegt das Projekt bei Joachim Kosack in München, der die fiktionalen Abteilungen bei Pro Sieben Sat 1 verantwortet.

Hopkins Hospital, ZDF Neo, von diesem Samstag an, 23 Uhr, sieben Folgen.

© SZ vom 11.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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