Discovery Channel:Tausend Tode

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Foto: 2015 Oceanic Preservation Society (Foto: N/A)

Movie oder Movement? Eine Dokumentation über das Artensterben wird an einem Tag in 220 Ländern ausgestrahlt.

Von Rupert Sommer

Es ist ein stiller Moment. Und ein herzzerreißender. Wieder und wieder hebt der schwarze Vogel zum Balzgesang an. Doch der Kaua'i O'o, ein Schuppenkehlmoho aus Hawaii, erhält keine Antwort auf seine simple Melodie. Die Tonspur bleibt stumm. "Der kleine Kerl zwitschert um eine Partnerin - die niemals auftauchen wird", sagt der US-Filmemacher Louie Psihoyos. "Er ist der Letzte seiner Art."

Es sind solche unspektakulären, aber beklemmenden Szenen, die Racing Extinction - Das Ende der Artenvielfalt? so aufrüttelnd machen. Bis zu 58 000 Tier- und Pflanzenarten sterben jährlich aus - mit bedrohlich steigender Tendenz. "Was wir zeigen, ist ein Horrorfilm - nur dass er in der Realität spielt", sagt der Regisseur, der mit Die Bucht vom Massenabschlachten von Delfinen in Japan erzählte und damit 2010 den Dokumentarfilm-Oscar gewann.

Was damals noch von einem überschaubaren Schockereignis ausging und dennoch weltweit Wogen schlug, weitet sich bei Racing Extinction auf den Gesamtplaneten aus. "Diesmal wollten wir die weltweite Katastrophe nicht nur auf einen Aspekt reduzieren, so dass niemand sich abwenden und nicht direkt angesprochen fühlen kann - etwa weil er erfreulicherweise selbst kein Auto fährt", so der Regisseur und Umweltaktivist. "Wir sind alle Teil des Problems - und Teil der Lösung."

Um Gehör zu finden, hat er sich diesmal einen mächtigen Partner gesucht: das globale Discovery Network. Psihoyos' Film wird - passend zur Pariser Weltklimakonferenz - an einem Tag in 220 Ländern ausgestrahlt, beginnend in Neuseeland, endend auf Hawaii, jeweils um 21 Uhr Ortszeit. Potenziell kann der Umweltaktivist so rund drei Milliarden Menschen erreichen. "Wenn es uns gelingt, einen Zuschauer nachhaltig zu beeinflussen, warum können wir das nicht mit der gesamten Welt schaffen?", sagt Psihoyos. "Ein Film kann die mächtigste Waffe sein", sagt er. "Wenn man eine Bombe fallen lässt, tötet man Menschen. Wenn man einen Film dreht, schafft man sich Verbündete."

Dafür lässt er es nun krachen wie in einer Actionproduktion. "Ich liebe Hollywood-Filme", sagt Psihoyos. Sprunghaft geht es vom Plankton-Sterben zur Methan-Zeitbombe unter dem ewigen Eis, von Haifischflossen zum Gemetzel an Mantarochen. Dabei filmt das Team mit Knopflochkameras wie Geheimagenten. Undercover werden illegale südostasiatische Hinterhofmärkte für streng geschützte Tierarten ausspioniert. Psihoyos verfolgt auch Abgas-Monster und macht deren Emissionen mit Spezialkameras sichtbar.

Jeder einzelne - so die um Hoffnung bemühte Botschaft - kann etwas beitragen, um doch noch einen Gang zurückzuschalten. "Was für mich wirklich zählt, ist das Ausmaß der Veränderungen, die so ein Film bewirkt", sagt Psihoyos. "Als wir Die Bucht drehten, wurden weltweit 23 000 Delfine getötet. Nun sind es weniger als 6000." Psihoyos sieht beide Filme nicht als "Movies", sondern als "Movement", als Teil einer Bewegung. Zur Präsentation von Racing Extinction kam er mit einem Elektro-Taxi in die Münchner Innenstadt. Um eines aufzutreiben, musste das deutsche Discovery-Team sich die Finger wund telefonieren. Die Bewegung steht offenbar noch am Anfang.

Racing Extinction - Das Ende der Artenvielfalt?, Discovery Channel, 21 Uhr.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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