"Die Pilgerin" im ZDF:Von Wanderhuren und Pilgerinnen

Die Pilgerin; Josefine Preuß

Josefine Preuß als "Tilla" im neuen ZDF-Event-Zweiteiler "Die Pilgerin".

(Foto: ZDF / Jirí Hanzl)

Jedem sein Mittelalterspektakel: Das ZDF lässt Josefine Preuß nach Santiago pilgern. Ziemlich weit für eine, die in ihrer bisherigen TV-Karriere vor allem Quatsch machte.

Von Katharina Riehl

Schon ganz grundsätzlich soll das Leben als Frau im Mittelalter nicht gerade einfach gewesen sein, aber besonders dicke kommt es erst, wenn man in einen Roman von Iny Lorentz geboren wird. Seit Ende der Siebzigerjahre schreiben Iny Klocke und Elmar Wohlrath gemeinsam Bücher, und als das Ehepaar 20 Jahre später damit begann, junge, unschuldige Frauen mit der ganzen Härte des voraufklärerischen Lebens zu konfrontieren, kamen auch endlich die großen Auflagen.

2010 dann wurde die Verfilmung der "Wanderhure" - Alexandra Neldel als braves Mädchens Marie, das Anfang des 15. Jahrhunderts durch eine fiese Intrige auf eine lange, ungewisse Reise und in die Unzucht getrieben wird - zum erfolgreichsten Sat 1-Film aller Zeiten.

Auf einen Latte Macchiato im Bio-Fastfoodladen

Berlin, an einem sonnig warmen Wintertag etwa 600 Jahre später. Josefine Preuß sitzt ganz hinten im Eck eines Bio-Fastfoodladens, und hätte die Bild-Zeitung bereits vor dem Treffen , und nicht erst an diesem 2. Januar, die Körpergröße der Schauspielerin (1,52 Meter) auf ihrer Titelseite notiert, hätte man vielleicht zwei Minuten weniger gebraucht, um sie auch zu finden.

Josefine Preuß, 27, die mit dem Integrationspatchworkspaß "Türkisch für Anfänger" als rothaarige und rotzfreche Göre bekannt und ordentlich jury- und feuilletongepriesen wurde, ist in Begleitung einer Pressedame unterwegs, die zweimal Latte Macchiato in die hintere Ecke bringen und während des gesamtes Interviews am Nachbartisch sitzenbleiben wird. Das scheint zum Service zu gehören, und immerhin soll Josefine Preuß hier ein Großprojekt bewerben: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat gut drei Jahre nach der "Wanderhure" endlich sein eigenes Mittelalterspektakel.

"Wanderhure" auf Öffentlich-rechtlich

"Die Pilgerin" heißt der fast 700 Seiten dicke Roman von Iny Lorentz, aus dem Nico Hofmanns Firma Teamworx, die inzwischen ein Teil des Großproduzenten Ufa Fiction ist, einen zweiteiligen ZDF-Film gedrechselt hat. Das brave Mädchen Tilla (Preuß) fällt einer fiesen Intrige ihres Bruders zum Opfer. Der erstickt nicht nur den Vater mit einem Kissen, sondern verhökert auch noch sein Schwesterlein an einen korrupten Fettsack (Dietmar Bär). Die gute Tilla aber, ganz unverzagt, hat dem sterbenden Vater versprochen, sein Herz in der heiligen Erde von Santiago de Compostela zu vergraben.

Tilla Willinger also flieht vor all den Männern, die ihr Böses beziehungsweise gerne an die Wäsche wollen. Sie schneidet sich die schönen, langen Haare ab und geht als Pilger Moritz auf eine lange, ungewisse, aber keusche Reise. "Ich komme als Jungfrau und ich gehe als Jungfrau", sagt Josefine Preuß dazu. "Wanderhure" auf Öffentlich-rechtlich.

Auf dem Weg zur Quotenkönigin

Josefine Preuß trägt an diesem Tag im Berliner Ökoladen eine Wollmütze auf dem Kopf, und so recht mag sie die auch nicht absetzen, auch wenn man sie fragt, wie es darunter aussieht. Übergangslänge. Es sei von der Produktion ganz früh gefragt worden, ob man "mit meinem Echthaar arbeiten könne", sagt sie, was natürlich eine hübsch-herzlose Formulierung dafür ist, einer Frau für eine Rolle ihre langen Haare abzuschneiden.

Josefine Preuß jedenfalls ist gerade auf dem besten Weg, eine der nächsten großen Quotenköniginnen des deutschen Fernsehens zu werden; eine Position, die heute und schon lange vor allem von Veronica Ferres und Maria Furtwängler verteidigt wird. Frauen, die starke Frauen spielen, auf der Flucht vor Nazis oder vor schlechten Menschen aus anderen Epochen, was dann mindestens sechs Millionen Deutsche brav einschalten.

Von Ulknudeln und starken Frauen

Josefine Preuß hat im vergangenen Jahr, auch kurz nach Silvester, im Hotel-Dreiteiler "Das Adlon" die Hauptfigur Sonja Schadt gespielt. Mehrgenerationenkitsch war das, aber mit Zauberquote. Von Tilla aus Tremmlingen, die ein Holzkreuz auf der wunden Schulter Richtung Süden trägt, wird man beim ZDF ähnliches erwarten.

Josefine Preuß ist vom Fernsehen lange auf Ulknudel gebucht gewesen, auf niedlich und auf heiter, und all das beherrscht sie auch sehr souverän, wenn ihre Antwort origineller klingen soll als die gestellte Frage: Zwei ZDF-Neujahrshauptrollen in Folge? "So bleibt das jetzt, das steht in meinem Vertrag: Nur noch Jahresauftaktfilme, nur noch starke Frauen, und keine Türken mehr." Ist die Rolle der starken Frau nach der lustigen Schülerin die nächste Schublade, in die sie gesteckt werden wird? "Ich sage immer, gerade bei der Auftragslage in Deutschland: Lieber eine Schublade haben als keine haben."

Sie ist keine Branchengrüblerin und keine Karrieretheoretikerin, und das liegt sicher auch daran, dass Josefine Preuß in den vergangenen Jahren ohnehin dort war, wo es gute Quoten oder zumindest Fernsehpreise gab. Mit 14 Jahren bekam sie eine Rolle in der Kika-Kinderserie "Schloss Einstein", es folgten ein paar Teeniekomödien, und 2005 "Türkisch für Anfänger".

Die Frau mit dem Holzkreuz und der Mangel an Komplexität

"Das Adlon", sagt sie, sei dann die Rolle für sie gewesen. "Das war weg von der Komödie." Das mag aus ihrer Perspektive richtig sein, doch zu den Grausamkeiten des deutschen Gebührenfernsehens gehört nun einmal, dass abseits der Komödie auch nur hin und wieder eine besonders komplexe Frauenrolle wartet. Und nur ganz selten tragen diese Frauen Holzkreuze spazieren.

Regie bei der "Pilgerin" hat Philipp Kadelbach geführt, mit dem Josefine Preuß unbedingt arbeiten wollte, obwohl sie die ersten Drehbücher "ganz schön scheiße" gefunden habe. Kadelbach hat auch "Unsere Mütter, unsere Väter" gedreht, das dreiteilige Weltkriegsdrama, das in diesem Jahr alle daran Beteiligten nahe an die Heiligsprechung führte. Philipp Kadelbach lässt das Mittelalter sehr schön dreckig und brutal aussehen. Aber in der Welt von Iny Lorentz muss das brave Mädchen trotzdem nach Hause finden.

Die Pilgerin, ZDF, Teil eins und zwei, Sonntag und Montag, jeweils um 20.15 Uhr.

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