"Die Akte Zarah Leander" im Ersten:Stets ihre eigene Parodie

"Die Akte Zarah Leander" im Ersten

Sie wurde legendär für die konsequente Weigerung, sich und den anderen Rechenschaft abzulegen: Zarah Leander.

(Foto: rbb/Falco Seliger)

War sie kommunistisch, stramm nationalsozialistisch oder doch nur ein politischer Idiot? Die Doku "Die Akte Zarah Leander" zeichnet ein ambivalentes Bild der Diva, die sich jeder Deutung entzog.

Von Fritz Göttler

Das Gesamtkunstwerk ist wohl entstanden, als die junge schwedische Sängerin in ihrem Vornamen aus dem S für Sarah ein Z machte. Von da an war sie unergründlich und exotisch, entzog sich allen Versuchen einer Zuordnung. Den einen galt sie als kommunistisch, anderen als überzeugt nationalsozialistisch, für wieder andere war sie ein politischer Idiot.

Die Autoren Torsten Striegnitz und Simone Dobmeier geben nicht vor, in Die Akte Zarah Leander das Rätsel Zarah nun definitiv zu lösen, sie präsentieren auch keine neuen Recherchen. Aber sie inszenieren eben diese Rätselhaftigkeit Leanders, mithilfe von Animationen, diverser Kommentatoren und Zeugen, von Jutta Jacobi, der Biografin, über Paul Seiler, den Fan-Experten, bis zum Filmhistoriker Georg Seeßlen. "Ich bin die Leander", sagt Zarah selbst in einem schnippischen Interviewausschnitt, "das muss reichen. Ich weiß selbst nicht, wer ich bin."

Ein Kunstwerk hat immer etwas Tautologisches. Zarah Leander wurde legendär für die konsequente Weigerung, sich und den anderen Rechenschaft abzulegen. Sie wollte nicht dazugehören, bestand darauf, anders zu sein - durchaus provokant in der nationalsozialistischen Gesellschaft, die den Anschluss propagierte, individuell und politisch.

Sie war eine Diva in einer Kultur, der das Diventum suspekt war - am unerreichbaren Vorbild Hollywood schätzte der Propagandaminister Goebbels vor allem die sauberen, sterilen MGM-Revuen. Die Diva Leander blieb ein Fremdkörper, die das Spiel mitmachte - weil sie seine Regeln besser kannte -, aber immer wieder sich ihm entzog.

Teile der Gage ließ sie sich in schwedischen Kronen auszahlen, an den Kriegswunschkonzerten wollte sie nicht teilnehmen, 1942 setzte sie sich auf ihr Gut Lönö ab, wurde daher von der Gestapo bespitzelt.

Spiel zwischen Oberflächlichkeit und Tiefe

Ihre Filme hatten phänomenale Einspielergebnisse, und sie zeigte sich schonungslos subversiv darin. In einem der Couplets, die sie in den Dreißigern in schwedischen Cabarets gesungen hatte, ging es bereits gegen Judenverfolgung: "Ich stehe im Schatten eines Stiefels . . . verschleppt von preußischem Ungeist . . ." Ein paar Jahre später sang sie dann, im Film "Zu neuen Ufern" ihr berühmtes "Ich steh im Regen . . ." Detlev Sierck, der dann nach Hollywood emigrierte und als Douglas Sirk das amerikanische Melodram erneuerte, hat mit großer Lust diese Nummern als aggressive, erotische Akte der Koketterie inszeniert.

Die Dokumentation macht einen Comic aus Zarah Leanders Leben, sie ist eine Hexe mit rotem Haar, ein mythischer Alien. Georg Seeßlen ist voll begeistert vom Spiel zwischen Oberflächlichkeit und Tiefe: Sie könnte auch von Andy Warhol erfunden sein!

Zarah war freilich nicht mit den fünfzehn Minuten zufrieden, die Warhol jedem an Starsein zugestand. Nach dem Ende des Krieges drehte sie noch mal voll auf, wurde grell und farbig und aufgedonnert wie ein Warhol-Druck - der reine Pop, also immer auch ihre eigene Parodie.

Die Akte Zarah Leander, ARD, 23.20 Uhr.

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