Deutscher Fernsehpreis:Königsdisziplinen

Wer steht im Licht? Die Stifter des Deutschen Fernsehpreises ändern die Gewinnerkategorien und drängen fiktive Formate in den Hintergrund. Das verbessert die Aussichten für die privaten Sender, verärgert aber andere.

Hans Hoff

Als Anke Engelke und Bastian Pastewka im vorigen September in der Maske des Volksmusikpärchens "Wolfgang und Anneliese" die Gala zur Verleihung des Deutschen Fernsehpreises moderierten, lieferten sie eine hübsche Gebrauchsanleitung zum Umgang mit dem Preis. "Den stellt man in den Essbereich, da sieht ihn jeder gleich", trällerten sie und zeigten damit jene Ironie, die der Veranstaltung lange gefehlt hatte. Ein Jahr nach der Wutrede von Marcel Reich-Ranicki sahen nicht wenige den Fernsehpreis auf dem besten Weg, wieder an Bedeutung zu gewinnen.

Deutscher Fernsehpreis 2009

Im vergangenen Jahr moderierten  die Komiker Anke Engelke und Bastian Pastewka als Volksmusik-Duo "Anneliese und Wolfgang" die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises. Die gute Stimmung von damals ist vielen inzwischen vergangen.

(Foto: ddp)

Am 9. Oktober wird der von ARD, ZDF, RTL und Pro Sieben Sat1 gemeinsam gestiftete Deutsche Fernsehpreis zum zwölften Mal vergeben. Doch vor der Gala machen nun heftige Vorwürfe und Verschwörungstheorien die Runde. Grund ist eine Änderung der Preiskategorien, die die Stifter Anfang August beschlossen. Ein "weiter entwickeltes Kategoriensystem" nennen es die Ausrichter. Nicht alle Beteiligten sehen das so.

Mit der Reform wird vor allem das Übergewicht der Fiktion zurückgedrängt. Preise für Nebenrollen, Schnitt, Kamera, Buch, Musik und Ausstattung gingen traditionell an Kreative vom Fernsehspiel, bei dem die Öffentlich-Rechtlichen viel zu bieten haben. Nun fallen diese Kategorien weg, so soll es mehr Gleichbehandlung für Unterhaltung und Information geben - und wohl auch mehr Gewicht für die Privatsender. "Formatentwicklungen zum Beispiel in der dokumentarischen Unterhaltung konnten im bisherigen System nicht adäquat berücksichtigt werden, die Kamera in der Dokumentation, Showregisseure, Bühnenbildner und Comedyautoren wurden nicht gesondert berücksichtigt. Diese für das Fernsehen so wichtigen Leistungen haben im neuen System bessere Chancen", erklärt WDR-Intendantin Monika Piel als Vertreterin der Stifter auf SZ-Anfrage.

Problem Publikumstauglichkeit

Die ARD wird die Gala in diesem Jahr übertragen. Bei der Reform dürfte es durchaus auch um den Konflikt gehen, der dann entsteht, wenn man viele Menschen ehren und zugleich eine spannende TV-Gala ausrichten will. Die "organisierte Unvereinbarkeit" hat ein kluger Mann das mal genannt. Zum Problem der Preisverleihung gehört, dass sie Publikumstauglich sein soll. Die Gala im Vorjahr war unter diesem Aspekt die bislang beste. Dennoch sahen nur 5,2 Prozent aller Zuschauer die Übertragung bei Sat1, ein Ergebnis weit unter Senderschnitt.

Die beschlossenen Änderungen wurden bisher eher nebenbei und nicht sonderlich ausführlich kommuniziert. Ein Fehler, den Stifterin Piel aber nicht als solchen sieht. "Dass der Deutsche Fernsehpreis Kontroversen auslöst, das gehört dazu. Stifter und Beirat waren sich also vollkommen im Klaren darüber, dass die Reform nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen würde, und zwar ganz unabhängig davon, wie wir die Reform ankündigen."

"Ohrfeige" für Spielfilmmacher

Dann wird Piel vermutlich auch der geharnischte Brief nicht überraschen, den der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) den Stiftern am Donnerstag geschrieben hat. In dem von zehn weiteren Kreativenverbänden unterzeichneten Schreiben wird mangelnde Wertschätzung für hochwertige Fernsehspielformate beklagt. Oft fällt das Wort Königsdisziplin. Würden Fernsehspiele nicht mehr als solche behandelt, schwände bald auch das Verständnis dafür, warum sie viel Geld kosten, fürchten die Kritiker. "Es wirkt, als wolle man die einstige Königsdisziplin Fiktion marginalisieren, um in dem Bereich zukünftig leichter die Produktionskosten zurückfahren zu können", mutmaßt Jürgen Kasten, Sprecher des Bundesverbandes Regie. Von einer Marginalisierung der Fiktion könne keine Rede sein, hält Piel dem entgegen.

Auch der Schauspieler Hans-Werner Meyer (Contergan) sieht als BFFS-Sprecher sein Genre beschädigt. "Das bedeutet eine empfindliche Schwächung der Königsdisziplin Fiktion", sagt er. Hält man ihm entgegen, dass die Fiktion bei den Kategorien des Deutschen Fernsehpreises bisher bevorzugt wurde, fragt er zurück. "Was heißt bevorzugt? Es wurde bisher genauer hingesehen, weil hier Qualitäts-Maßstäbe gesetzt werden, an denen man sich orientieren kann."

Dass Preise für Schnitt, Musik oder Ausstattung bei der Preisverleihung meist vor Beginn der offiziellen Verleihung vergeben und später kurz in die Show eingeblendet wurden, hat schon häufiger für Verstimmung gesorgt. Zum Beispiel bei Dominik Graf. "Die Energie, die nun darauf verwendet wird, Kreative hinter der Kamera als Preisträger auszugrenzen, war in den letzten zehn Jahren schon latent vorhanden. Man hoffte aber immer, dieser Anti-Kreativen-Haltung des Fernsehpreises würde mal intern deutlich widersprochen, stattdessen droht der Preis jetzt die Bodenhaftung zu verlieren und zu einer Art freischwebender Bonzensause zu werden", sagt der Regisseur.

Ventil für angestauten Missmut

Für alle, die Filme schreiben, drehen und spielen, "ist das eine Art Ohrfeige", sagt Jochen Greve vom Verband der Drehbuchautoren. Der Erfinder vieler Bremer Tatorte fürchtet: "Es werden die Kollegen noch mehr im Dunkeln stehen, die sowieso immer im Dunkeln stehen, weil man sie nicht auf der Mattscheibe sieht." Monika Piel sieht das naturgemäß anders. Sie sagt, persönliche Leistungen in Regie, Buch, Kamera fielen ja nicht weg, sondern können in Zukunft gemeinsam mit den Werken ausgezeichnet werden: "Das bedeutet, der Fernsehpreis richtet sich an ein kreatives Team. Die Preisträger sind die Kreativen und Künstler gemeinsam mit den Produzenten." Nur eines falle im Grunde weg, dass einer allein zur Ehrung auf die Bühne geht.

Tatsächlich erklärt sich die Reaktion, bei der nun aus allen Rohren geschossen wird, möglicherweise nicht allein aus der Reform, dem Willen zur Besitzstandswahrung oder schlechter Kommunikation. Es wirkt vielmehr, als habe sich da auch ein Ventil geöffnet für den großen Missmut, der sich bei den Kreativen aufgestaut hat durch Meldungen von Etatkürzungen bei den Sendern und durch die Versuche, immer mehr Film für noch weniger Geld zu bekommen.

Gelingt es den Stiftern des Fernsehpreises nicht, die aufgewühlten Künstler zu besänftigen, könnte es leere Sitze bei der anstehenden Gala geben. "Wenn der Preis in dieser Weise an Relevanz verliert, überlegt man sich, ob man da noch hin muss", sagt Hans-Werner Meyer. Für den Fall der Fälle hat Jürgen Kasten eine Gebrauchsanleitung parat. Dann sollten sich "die Senderverantwortlichen selbst feiern und uns bitte nicht mehr damit behelligen".

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