Debatte um Verlags-Verkauf:Kirche streitet um Weltbild

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Konservative gegen Liberale: Darf die Kirche den Weltbild-Verlag behalten, in dem auch erotische Literatur angeboten wird? Katholische Bischöfe sind uneins, was sie mit dem Augsburger Medienkonzern anfangen sollen.

Stefan Mayr und Matthias Drobinski

Soll man das schmuddelige Hemd wegwerfen? Oder lieber waschen und weiterverwenden? Diese Frage diskutierten am Montag die katholischen Diözesanbischöfe bei der Sitzung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz in Würzburg. Sollen die Diözesen die Verlagsgruppe Weltbild GmbH verkaufen, weil man über ihre Internetseiten auch Erotik- und Esoterik-Bücher kaufen kann? Oder genügt es, wenn man diesen Vertriebskanal, der weniger als 0,017 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht, zudreht?

Erleichterung in der Augsburger Zentrale des Weltbild-Verlags, Geschäftsführer Carel Halff sieht "Ruhe und Stabilität" für das Unternehmen. (Foto: dpa)

Die Meinungen der Bischöfe gingen nach Informationen der SZ weit auseinander. Die Diskussion war offenbar so verfahren, dass das Thema zwischenzeitlich zur Seite gelegt wurde, um andere Tagesordnungspunkte abzuarbeiten.

Erst am späten Nachmittag wurde wieder über Weltbild gesprochen, so dass ein Ergebnis frühestens am Abend erwartet wurde - oder gar erst am Dienstag. Ein juristisch wirksamer Beschluss kann in Würzburg nicht fallen, da über einen Verkauf nur die Gesellschafterversammlung entscheiden kann. Dennoch gilt das Votum der Bischöfe als wegweisend.

In der Weltbild-Zentrale in Augsburg wartete man am Montag gespannt auf ein Ergebnis aus Würzburg. Geschäftsführung und Pressestelle waren telefonisch nicht zu erreichen. Per E-Mail ließ Geschäftsführer Carel Halff ausrichten, während des "innerkirchlichen Meinungsbildungsprozesses" könne sich das Unternehmen "nicht äußern".

Der Betriebsratsvorsitzende Peter Fitz ist da gesprächiger. Er appelliert an die soziale Verantwortung der Kirche für die 6400 Mitarbeiter: "Vor einem Verkauf müssten die Eigentümer einen Sozialtarifvertrag abschließen, damit eine Zerschlagung ausgeschlossen ist." So sollte ein möglicher Käufer Mitglied im Arbeitgeberverband sein und zusagen, dass die Ansprüche der Belegschaft erhalten bleiben. 2000 Mitarbeiter sind in Augsburg tätig, der Rest in 500 Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Weltbild gilt mit mehr als 1,6 Milliarden Euro Umsatz als einer der größten Medienhändler Europas.

Vor der Sitzung am Montag hatten sich einige Bischöfe deutlich für den Verkauf ausgesprochen. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner forderte in der Welt am Sonntag eine "radikale Trennung" von Weltbild: "Es geht nicht, dass wir in der Woche damit Geld verdienen, wogegen wir sonntags predigen." Vor einigen Jahren hatten die Bischöfe schon einmal einen Käufer für das Unternehmen gesucht, das immer wieder in der Kritik stand. Damals habe es einige Interessenten gegeben, aber man konnte sich nicht über den Preis einigen.

Fürsprecher für den Verbleib des Verlages traten öffentlich nicht in Erscheinung, dennoch teilen offenbar nicht alle Bischöfe Meisners Meinung. "Wir glauben, es ist besser, ein dreckiges Hemd zu waschen, als es wegzuwerfen", heißt es im Umfeld der bayerischen Bischöfe - die sind immerhin mit 50,1 Prozent am Verlag beteiligt, vor allem das Erzbistum München-Freising (13,2) und das Bistum Augsburg (11,7).

Doch auch dort geht man davon aus, dass der Verlag nicht mehr so weiterarbeiten kann wie bisher: "Wir können noch so große Medienkonzerne haben - wenn sie nicht das Ziel haben, das Evangelium zu verkünden, geht es in die falsche Richtung", erklärte der Münchner Kardinal Reinhard Marx.

Und dann gibt es noch jene, die zwar das Geschäftsgebaren von Weltbild kritisch sehen, aber auch verärgert sind über die Kampagne konservativ-katholischer Kreise, die die neuerliche Diskussion über Weltbild angestoßen haben. "Sie können bei jeder Dombuchhandlung mit Internetpräsenz das Stichwort Erotik eingeben und bekommen die entsprechenden Angebote", sagt einer. Offenbar geht es einigen Gruppen vor allem darum, die als zu liberal empfundenen Bischöfe samt Hans Langendörfer, den Sekretär der Bischofskonferenz, der im Weltbild-Aufsichtsrat die Eigentümer vertritt, zu schwächen. Auch Betriebsrats-Chef Peter Fitz glaubt, dass die Diskussion "völlig überzogen" ist.

Als mögliche Käufer werden die Verlagshäuser Bertelsmann, Burda und Holtzbrinck genannt. Pikanterweise sitzt der Vorstandsvorsitzende der Hubert Burda Media Holding, Paul-Bernhard Kallen, im Weltbild-Aufsichtsrat.

© SZ vom 22.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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