"Dallas" kehrt zurück ins Fernsehen:Seifenoper mit Thrillerqualität

Kaum jemand glaubte daran, dass "Dallas", der seriengewordene Charakter der 80er Jahre, in der heutigen Zeit funktionieren würde. Jetzt ist die erste Folge im US-Fernsehen ausgestrahlt worden. Die Erkenntnis: Das neue "Dallas" ist genauso gut wie das alte - nur härter und schneller.

Jörg Häntzschel, New York

Dallas noch einmal ins Fernsehen zurückzuholen, so dachte man, das ist, als beauftrage man Helmut Kohl mit der Rettung des Euro. War nicht genau diese Fernsehserie das sinnbildliche Produkt der 80er Jahre? Der Zeit, als man noch lustvoll Öl verfeuerte, und Ronald Reagan die Glut des Kapitalismus entflammte, und Schulterpolster Kleiderschrankbreite erreichten? Was also soll der Stoff 2012 noch wert sein?

An diesem Mittwoch lief nun die erste Folge der Fortschreibung in den USA beim Sender TNT (Warner Brothers). Und scheinbar mühelos scheinen die Macher die texanische Saga modernisiert, alle Einwände ignoriert zu haben. Selbst das Öl sprudelt unerschöpflich: Direkt unter der Southfork Ranch, dem Stammsitz der Öldynastie Ewing, liegt ein unterirdischer See mit zwei Milliarden Barrel "sweet crude", der in der fulminanten Eröffnungssequenz angestochen wird und als schmierig-braunes Feuerwerk in den Himmel schießt.

Viel ist offenbar nicht passiert in den 21 Jahren, nachdem die Serie und damit die Konflikte der Ewings versiegt waren. Auch die meisten Veteranen sind wieder dabei: Patrick Duffy spielt wie früher Bobby Ewing, der sich aus dem Ölgeschäft zurückgezogen hat und Rinder züchtet. Larry Hagman kehrt zurück als Bösewicht J.R. - wenn er jetzt auch sicher im Pflegeheim verwahrt ist. Und Sue Ellen (Linda Gray) taucht ebenfalls wieder auf, inzwischen Alkohol-abstinent und dabei, eine Karriere in der Politik zu machen. Die nächste Generation - John Ross (Josh Henderson) und Christopher (Jesse Metcalfe) - spielt friedlich mit Frauen und Sportwagen.

Doch der Frieden währt nicht lange. Das Öl, auf das John Ross beim heimlichen Bohren gestoßen ist, hat die kalte Gier geweckt, für die sein Vater J.R. berüchtigt war. Wie es der Zufall will, erhält Bobby just in diesem Moment die Krebsdiagnose. Besorgt um sein Lebenswerk (die Ranch), schickt er John Ross und seinen Ölmännern nicht nur die Polizei auf den Hals, er beschließt auch, South Fork an eine Umweltstiftung abzugeben, die das gesamte Land in ein Naturschutzgebiet verwandeln soll.

So alarmierend ist diese Nachricht für J.R., dass seine Altersdepression über Nacht geheilt wird. Und plötzlich stehen alle in der Familie auf, um noch einmal einen Krieg um das gemeinsame Erbe zu führen

Bondage-Videos und falsche Bräute

Nur kommt diesmal zum Hegemonialstreit noch ein weltanschaulicher hinzu: Auf der einen Seite stehen J.R. und John Ross, Ewiggestrige ohne Skrupel. Auf der anderen befinden sich der Idealist Bobby und sein Sohn Christopher, der aus China mit einem Klotz gefrorenen Methans vom Meeresboden zurückkehrt und proklamiert: "Öl ist vorbei, die Zukunft gehört der alternativen Energie."

Was nun einsetzt ist der gewohnte Reigen aus Lügen und Verrat, der elf Jahre lang Rekordquoten garantierte. Doch diesmal hat die Seifernoper plötzlich beinahe Thrillerqualität. Es geht um Seebeben und Bondage-Videos, Industriespionage und geschmierte Ärzte, getürkte E-Mails, falsche Bräute und Anwälte, die nicht zwei sondern gleich drei ihrer Mandanten gegeneinander ausspielen.

Und dann ist da noch die geheimnisvolle Martha del Sol, die mit unwiderstehlicher, wenn auch nichts Gutes verheißender Grazie aus ihrem Hubschrauber steigt: Bobby kauft ihr die Geschichte mit der Umweltorganisation ihres Vaters ab. J.R. hält sie für die Tochter eines mexikanischen Kartellbosses, mit dem er gemeinsame Sache macht. Doch auch das erweist sich bei einem Termin mit "Carlos" als Illusion.

Erzählt wird das in einem so harten Tempo, dass man erst in Folge drei zum Luftholen kommt. Doch nicht das Unglück der Reichen ist das wahre Thema des neuen Dallas, sondern das Alter. Nirgends sonst im jugendfixierten amerikanischen Fernsehen wird mit solcher Offenheit vom Altwerden und Sterben gesprochen. Nirgends sonst sind dort so viele zerklüftete, verlebte, eingefallene Gesichter zu sehen - und zwar weder von der fidelen Golden-Girls-Sorte, noch von der Sorte eleganter Autorität, wie sie Judy Dench als M in den James-Bond-Filmen verkörpert.

Um den Kontrast zu mildern, hat die Casting-Abteilung auch die Rollen der Jüngeren mit Schauspielern besetzt, die irgendeinen kleinen Makel haben: Eine Narbe, ein unvollkommenes Gebiss, einen dünnen Bart. Doch der ungewohnte Schreck, mit den Folgen des Alterns wie im Zeitraffer konfrontiert zu werden, lässt sich so leicht nicht vertuschen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: