Crowdfunding:Geliebter Trash

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Der Vorläufer vom Ablästern im Netz kam in den 90er-Jahren aus Amerika. Die Fernseh-Show "Mystery Science Theater 3000" soll jetzt wiederbelebt werden, dafür sammelt ihr Erfinder gerade Millionen von Spendengeldern ein.

Von Benedikt Frank

Eine der seltsamsten amerikanischen TV-Sendungen der 1990er Jahre bittet ihre Fans um Geld für ein Comeback. Mystery Science Theater 3000 war selbstbewusst ironisches Billigfernsehen - und nahm die Kommentarkultur im Internet vorweg. MST3K, wie die Fans die Sendung abkürzen, lässt in knapp 200 Folgen, die von 1988 bis 1999 produziert wurden, die Zuschauer an einem brutalen Experiment teilhaben: Ein Mann sitzt auf einer Raumstation mit drei Robotern fest und muss dort unglaublich miserable Filme sehen. Bahnhofskino-Streifen mit Titeln wie Santa Claus Conquers the Marsians laufen komplett durch. Sie werden aber nicht einfach nur gezeigt, sondern die Figuren sind selbst Zuschauer, deren schwarze Silhouetten ins Bild ragen; sie verspotten die Filme und werten sie gerade dadurch auf, machen viele überhaupt erst ansehbar.

Im noch jungen Internet bildeten sich Newsgroups, in denen sich Fans über Trivia zur Show austauschten. MST3K war das vielleicht erste online breit diskutierte TV-Phänomen. Nach Deutschland schaffte es die Show allerdings nicht. Nur ein MST3K-Kinofilm wurde unter anderem von Oliver Kalkofe synchronisiert, der jetzt auf Tele 5 mit einem ähnlichen Konzept die Schlechtesten Filme aller Zeiten präsentiert. MST3K war Pionier einer öffentlichen Aktivität, die heute gang und gäbe ist: Man trifft sich gemeinsam, um Filmen laut zu widersprechen. Das geschieht jeden Sonntagabend, wenn sich Prominente und Anonyme auf Twitter kollektiv über den neuen Tatort äußern. Der ist zwar die Prestige-Produktion der ARD und kein B-Movie ist, aber das Ziel ist letztendlich austauschbar. Wichtig ist weniger das Produkt als das Erlebnis, ihm aus einer Gruppe heraus etwas zu zurufen, das Gesehene zu umarmen, paradoxerweise meistens indem man sich von ihm abgrenzt.

Der Komiker und Erfinder von MST3K, Joel Hodgson, sammelt nun auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter Geld für die Wiederbelebung seiner Kultsendung. Zwei Millionen Dollar für drei Folgen waren das Ziel, am Wochenende waren schon 2,4 Millionen da. Wahrscheinlich kommt Hodgson am Ende sogar auf das Doppelte des geplanten Betrags, dann möchte er mehr Folgen produzieren. Dann hätte es ausgerechnet eigensinniges Trash-TV unter die 15 erfolgreichsten Kickstarter-Projekte geschafft. Vielleicht nicht "aller Zeiten", aber immerhin.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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