Crowdfunding-Erfolg:Millionen gegen Blocher

In den ersten Stunden hat das Schweizer Online-Magazin "Republik" schon viel mehr Geld eingesammelt als erhofft. Die Überzeugung der Macher: "Ohne Journalismus keine Demokratie". Sie wollen hart recherchieren, ohne Scheu vor den Mächtigen.

Von Charlotte Theile

Es ist ein Bild, das in diesen Tagen durch die Schweizer Medien geht: Zwei Männer, einer knapp unter, der andere deutlich über 40 Jahre alt, halten sich in den Armen, klopfen einander auf die Schultern, vereint in ungläubiger Freude. Beim Gespräch in ihrem Büro an der Zürcher Ausgehmeile Langstraße wird klar: Christof Moser und Constantin Seibt, zwei der profiliertesten Journalisten der Schweiz, beenden inzwischen sogar die Sätze des jeweils anderen. 30 Stunden zuvor haben die beiden den Startschuss für ein Crowdfunding gegeben, das schon jetzt die erfolgreichste Geldsammelaktion im Medienbereich sein dürfte. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe hatten Moser und Seibt für ihr Medien-Projekt Republik bereits 1,8 Millionen Schweizer Franken (etwa 1,65 Millionen Euro) eingesammelt.

"Republik" wirbt mit: "Ohne Journalismus keine Demokratie"

Mehr als 7000 Menschen haben das kurze Video, in dem die Macher von Republik vor Rechtspopulisten und langweiligen Medienhäusern warnen, zum Anlass genommen, dem Start-Up Geld zu spenden. Im Normalfall kostet das Magazin 240 Franken Jahresbeitrag, doch wer will, kann auch mehr oder weniger geben. Und auch wenn Republik den Unterstützern bisher nicht mehr geliefert hat als drei unterhaltsam geschriebene Newsletter, sind die Erwartungen riesig. Neu ist die Idee nicht. Die zehn Schweizer, die nun hinter Republik stehen, haben zahlreiche Vorbilder im Ausland: die deutschen Krautreporter, De Correspondent aus den Niederlanden, das Basler Projekt Die Tageswoche. Aus deren Fehlern habe man gelernt, glaubt Moser: "Wir sammeln, anders als Krautreporter, über eine eigene Homepage - und wir sind eine echte Redaktion, die jeden Tag zusammenkommt und diskutiert." Seibt, der vielen Schweizern als Reporter beim Tages-Anzeiger bekannt ist, ergänzt: "Nur ein Irrer wäre so arrogant zu glauben, dass er diese Aufgabe im Nebenjob erledigen kann." Diese Aufgabe - damit spielt Seibt auf den in der Tat riesigen Anspruch an, den Republik erfüllen will: "Ohne Journalismus keine Demokratie" steht auf den Baumwolltaschen, die die beiden verteilen. Als Konzept heißt das: volle Konzentration auf den Journalismus. Keine Werbung. Und, wenn immer möglich, "die ganze Geschichte erzählen". Die Themen, die Seibt für Republik-Texte vorschweben, sind selbstbewusst: Eurokrise, Energiewende, die Zukunft der Digitalisierung. Stets soll das Team von Zürich aus die eine, wichtige Geschichte erzählen, wenn nötig "ins Silicon Valley fliegen". Und natürlich: harte Recherche, ohne Scheu vor den Mächtigen.

In der Schweiz heißt das besonders: der Medienmacht von Christoph Blocher und seiner rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) etwas entgegensetzen. Auf www.republik.ch wird der SVP-Stratege ein halbes Dutzend Mal genannt - er ist der Gegenspieler von Moser, Seibt und Team. Ihr Crowdfundingerfolg zeigt: Auch viele wohlhabende Schweizer wünschen sich eine starke Gegenstimme. Seibt und Moser wollen diesen Vertrauensvorschuss nutzen, um vier Ausbildungsplätze anzubieten, weitere Stellen zu schaffen und ab 2018 als digitales Magazin zu erscheinen.

Für welche Zielgruppe die Redakteure der Republik schreiben? Seibt bleibt im Ungefähren: "Für Leser, die neugierig nach jedem Satz wissen wollen, wie es weitergeht." Ein bisschen Esoterik gehört zum Markenkern: Mindestens einmal im Monat sollten die Leser "ins Herz getroffen werden", findet Seibt, eher von klassischen Texten als von digitalem Storytelling oder Videos. Obwohl, sagt Moser, auch das sei verhandelbar. Und dann sprechen Seibt und er tatsächlich gleichzeitig: "Wenn es fetzt, machen wir es. Sonst machen wir es nicht."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: