Condé Nast:Im kleinen, treuen Kreis

Condé Nast hat in Deutschland nur selten Experimente gemacht - den hierzulande gescheiterten Titel "Vanity Fair" zog der Verlag ebenso schnell zurück wie er ihn gelauncht hatte. Diese Taktik scheint sich auszuzahlen. Aber bleibt es so? Die nächste US-Marke hat Herausgeber Moritz von Laffert schon im Visier.

Katharina Riehl

Als Moritz von Laffert noch Chef der Axel-Springer-Tochter Young Mediahouse war, brachte er im Herbst 2003 ein Magazin namens Jolie auf den Markt. Ein Heft für junge Frauen sollte es sein, insgesamt war es eine Zeit, in der die Verlage dort das größte Marktpotenzial vermuteten. Jolie sollte sich an Frauen richten, die "ihre Wünsche verwirklichen wollen", wurde Laffert in einem Branchenmagazin zitiert, - und nicht "glamourösen Träumen hinterherlaufen". Jolie sollte eine Alternative zur Glamour sein, hieß das. Glamour erscheint bis heute bei Condé Nast.

Gut acht Jahre später sitzt Moritz von Laffert, 43, in seinem Büro an der Münchner Karlstraße, draußen ist so etwas wie Winter, und drinnen gibt es Tee. An der Wand in seinem Rücken ist die publizistische Schlagkraft seines aktuellen Arbeitgebers zu sehen. Vogue, GQ, Myself, AD und Glamour natürlich, deutsche Ausgaben und internationale. Seit 1. Oktober 2009 ist Moritz von Laffert Herausgeber und Geschäftsführer von Condé Nast Deutschland - und seine erste Bilanz lautet so: Die Jahre 2010 und 2011 waren jeweils die wirtschaftlich erfolgreichsten Jahre in der Geschichte der 1978 gegründeten Verlagstochter.

Die deutsche Niederlassung fällt im Vergleich zu den anderen großen Magazinhäusern wie Gruner + Jahr und Burda vor allem durch wenige Experimente auf. In Hamburg und im Münchner Arabellapark dagegen wurde zuletzt eine Unzahl von Line Extensions (also Untermarken) und einmaligen Magazinversuchen (Freundin Donna, Alley Cat, Cover von Burda oder Gala Kids, Gala Men, Brigitte Mom, Nido, und zuletzt Couch von G + J ) erdacht und auf den Markt geworfen, und Springer etwa hat jene Jolie längst verkauft. Doch wenn bei Condé Nast Entscheidungen kommen, dann kommen sie schnell.

"Der unbedingte Wachstumswille hat da seine Grenzen, wo er nicht mehr glaubwürdig umgesetzt werden kann", sagt Moritz von Laffert. Line-Extensions gibt es bei Condé Nast durchaus, Vogue Business, GQ Style, GQ Uhren etwa, vergleichbar mit den Initiativen der anderen Verlage ist das aber kaum: Vogue Business liegt zweimal jährlich dem Mutterheft bei, das Uhren-Special erscheint einmal im Jahr.

"Unsere Marken sind uns heilig"

"Sicher", sagt Laffert, "könnte man unsere Marken noch sehr viel stärker strapazieren und in großem Stil Merchandising machen. Aber egal wie belastbar eine Marke wie zum Beispiel Vogue auch sein mag, das ist nicht unsere Philosophie - unsere Marken sind uns heilig." Da ist sicher was dran, auch wenn der Verlag etwa mit der Gutscheinaktion "Glamour-Shopping-Week" großen Erfolg hat. Und im Grunde hat Condé Nast natürlich einen anderen Weg, seine Marken zu belasten: Das Modemagazin Vogue etwa erscheint in 18 Ländern - von der Zugkraft des Mutterblatts lebt auch die deutsche Ausgabe.

Eine der, wenn nicht die stärkste Marke des im Jahr 1909 von Condé Monrose Nast in New York gegründeten und 1959 von Samuel Irving Newhouse gekauften Verlags heißt Vanity Fair. In den USA, auch in England, gilt das Heft als ernstzunehmendes und trotzdem elegantes Gesellschaftsmagazin, weshalb es 2007 für einige Aufregung sorgte, als der Verlag eine deutsche Ausgabe ankündigte. Wöchentlich erschien das Heft, Stern, Gala und Bunte wollte man angreifen - und es war auch eine Reaktion auf die Konkurrenz: G + J hatte mit Park Avenue bereits ein ähnliches Magazin auf den Markt gebracht. Am Ende wurde Vanity Fair vor allem mit Häme überschüttet und konnte trotz Schleuderpreis nicht Fuß fassen. 2009 wurde sie (ebenso wie Park Avenue) wieder eingestellt.

Wie gesagt: Condé Nast ist auch ein Verlag, der immer schnell reagiert hat. Die kurze Geschichte des Magazins fiel in die Zeit von Lafferts Vorgänger Bernd Runge, weshalb sich der aktuelle Herausgeber mit Analysen des Scheiterns zurückhält. Dass er es mit dem Titel wohl ein zweites Mal versuchen will, ist derweil schon eine Weile bekannt - dass man aus dem gescheiterten Erstversuch Schlüsse gezogen hat, darf angenommen werden. Laffert sagt: "Wenn man Vanity Fair heute noch einmal auf den deutschen Markt brächte, dann nur monatlich, in Deutschland ist das der erfolgversprechendste Rhythmus." Eile habe man aber keine, "uns sind die richtigen Rahmenbedingungen wichtiger als ein besonderer Zeitpunkt".

Internationaler Familienbetrieb

Aufstieg und Fall der Vanity Fair haben Condé Nast damals eine für den Verlag untypische Aufmerksamkeit beschert: Einblicke ins Geschäft hat die deutsche Niederlassung stets wenig gewährt, sichtbare Veränderungen gab es kaum. Der Verlag hält die Auflage seiner Luxus-Titel Vogue und GQ seit Jahren stabil (zuletzt 141.243 und 138.979 Stück), auch wenn weder Auflage noch Einfluss gerade der Vogue mit der amerikanischen oder französischen Ausgabe vergleichbar sind. Die beiden Markteinführungen Glamour (2001) und Myself (2005) haben sich mit zuletzt 439.586 beziehungsweise 264.077 verkauften Exemplaren im umkämpften Frauensegment etabliert.

Im von Condé Nast besetzten Luxussegment ist die deutsche Konkurrenz bislang weniger aktiv. Dass G + J nun Season (entwickelt von den ehemaligen Condé-Nast-Leuten Markus Schönmann und Bettina Wündrich) auf den Markt bringt, wurde gemeinhin als Versuch verstanden, Condé Nast Konkurrenz zu machen. Laffert sagt: "Mag sein, dass das ein Angriff auf unseren Titel Myself ist. Aber so etwas zeigt doch, dass unsere Branche aktiv ist, dass da Bewegung ist." Was man so sagt.

In welchen Bereich G + J mit Season einsteigen will, dürfte man in München trotzdem zur Kenntnis genommen haben. Myself ist kein Luxusheft wie Vogue, aber will etwas edler sein als G + J's Brigitte. "Auch Großverlage versuchen immer wieder im hochwertigen Segment Fuß zu fassen", sagt Laffert. "Die Frage ist, ob und wie man so ein Produkt in einem Konzern auch erfolgreich verwirklichen kann."

Was er damit meint, liegt nahe: Im Vergleich zu G + J ist die deutsche Niederlassung des weltweit agierenden Unternehmens (von mehreren Milliarden Dollar Umsatz in 25 Ländern ist die Rede) klein. Die Dépendancen werden von England aus von Condé Nast International und dessen Vorsitzenden Jonathan Newhouse verantwortet, arbeiten aber recht selbständig. Und: Die Mediengruppe Advance Publications, zu der Condé Nast gehört, wird bis heute von einer Familie geführt. In einem Konzern, so Laffert, müsse man "ganz andere Kompromisse machen als in einem Familienunternehmen wie unserem". Die großen Konzerne seien gerade in letzter Zeit primär kostenfokussiert gewesen. Ein internationaler Familienbetrieb? Als vor drei Jahren die Vanity Fair eingestellt wurde, flog immerhin Jonathan Newhouse persönlich nach Berlin, um der Redaktion die schlechte Nachricht zu überbringen.

Konsequente Vermarktung von Print und Online

Für einen so teuer produzierten Titel wie Vogue sieht Laffert seinen Verlag im Vorteil: "Es ist einfach schwer, in einem Konzern bestimmte Naturschutzgebiete zu definieren - das würde zwangsläufig bedeuten, dass für ein paar Chefredakteure andere Regeln gelten, als für den Rest. Das ist aber notwendig, wenn man hochwertige neben Mass-Market-Titeln erfolgreich machen will." Geld verdienen wollen natürlich auch Lafferts Verleger, den Massenmarkt muss er aber mit keinem seiner Titel bedienen. Die Leserschaft von Vogue oder GQ ist nicht sehr groß, aber wohl treu - das legen die Zahlen nahe. G + J zumindest lässt Season von einem externen Medienbüro umsetzen. Vorsichtshalber?

Das unter Lafferts Führung gestiegene Wachstum hat er nicht mit vielen neuen Titeln erreicht. Konvergenz, also die Verbindung von analogen und digitalen Medien, ist ein Begriff, mit dem Verlagsmanager gerne hantieren. Tatsächlich ist Condé Nast hier aber konsequent gewesen - die Vermarktung von Print und Digital wurde integriert. Heißt: Die Marketingteams sind jetzt für die Werbeverkäufe auf Vogue.de genauso verantwortlich wie für die in der Vogue. Laffert spricht von rund 70 Prozent plus bei den Online-Umsätzen. Jonathan Newhouse hat ihn gerade mit einer Berufung zum Vize-Präsidenten von Condé Nast International belohnt.

In diesem Jahr will Laffert es wieder mit einer US-Marke auf dem deutschen Markt versuchen: Wired, das intellektuelle Magazin zu Netz und Kultur, wird (nach einem vorsichtigen Probelauf im Herbst) 2012 zunächst zweimal erscheinen. Es ist eine neue Entwicklung, dass sich Condé Nast mit einem Titel so vorsichtig auf den Markt tastet. Als Myself 2005 herauskam, waren die Zeiten für den Medienmarkt sicher nicht rosiger. Trotzdem hat man mit aller Konsequenz an den Titel geglaubt.

Laffert will mit der deutschen Wired sein Portfolio um einen Männertitel erweitern. Eine Reaktion dürfte das wohl auch sein. Allein der Hamburger Konkurrent G + J hat mit Beef, Business Punk und Gala Men ihren männlichen Vordenkern unlängst gleich drei neue Titel an den Kiosk gelegt.

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