Christian Wulff und die "Bild"-Zeitung:Am Ende zählt die Story

"Adrett, erfolgreich, skandalfrei" - so bejubelte die "Bild"-Zeitung einst Christian Wulff. Nach dem Anruf des Bundespräsidenten bei "Bild"-Chefredakteur Diekmann ist es mit den Lobhudeleien vorbei. Das Ende einer Beziehung, die so harmonisch begann.

Als Christian Wulff noch CDU-Chef in Niedersachsen war und 2003 die Landtagswahlen gegen SPD-Kandidat Sigmar Gabriel gewinnt, stärkt Bild ihm den Rücken: "Der Wahlsieger kommt! Ein lachender Christian Wulff lässt sich von seinen Parteifreunden feiern", formuliert das Blatt am Tag nach dem Wahlsieg - und beginnt von da an, den CDU-Politiker hochzuschreiben. 2005 lässt ihn das Boulevard-Blatt sogar zum "beliebtesten Politiker" Deutschlands avancieren, beschreibt ihn als "adrett, erfolgreich, skandalfrei".

Christian und Bettina Wulff

Christian und Bettina Wulff (bei einem Besuch im Dezember 2011 in Oman) wurden in den vergangenen Jahren von Bild hofiert - er als tadelloser Politiker, sie als Stil-Ikone.

(Foto: dpa)

Aber nicht nur dem Politiker, auch dem Privatmann Wulff gehört die Gunst des Springer-Blattes. Die Trennung von seiner ersten Ehefrau hätte im Juni 2006 zum gefundenen Fressen für die Bild werden können - sie hätte den konservativen Landespolitiker mit unangenehmen moralischen Fragen konfrontieren können. Sie tut es aber nicht.

Stattdessen bezieht die Zeitung eindeutig Position: "So besonnen wie in der Politik, so besonnen trifft Christian Wulff auch privat seine Entscheidungen." Eines ist da längst klar: Mit der Bild hat der heutige Bundespräsident damals einen klaren, mächtigen Fürsprecher. Als mit Bettina Körner eine neue Frau an seiner Seite auftaucht, legt Bild nach: "Der bisher tadellose Wulff wird durch diese Trennung sogar ein wenig menschlicher. Und jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient." Keine Spur von moralischen Versäumnissen also.

Im Dezember 2007 veröffentlicht Bild die nächste Neuigkeit: Christian Wulff und seine Lebensgefährtin erwarten ein Kind und werden heiraten. "Eine Liebe wie aus dem Roman" attestiert das Blatt dem Paar, nachdem sie Anfang des Jahres schon gelobhudelt hatte: "Regierungschef, Vater, Geliebter und Noch-Ehemann - wie kriegt Christian Wulff das bloß so prima hin?"

Abgesehen von diesen einschneidenden Ereignissen publiziert Bild diverse Home-Stories, besucht unter anderem Wulffs "schneeweiße Jugendstilvilla", wohnt 2008 der Wulff'schen "Traumhochzeit im Märchenschloss" bei. Auch Bettina Wulff gehört zu dem Zeitpunkt schon die Gunst des Boulevard-Blattes, das die Politikergattin zur "Stil-Ikone" erklärt.

Gut drei Jahre später ist alles anders. Rund um den Jahreswechsel erlebt die Beziehung zwischen Wulff und Bild den "endgültigen Bruch", wie es der Bundespräsident auf Diekmanns Mailbox formuliert. Was die Zeitung zu dem Kursschwenk gegenüber Wulff bewog, "diese unglaubliche Geschichte" zu veröffentlichen, ist unklar. Überwiegt am Ende eben doch der Nachrichtenwert einer Story das gute persönliche Verhältnis zu öffentlichen Persönlichkeiten?

Die Reaktion von Bild auf die Berichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung der vergangenen Tage ist ungewöhnlich zurückhaltend. In einem Artikel "In eigener Sache" bestätigt Kai Diekmann den empörten Anruf des Bundespräsidenten, aber auch eine darauffolgende Entschuldigung. Daher sehe man davon ab, "eigens über den Vorfall zu berichten", heißt es weiter. Indirekt trägt Bild dennoch zur Wulffs wohl schwerster politischer Krise bei.

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