Cartoon-Serie "Burka Avenger":Teenage Burka Ninja Turtle

Pakistanische Cartoon-Serie "Burka Avenger"

Die Cartoon-Serie "Burka Avenger" ist am Sonntag auf dem pakistanischen TV-Sender Geo Tez angelaufen.

(Foto: Unicorn Black)

Mit Büchern und Füllern gegen das Böse. In der pakistanischen Cartoon-Serie "Burka Avenger" kämpft eine Lehrerin gegen korrupte Politiker und die Taliban. Die Sendung will ein positives und starkes Frauenbild vermitteln. Doch warum steckt die Heldin dann ausgerechnet in einer Burka?

Von Johannes Spengler

"Die Feder ist mächtiger als das Schwert": Das sagte die 16-jährige Aktivistin Malala Yousafzai, als sie im Juli vor den Vereinten Nationen sprach. Wahrscheinlich hat sie das metaphorisch gemeint.

Die Cartoon-Serie Burka Avenger, die am Sonntag im pakistanischen Sender Geo Tez gestartet ist, nimmt diesen Satz allerdings wörtlich. Darin kämpft die Lehrerin Jiya, unkenntlich gemacht durch eine Burka, gegen korrupte Politiker und Taliban - indem sie mit Büchern und Füllern wirft.

Die Hintergrundgeschichte: Das Waisenkind Jiya wird von ihrem Adoptivvater in der ungewöhnlichen Kampftechnik unterrichtet. Eine Kraft, die sie einsetzt, um die Schule des fiktiven Örtchens Halwapur zu verteidigen. Zum Beispiel gegen den Bösewicht Bandook, der davor steht und brüllt: "Welchen Zweck hat Bildung für Frauen? Sie sollten zu Hause bleiben und waschen, schrubben, sauber machen, in der Küche arbeiten."

Für eine Kindersendung ist die Handlung sehr nah an der Realität, wirft sie doch ein Schlaglicht auf den Alltag in Pakistan, wo die Taliban allein im letzten Jahr 3600 Angriffe auf Schulen durchgeführt haben. Yousafzai hat bei einem Attentat beinahe ihr Leben verloren, weil sie für das Recht auf Bildung kämpfte. Und Burka Avenger, das ist Yousafzai als Cartoon-Figur. Selbst wenn der Erfinder der Serie, Popstar Aaron Haroon Rashid, die Ähnlichkeit bestreitet und darauf hinweist, dass die Sendung bereits vor dem Attentat in Planung gewesen sei.

Soziales Gewissen für das pakistanische Fernsehen

Trotzdem geht es beiden, der Aktivistin und der fiktiven Figur, um den Kampf für Bildungsfreiheit in einem Land, in dem diese ernsthaft in Gefahr ist. Burka Avenger ist als Bildungssendung konzipiert, wie Haroon gegenüber Associated Press erklärt: "Jede einzelne unserer Episoden basiert auf einer Moral, die den Kindern vermittelt werden soll. Diese ist jedoch eingebettet in pure Unterhaltung, Humor, Action und Abenteuer."

Problematisch ist daran eigentlich erst mal nichts. Moralische Erziehung im TV gibt es auch bei Serien wie den Simpsons oder Southpark. Doch eine Sendung, die sich einen Bildungsauftrag auf die Fahnen geschrieben hat, muss sich auch an ihrer Vorbildfunktion messen lassen. Und ein Vorbild wird genau dann zum Problem, wenn es eine Burka trägt - so jedenfalls die Reaktionen auf die Erstausstrahlung der Sendung. Die ehemalige pakistanische Botschafterin in den USA Sherry Rehman beispielweise twittert, dass eine Dupatta (ein langer Schleier) wahrscheinlich auch gereicht hätte.

Burka Avenger statt Wonder Woman

Kritischer zeigt sich die Schriftstellerin und Journalistin Bina Shah. Die Burka sei ein Werkzeug der Unterdrückung, schreibt sie in ihrem Blog und fragt: "Ist es richtig, die Burka 'cool' aussehen zu lassen und Mädchen das Bild zu vermitteln, dass sie durch die Burka Macht bekommen, anstatt sie zu verlieren?"

Dass die Burka allerdings nicht immer für Machtlosigkeit stehen muss, beweisen die Ninja Turtles. Gemeint ist damit nicht die Zeichentrickserie, die von verstrahlten Schildkröten handelt, Ninja Turtle, so werden in Pakistan Frauen genannt, die im Schutz der Burka kleine Verbrechen begehen - zu schnell Autofahren zum Beispiel oder Ladendiebstahl. Diese Frauen passen sich dem System an und gewinnen dadurch die moralische Oberhand. Ihre Burka wird so zu einer Art Schutzschild.

Radikalkur Wonder Woman

Die Hauptdarstellerin von Burka Avenger ist so ein Ninja Turtle. Wenn die Lehrerin Jiya sich verschleiert, dann schützt sie damit ihre Identität - den schwächsten Punkt jedes Superhelden. Batman oder Spiderman mögen unbesiegbar sein, doch wenn Bruce Wayne geschlagen ist, stirbt auch Batman und wenn Peter Parker wieder Liebeskummer hat, ist auch auf Spider-Man kein Verlass mehr.

Superkräfte sind sicherlich hilfreich, zum Helden werden all diese Figuren aber erst durch ihr Kostüm. So auch die Bücher werfende Jiya alias Burka Avenger. Dass es ausgerechnet ein Symbol der Unterdrückung ist, das hier für die Emanzipation herhalten muss, ist interessant, irgendwie schräg und gleichzeitig naheliegend. "Die Burka wird in der Sendung nicht als Zeichen der Unterdrückung dargestellt", beschwichtigt Haroon. "Da sie eine Frau ist, hätten wir sie als Catwoman oder Wonder Woman verkleiden können, aber in Pakistan hätte das wahrscheinlich nicht funktioniert."

Haroons Argument ist sowohl ausweichend als auch ehrlich. Ausweichend, weil es noch lange nicht erklärt, warum Jiya eine Burka trägt und nicht irgendein anderes Superheldenkostüm. Ehrlich, weil es die soziale Realität des Landes anerkennt. Catwoman und Wonder Woman auf Pakistan loszulassen, das wäre zwar die feministische Radikalkur. Ob es jedoch zu mehr als einer Abwehrreaktion führen würde, ist fraglich.

Bleibender Fortschritt, das ist die Aussage von Burka Avenger, lässt sich nur dann erreichen, wenn die Grenzen des Systems Schritt für Schritt ausgeweitet werden. Ebenso wie es Yusafzai macht, indem sie wieder zur Schule geht, oder die Ninja Turtles, die das Kleidungsstück als Schutz benutzen. So seltsam es klingen mag: Vielleicht muss man sich in Pakistan eine Burka anziehen, um für die Freiheit zu kämpfen.

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