Carsten Maschmeyer:"Ich optimiere für mein Leben gern"

Herr Maschmeyer 2016

"Was in der Sendung passiert, ist völlig authentisch": Juror Carsten Maschmeyer in Die Höhle der Löwen.

(Foto: Vox)

Der frühere Finanzmakler hat sehr viel Geld mit einem sehr umstrittenen Geschäftsmodell gemacht. Nun berät er bei Vox junge Firmengründer - nicht ohne Eigennutz.

Interview von David Denk

Carsten Maschmeyer hat sich Notizen gemacht und bittet um Entschuldigung, falls er während des Gesprächs auf den Zettel schauen sollte. München, Maximilianstraße: Der Gründer des Finanzdienstleisters Allgemeiner Wirtschaftsdienst (AWD), heutige Investor und Ehemann von Schauspielerin Veronica Ferres empfängt in der Dependance seiner Maschmeyer Group. Reich geworden ist der 57-Jährige mit der Vermittlung umstrittener Finanzprodukte. Entsprechend sitzt die Kritik an Maschmeyers früherem Geschäftsgebaren mit am Tisch - auch wenn es vorrangig um die Vox-Show Die Höhle der Löwen gehen soll. Darin bewerben sich Gründer um Kapital bei gestandenen Unternehmern, indem sie ihre Geschäftsidee präsentieren, neudeutsch: pitchen. Neben Judith Williams (Teleshopping), Jochen Schweizer (Erlebnisgutscheine) und Frank Thelen (Digitales) sitzt Maschmeyer neu in der Jury, die eigenes Geld investiert, genau wie Ralf Dümmel (Konsumgütervertrieb).

SZ: Herr Maschmeyer, wie haben die anderen Alphatiere Sie aufgenommen?

Carsten Maschmeyer: Sehr gut. Allerdings habe ich meine Kollegen gar nicht als Alphatiere wahrgenommen. Man hat mich und den anderen neuen Kollegen nicht spüren lassen, dass wir die Neuen sind; es gab kein Gegeneinander. Für große Revier-Rangeleien war auch keine Zeit, weil der erste Pitch gleich aufgezeichnet wurde.

Aber Sie sind doch Konkurrenten.

Teilweise. Was zum Beispiel für Judith Williams ein lohnendes Investment ist, kann für mich total uninteressant sein, weil ich mich in der Branche nicht auskenne, die Konditionen für mich nicht stimmig sind oder ich im Gegensatz zu ihr von der Geschäftsidee nicht ausreichend überzeugt bin. Aber Sie haben schon auch recht: Wenn zwei oder mehr Löwen investieren wollen, kippt der Pitch: Dann müssen nicht mehr die Gründer uns von ihrer Idee überzeugen, sondern wir sie. Das ist anspruchsvoll - wenn wir alle das gleiche Geld bieten, müssen wir mit unseren verschiedenen Unterstützungshilfen werben, um die Gründer ins Boot zu holen.

Mussten Sie sich speziell vorbereiten?

Nein. Ich mache das nur, weil ich überhaupt nicht in eine Rolle schlüpfen muss. Ich habe nicht die Fähigkeiten meiner Frau, die sich in andere Charaktere völlig hineinversetzen und sechs Wochen zwei Leben parallel führen kann. Es ist schlicht meine normale Investorentätigkeit, zehn bis 15 Gründerteams die Woche zu sehen, die richtigen Fragen zu stellen und die Geschäftsidee sowie die Personen dahinter auf ihr Potenzial hin zu beurteilen. Und da kamen nun eben noch die etwa 80 Kandidaten aus der Höhle der Löwen hinzu. Es ist ein Reality-Format - auch wenn die Pitches fernsehgerecht zusammengeschnitten wurden. Natürlich ist es ungewohnt, wenn unabgestimmt jeder Löwe seine eigenen Fragen stellt, aber was in der Sendung passiert, ist völlig authentisch. Deswegen brauchte ich keine Vorbereitung.

Und die Kameras?

Kameraangst habe ich glücklicherweise nicht. Als CEO eines MDAX-Unternehmens war ich häufig Gast im Fernsehen - Börse vor acht, n-tv, Bloomberg. Aber die Höhle wurde für mich zur Hölle, als wir den Trailer gedreht haben. Das gilt als der leichteste Drehtag, aber für mich war es der schwierigste. Diese Kommandos: Fuß mehr nach links, ein bisschen mehr nach rechts gucken, die Hand höher. Ich habe mich noch nie stundenlang für nur 30 Sekunden so anstrengen müssen.

Warum investieren Sie in Start-ups?

Es war noch nie so schwer, Geld anzulegen. Wir leben in einer Welt der Zinslosigkeit. Und jetzt in weitere Immobilien zu investieren ist mir mittlerweile zu teuer. Also muss man sich um andere Anlagearten kümmern. Und Geld kann besonders gut wachsen in Wachstumsunternehmen. Wir haben gute Wertsteigerungen erzielt. In der Zusammenarbeit mit Gründern habe ich gemerkt, dass es mir außerdem unheimlich Spaß macht, ihnen Abkürzungen zum Erfolg zu zeigen oder sie vor unnötigen Rückschlägen zu bewahren. In Phasen des Zweifels muss man sie mit Optimismus und Mut versorgen. Jeder hat meine Handynummer. Ich optimiere für mein Leben gern. Wenn ich einen Tag mit Gründern zusammen war, bin ich abends nicht erschöpft, sondern glücklich.

Wie viel Ihres Geldes steckt in Start-ups?

Mehr als 100 Millionen Euro eigenes Geld. Und wir haben ein ganz gutes Händchen: Einige haben sich im Wert schon mehr als verzehnfacht. Zwei Beispiele: Bei der Limousinenservice-Plattform Blacklane sind wir bei einer Bewertung von 7,3 Millionen Euro eingestiegen, heute beträgt der Wert weit über 100 Millionen. Beim Fintech-Unternehmen barzahlen.de haben wir uns bei einer Bewertung von 3,5 Millionen beteiligt, aktuell wird die Firma auf 50 Millionen Euro geschätzt.

Wie viele Flops waren dabei?

In der Venture-Branche rechnet man damit, dass nur eines von zehn Start-ups erfolgreich wird - wir liegen bei über 50 Prozent. Und sind stolz darauf, dass besonders die großen Investments erfolgreich laufen.

Warum nun der Schritt ins Fernsehen?

Erstens will ich öffentlichkeitswirksam etwas für die in Deutschland vergleichsweise schwache Gründerszene tun, in der Hoffnung, dass es den einen oder anderen Zuschauer zu einer Gründung inspiriert. Und zweitens - das sage ich ganz offen - komme ich in der Höhle der Löwen früher und günstiger an gute Ideen. Waren die Gründer erst mal in der Sendung, kann ihre Firma plötzlich nicht mehr zwei, sondern zehn Millionen wert sein. Früher dachte ich, nur die Höhe der Investitionssumme rechtfertigt die intensive Betreuung der Firma; mittlerweile habe ich erkannt, dass frühphasige Investments auch ihren Reiz haben, wegen des Hebels, der oft immensen Wertsteigerungen. Dafür habe ich eine eigene Firma gegründet, Seed and Speed.

Welche Rolle spielt die öffentlichkeitswirksame Optimierung Ihres Images?

Ich glaube, dass die Teilnahme an einer Fernsehsendung alleine noch nichts bewegt - entscheidend ist, wie man sich einbringt: Wie respektvoll geht Maschmeyer mit den Gründern um? Was für Fragen stellt er? Lässt er sich dumme Ideen andrehen oder sucht er die richtigen aus? Das ist die Perspektive der Zuschauer. Und die Gründer werden mich am Erfolg messen, den sie dank meiner Unterstützung hoffentlich haben werden. Ich habe von vielen Menschen, mit denen ich öfter zu tun habe, gehört, dass sie es gut finden, wenn die Zuschauer jetzt auch die Möglichkeit haben, mich mal live so zu sehen, wie mich bisher nur mein direktes Umfeld erlebt hat, nämlich empathisch und verlässlich.

Nach der massiven Kritik in Sachen AWD haben Sie gesagt, dass Promis anders als Normalbürger "schuldig bis zum Beweis des Gegenteils" seien. Fühlen Sie sich noch in "medialer Untersuchungshaft"?

Der einstige Prominentenbonus hat sich in einen Malus verkehrt, weil sich keine Behörde, keine Zeitung den Vorwurf anhören möchte, jemanden aufgrund seines Status geschont zu haben. Es ist vom Grundsatz her natürlich völlig richtig, dass alle gleich behandelt werden. Aber daraus resultiert jetzt teilweise eine Schlechterbehandlung, wie ich in meinem Freundeskreis, bei DAX-Konzernchefs, Unternehmern und Politikern, beobachte. Bei mir kommt sicher noch dazu, dass die Finanzbranche durch die Banken- und Finanzkrise so kritisch gesehen wird wie nie zuvor - ein Sektor, den ich aber schon vor neun Jahren verlassen habe, vor dem Crash.

Schwein gehabt, könnte man sagen.

Für die spätere Sauerei bin ich nicht zuständig.

War das Zufall oder Ihr guter Riecher?

Mein Ausstieg hatte zwei Gründe: Zum einen gab es die klare Lebensplanung, dass ich um meinen 50. Geburtstag herum eine Veränderung anstrebe, und zum anderen hat sich angedeutet, dass sich der Wind in der Finanzbranche drehen würde. Es wurde Zeit für Vermögensdiversifikation, in Immobilien, Gold, Aktien und lukrative, zukunftsträchtige Start-ups.

Dass Sie sich als Empathiker darstellen, ist schwer in Einklang zu bringen mit dem hemdsärmeligen AWD-Einpeitscher-Maschmeyer. Ist das ein Sinnes- oder nur ein Imagewandel?

Ich stehe dazu: Meine Stärke ist das Einfühlungsvermögen. Damals war ich jung, habe ein paar Sprüche rausgehauen. Das war eine ganz andere Zeit, vieles hat sich geändert, und ich habe mich auch weiterentwickelt. Ich lebe wie die Amerikaner mutig nach vorne und versuche, mit der Zeit zu gehen, mich verschiedenen Phasen und Situationen anzupassen. Das konnte ich immer gut. Und jetzt bin ich eben nicht mehr der CEO, der Tausende Mitarbeiter mitreißen, motivieren muss, sondern der Mentor, der Coach Carsten Maschmeyer.

Noch mal zurück zur Höhle der Löwen: Stimmt es wirklich, dass Sie auch schon die ersten zwei Staffeln verfolgt haben?

Ja, ich habe einige Sendungen gesehen. Bei Seed and Speed haben wir regelrechte Sichtungsdienste eingeteilt, um Trends ausfindig zu machen. Wir haben uns manchmal auch an Firmen aus der Höhle der Löwen gewandt und gefragt: Sucht ihr noch weitere Investoren? Oder: Ihr habt keinen gefunden - wollen wir reden?

Dabei sehen Sie nicht viel fern, oder?

Das stimmt. Meine Leidenschaft sind Sportsendungen, für Krimis, Filme, Serien habe ich oft nicht genug Zeit. Ich leiste natürlich manchmal meiner Frau Gesellschaft. Als das Angebot für Die Höhle der Löwen kam, war sie zunächst skeptisch, ob ich in einem Unterhaltungsformat gut aufgehoben bin. Nachdem wir aber dann einige Folgen zusammen geschaut haben, war sie voller Überzeugung: Das musst du machen. Das bist du. Damit war die Entscheidung gefallen.

Die Höhle der Löwen, Vox, 20.15 Uhr

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