Britischer Abhörskandal:Verleger unter Druck

File photo of News Corporation CEO Rupert Murdoch leaving his flat with Rebekah Brooks, then Chief Executive of News International,  in central London

Juli 2011: Rupert Murdoch mit Rebekah Brooks. Seither ist viel passiert, überstanden ist der Abhörskandal noch nicht.

(Foto: Olivia Harris/Reuters)

Mit dem Freispruch für Rebekah Brooks und dem Schuldspruch gegen Andy Coulson ist die britische Abhöraffäre für Rupert Murdoch noch nicht ausgestanden. Auch sein Unternehmen könnte nun vor Gericht landen. An Einfluss hat der Medienmogul bislang jedoch kaum verloren.

Von Christian Zaschke, London

Als das wahre Ausmaß der britischen Abhöraffäre im Jahr 2011 durch Recherchen des Guardian ans Licht kam, eilte der Medienunternehmer Rupert Murdoch nach London. Mitarbeiter seiner Zeitung News of the World (NotW) hatten augenscheinlich jahrelang die Telefone von Prominenten, Politikern sowie von Verbrechensopfern gehackt. Was jetzt seine höchste Priorität sei, wurde Murdoch gefragt. Er zeigte auf die neben ihm stehende Rebekah Brooks. "Diese hier", sagte er.

Murdoch könnte nun also sehr zufrieden sein, denn seine Lieblingsmitarbeiterin ist in dieser Woche am Ende eines acht Monate währenden Gerichtsverfahrens freigesprochen worden. Brooks war von 2000 bis 2003 Chefredakteurin der NotW, anschließend wechselte sie zum Schwesterblatt Sun. 2009 stieg sie an die Spitze des Unternehmens News International auf, das für die britischen Zeitungen Murdochs zuständig ist. Auf der Insel gehören ihm noch die Times und die Sunday Times.

Brooks steht vor Neuanfang

Als 2011 klar wurde, dass Mitarbeiter der NotW 2002 das Telefon eines entführten Schulmädchens gehackt hatten, das später ermordet aufgefunden wurde, musste Brooks ihren Posten räumen. Nun steht sie möglicherweise vor einem Neuanfang in Murdochs Konzern. Die Jury im Londoner Strafgericht Old Bailey befand, es gebe keine ausreichenden Beweise dafür, dass Brooks vom illegalen Abhören von Telefonen etwas gewusst habe. Fünf weitere Angeklagte, darunter Brooks' Ehemann und ihre frühere Assistentin, wurden ebenfalls freigesprochen.

Dass Rupert Murdoch vermutlich im Moment trotz des Freispruchs für Brooks nicht allzu glücklich ist, hat mehrere Gründe. Andy Coulson, von 2003 bis 2007 Chef der NotW, wurde der "Verschwörung zum Hacken von Telefonen" für schuldig befunden. Das Strafmaß wird in der kommenden Woche verkündet. Murdochs Times versuchte, die Bedeutung des Urteils herunterzuspielen, indem sie schrieb, das Verfahren habe 100 Millionen Pfund gekostet und gerade mal eine Verurteilung gebracht. Das ist aber mindestens ungenau.

Das Verfahren hat die britischen Steuerzahler laut mehrerer Quellen 22,2 Millionen Pfund gekostet. Auf die enorme Summe von 100 Millionen Pfund kommt man nur, wenn man die Kosten für das Heer von Anwälten einrechnet, das Murdoch aufgefahren hat. Gerichtsreporter am Old Bailey sagen, sie hätten noch nie eine solche Menge von teuren Spitzenanwälten in einem Verfahren gesehen.

Ungenaue Hinweise

Der Guardian-Reporter Nick Davies, der den Skandal zu maßgeblichen Teilen aufgedeckt und den Prozess acht Monate lang verfolgt hat, beschrieb den täglichen Aufmarsch der Anwälte als "millionenschweren Rolls-Royce". Er wies darauf hin, dass Staatsanwalt Andrew Edis weniger als ein Zehntel der Tagessätze eines jeden der Verteidiger verdiene. "Murdoch flutete den Gerichtssaal mit Geld", schrieb Davies.

Der Hinweis der Times, es habe nur eine Verurteilung gegeben, ist ebenfalls ungenau. Zwar ist jetzt in der Tat lediglich Andy Coulson verurteilt worden, es hatten sich jedoch noch vor Prozessbeginn drei NotW-Reporter und der Privatdetektiv Glenn Mulcaire des Hackens oder der Mitwisserschaft für schuldig bekannt. Wie in Coulsons Fall wird das Strafmaß in der kommenden Woche verkündet.

Sicherstellung von Murdochs Emails

Mulcaire ist eine interessante Figur in der Affäre. Er hatte sich aufs Hacken spezialisiert. Zwischen 2001 und 2006 erhielt er von NotW-Leuten rund 5600 Aufträge, Anrufbeantworter von Telefonen abzuhören. Dafür wurde er gut bezahlt, er verdiente mehr als die meisten Reporter. Dennoch sagten sowohl Brooks als auch Coulson, sie hätten den Namen des Detektivs nie gehört, bis dieser 2006 erstmals wegen des illegalen Hackens festgenommen wurde.

Die Verurteilung Coulsons könnte dazu führen, dass nun auch Murdochs britisches Zeitungsunternehmen vor Gericht muss. Zwar wurde News International in aller Stille in News UK umbenannt, aber das bedeutet nicht, dass die Firma nicht verantwortlich wäre. Scotland Yard hat angekündigt, Murdoch vernehmen zu wollen. Zudem hat das FBI in New York Zehntausende E-Mails von Murdochs News Corp sichergestellt. Diese waren im Prozess nicht benutzt worden und werden noch ausgewertet. Die Angelegenheit ist für Murdoch also längst nicht ausgestanden.

Eine weitergehende Frage ist, ob der Skandal grundsätzlich etwas am Wesen der britischen Presse geändert hat. Premierminister David Cameron hatte 2011 auf dem Höhepunkt der Affäre eine richterliche Untersuchung der Praktiken der Presse angeordnet, die sogenannte Leveson-Untersuchung, benannt nach dem vorsitzenden Richter Brian Leveson.

Skrupellose Informationsbeschaffung

Diese Untersuchung hatte in monatelangen Anhörungen und Zeugenvernehmungen gezeigt, wie skrupellos sich britische Boulevardzeitungen im Allgemeinen und Murdochs Blätter im Besonderen Informationen verschafften, wie sie übergroße Nähe zu Politikern herstellten und offene Hetze betrieben. Murdoch selbst sagte aus, Premierminister Cameron, unzählige Prominente sowie viele Menschen, über deren Leben die NotW hergefallen war, weil es eine schnelle Story abwarf. Am Ende empfahl Richter Leveson eine milde Form der Presseregulierung, um der schlimmsten Auswüchse im Fall des Falles Herr werden zu können. Das wurde von der Boulevardpresse durchweg in schärfsten Worten abgelehnt. Die Politik wiederum will sich nicht den Zorn der Medien zuziehen und setzt Levesons Vorschläge einstweilen nicht um.

Murdoch hat die profitable Sonntagszeitung NotW 2011 eingestellt, um öffentlich Reue zu zeigen, mittlerweile gibt es aber längst Ersatz: Die seit 2012 erscheinende Sun on Sunday verkauft jede Woche knapp zwei Millionen Exemplare. 718 Opfern des Hackens hat sein Konzern eine Entschädigung gezahlt, doch nachdem jetzt bekannt ist, dass der Detektiv Mulcaire 5600 Abhör-Aufträge erhalten hatte, könnten noch einige substanzielle Forderungen auf Murdoch zukommen.

An politischem Einfluss hat Murdoch eher nicht verloren. Zwar zeigt sich hierzulande kaum ein wichtiger Politiker öffentlich mit ihm, doch als die Sun zu Beginn der Fußball-WM eine kostenlose Sonderausgabe herausbrachte, wollten sowohl Premier Cameron wie auch Oppositionschef Ed Miliband die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen: Freundlich lächelnd ließen sie sich mit einem frisch gedruckten Exemplar fotografieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: