Britische Boulevardmedien:Alles auf Anfang

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Rupert Murdochs Blätter loben Theresa Mays Vorhaben. (Foto: AFP)

Sechs Jahre nach dem Abhörskandal und der Einstellung von "News of the World" wollen die Tories die Medienaufsicht jetzt wieder beschränken.

Von Alexander Menden

Ein flüchtiger Beobachter hätte am Freitagmorgen den Eindruck gewinnen können, die Titelseite der Daily Mail sei von den Tories als Wahlwerbefläche angemietet worden: "Endlich eine Premierministerin, die keine Angst hat, euch die Wahrheit zu sagen", lautete die Schlagzeile. Im Text freute sich der Autor, dass Theresa May mit ihrem Wahlprogramm "die Bedürfnisse normaler Arbeitnehmerfamilien ins Zentrum eines pragmatischen Plans" gestellt habe, die Lebensumstände von "Mainstream Britain" zu verbessern. Der Autor war aber nicht etwa ein Wahlkampfmanager der Premierministerin, sondern Jason Groves, Politikchef der Daily Mail .

Nun sind Zeitungen wie die Mail oder die Sun Theresa May ohnehin sehr gewogen, da sie offenkundig jenen "harten" Brexit ansteuert, auf den diese Publikationen konsequent dringen. Spätestens seit der Veröffentlichung des konservativen Wahlprogramms am vergangenen Donnerstag haben Sun-Herausgeber Rupert Murdoch und Mail-Chefredakteur Paul Dacre aber noch einen Grund mehr, auf einen Sieg Theresa Mays bei den britischen Wahlen hinzuarbeiten: Die Tories wollen alle Fortschritte wieder kassieren, die seit dem Abhörskandal 2011 in der britischen Presseregulierung gemacht worden sind.

Die Boulevard-Methoden wurden mühsam aufgearbeitet

Wörtlich verspricht das Wahlprogramm, "nicht mit dem zweiten Teil der Leveson-Untersuchung der Kultur, Praktiken und Ethik der Presse fortzufahren". Zudem soll Absatz 40 des "Crime and Courts Act 2014" gestrichen werden. Dieser würde bei seinem Inkrafttreten "Medienorganisationen zwingen, Teil eines mangelhaften Regulierungssystems zu werden, oder andernfalls bei Verleumdungsklagen und Beschwerden wegen der Verletzung der Privatsphäre die Prozesskosten beider Parteien zu tragen, selbst wenn sie den Prozess gewinnen".

Dieser Abschnitt entspricht verblüffend exakt der Kritik der britischen Boulevardzeitungen an den Vorschlägen des Richters Brian Leveson zur Presseregulierung. Die nach ihm benannte Untersuchung hatte 2011 Monate lang Zeugen, Sachverständige und Opfer von Abhöraktionen der britischen Presse vernommen. Dabei war klar geworden, in welchem Ausmaß die Boulevardblätter, vor allem jene aus dem Hause Murdoch, sich durch höchst fragwürdige Methoden Informationen verschafft, Politiker beeinflusst und Hetzkampagnen orchestriert hatten.

Nach dem Abschluss der ersten Untersuchung hatte Lord Leveson eine eher zahme Form einer unabhängigen Presseregulierung angeregt, um den schlimmsten Exzessen begegnen zu können. Zudem sollte der bereits erwähnte Absatz 40 des Crime and Courts Act Bürgern, unabhängig von deren finanziellen Möglichkeiten, Zugang zu juristischem Beistand in Presserechtsfällen erleichtern. Doch der Artikel hat noch keine Gesetzeskraft - und wird diese wohl nie erlangen. Auch der zweite Teil der Leveson-Untersuchung, in der die Abhörmethoden der von Murdoch 2011 eingestellten News of the World und Fehler bei deren polizeilicher Aufklärung beleuchtet werden sollten, wird nun nie stattfinden. Da sich die neue "Independent Press Standards Organisation" als zahnlos erwiesen hat, wäre nach einem Wahlsieg Mays also alles beim Alten.

Hacked Off, die Interessenvereinigung von Abhöropfern, die sich für mehr Rechenschaftspflicht der Presse einsetzt, hat das Wahlversprechen scharf kritisiert: Es stelle einen "umfassenden Verrat an den Opfern von Presse-Übergriffen und an jener Öffentlichkeit dar, welche die Premierministerin zu vertreten behauptet". Die Sun feiert es als "Ende der Hexenjagd auf die Medien".

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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