BR Klassik:Hörerwanderung

Es gibt politische Gründe, aber auch technische, aus denen der Frequenztausch dem Bayerischen Rundfunk nicht mehr wichtig war. Die Situation des Digitalradios in Bayern hat sich zuletzt stark verändert - wie lange bleibt UKW noch der wichtigste Verbreitungsweg?

Von Stefan Fischer

Als der Bayerische Rundfunk vor vier Jahren den Frequenztausch von BR Klassik und Puls ankündigte, war DAB+ wenig mehr als ein Versprechen. Eine Wette auf die Zukunft, in der Radio eines Tages vielleicht nicht mehr analog über UKW-Frequenzen ausgestrahlt wird. 2014 war ein Radiosender, der ausschließlich über DAB+ zu hören war, so gut wie nicht existent. Denn viel zu klein war die Gruppe derjenigen, die diese Sender empfangen konnten. Und viel zu klein war die Lust der Hörer genauso wie der Sender, umzusatteln. Der folgende Streit war so heftig, weil BR Klassik sich schon durch die Ankündigung ins Nirwana einer Digitalfrequenz abgeschoben fühlte, um auf UKW Platz zu schaffen für die junge Digitalwelle Puls.

UKW ist hier der wichtigste Verbreitungsweg. Wie lange noch?

Allerdings waren die Digitalisierungs-Optimisten schon damals der Auffassung, dass sich der Streit in Luft aufgelöst haben wird, bis der Frequenztausch tatsächlich konkret ansteht. Nun, ganz so ist es nicht gekommen, und einen Frequenztausch gibt es auch nicht - BR-Intendant Ulrich Wilhelm hat die umstrittene Aktion am Freitag überraschend abgeblasen. Es gibt darüber Erleichterung auf der einen Seite - bei Klassikfans wie bei den bayerischen Privatradios, denen die Konkurrenz durch ein zusätzliches junges öffentlich-rechtliches Programm erspart bleibt - und Enttäuschung auf der anderen, also bei Puls. Denn nach wie vor ist UKW der wichtigste Verbreitungsweg von Radio hierzulande. Doch das Argument von Wilhelm, dass es beim Ausbau von DAB+ gelungen sei, "die Rahmenbedingungen im Vergleich zu 2014 nachhaltig zu verändern" und Puls deshalb gar keine UKW-Frequenz mehr brauche, lässt sich durchaus untermauern.

So besitzen dem Digitalisierungsbericht 2017 zufolge 20 Prozent der Haushalte in Bayern ein DAB+-Gerät. Die Zahl stammt aus dem Sommer, dürfte inzwischen also höher liegen und durch das Weihnachtsgeschäft noch einmal signifikant ansteigen. Das DAB+-Netz wiederum ist in Bayern nahezu flächendeckend ausgebaut. In knapp 90 Prozent der Häuser und in 97 Prozent der Fläche - entlang der Autobahnen liegt der Wert bei 99 Prozent - ist der DAB+-Empfang gewährleistet. Damit ist Bayern in Deutschland führend.

Dem BR liegen nach eigener Aussage zwar keine Daten darüber vor, in welchem Umfang seine Programme inzwischen über DAB+ gehört werden. Doch er betreibt immerhin fünf reine DAB+-Wellen. Werden diese auch gehört oder subventioniert der BR mit seiner Programmpolitik nur den Standard DAB+? Mit der Entwicklung von BR Heimat ist man im Sender nach eigener Aussage jedenfalls sehr zufrieden. Und was man im BR offenbar erkannt hat, ist, dass viele junge Hörer Radioprogramme ohnehin nicht mehr bevorzugt über ein UKW-Gerät suchen. Apps, Streams, Drittplattformen und eben DAB+ - ein Publikum wie das von Puls nutzt Medien überwiegend digital. Es sucht dort, wo es glaubt, etwas Passendes zu finden. Also eher nicht im UKW-Frequenz-Band, in einem Umfeld von BR Klassik, Bayern 1 und den besten Hits der Achtziger.

Die Wachstumsraten bei der digitalen Radionutzung legen nahe, dass es mittelfristig eher nicht um die Frage gehen wird, ob die Hörer bereit sind, ihren Sendern von UKW zu DAB+ zu folgen. Sondern ob junge Hörer Audio-Inhalte überhaupt noch im Radio suchen und nicht etwa bei Spotify.

Um DAB+ attraktiver zu machen, unterstützen sowohl der BR als auch die Landespolitik die Privatsender. Der BR ermöglicht privaten Programmbetreibern, freie Kapazitäten seines eigenen DAB+-Sendenetzes zu nutzen. Die Staatsregierung stellt 500 000 Euro pro Jahr als Technologieförderung zur Verfügung, um die Kosten für den Umstieg auf DAB+ bei den Privatradios abzufedern.

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