Boom von Fitness-Zeitschriften:Am Kiosk ruft die Körperfibel

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Was ist besser im Kampf gegen überreichliche Pfunde: Die harte Wahrheit, oder doch lieber die etwas weichere Interpretation? Die Zahl der Fitnessmagazine für Frauen wächst und die Käuferin hat die Qual der Wahl, auch hinsichtlich des abgedruckten Motivationsstils. Vom Anreiz zur Selbstoptimierung und seiner Verwertbarkeit durch die Verlage.

Claudia Tieschky

Natürlich kann man der Ansicht sein, Fitness und das ganze Drumherum sei heute so etwas wie die Fortsetzung der Leistungsgesellschaft mit anderen Mitteln. Wer bereits mäßig und vernünftig isst, morgens vor der Arbeit joggt, Pilates praktiziert und auch schon von Ennui ergriffen wird bei dem, was Zeitschriften besonders gerne schreiben, nämlich dass Sex das tollste Training überhaupt ist - der kann ja vielleicht einen Marathon in Angriff nehmen.

Mit dem aufkommenden Körperbewusstsein verkaufen sich nicht nur neue Zeitschriften, auch neue Sportarten entstehen, um die Nachfrage an Fitnesstrends zu stillen. Das Bild zeigt einen Zumbakurs. (Foto: dpa)

Wenn nicht andererseits noch so viele Menschen mit krassem Bewegungsmangel leben würden, wäre schon längst eine Anti-Fitness-Bewegung fällig, die Faulheit und Völlerei propagiert. Stattdessen wächst die Zahl der Magazine, die ihren Leserinnen erklären, dass auch sie es schaffen können, ohne Diät eine Kleidergröße zu verlieren, das neue Workout aus Japan in den Tagesablauf zu integrieren und beim Stand-up-Paddling nicht runterzufallen. Und der Zeitschriftenmarkt hat neben all den Style-Guides eine neue Hoffnung. Trainieren ist das neue Shoppen sozusagen.

Die typische Leserin von Shape würde eine Nähe von Fitness und Leistungskultur vermutlich gar nicht bestreiten, aber andererseits auch nicht weiter schlimm finden. Das Heft erscheint in Deutschland seit 1998 bei der Marquard Media MVG Verlagsgesellschaft, die auch den einstigen Working-Girl-Klassiker Cosmopolitan publiziert. Shape ist unter den Fitnesszeitschriften für Frauen zuständig für die harten materialistischen Wahrheiten und verkauft damit mehr Hefte als manche klassische Frauenzeitschrift - fast 140.000 Exemplare am Kiosk und mehr als 16.000 im Abo.

Das Ziel ist unmissverständlich und zur Sicherheit gleich auf dem Titelbild: Zwölf Mal im Jahr, sogar wenn's schneit, zeigt das Cover ein knackiges, strahlendes Bikinimädchen; für optische Abwechslung sorgt - warum nicht - der Bikini. Im Heft geht es um Fitnesstrends und -ausrüstung, es gibt mindestens zwei Workout-Strecken mit Anleitung und Fotos zum Nachturnen, dazu Diäten und Ernährungstipps, Kosmetik, Mode und jeweils ein zielorientiertes Psychothema, etwa für mehr Durchsetzungskraft und besseren Sex. Zu dem, was in Shape nicht vorkommt, gehören alle Fragen, die man mit Training nicht in den Griff kriegt, also in weiten Teilen auch Männer. Wer das doof und oberflächlich findet, hat Shape nicht verstanden und wird sie nicht lieben.

Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Heften, die der Leserin ebenfalls Fitness nahebringen, das Thema aber etwas weicher interpretieren. Aber eigentlich funktionieren die Körperfibeln alle ähnlich: Sie liefern Motivation zur Selbstoptimierung. Freundin Wellfit (Burda; setzt knapp 65.000 Exemplare am Kiosk ab, 32.000 im Abo) trägt den programmatischen Untertitel "Alles, was uns guttut". Brigitte Balance (zweimonatlich, Gruner + Jahr) erforscht - natürlich wie das Mutterblatt ohne Models - in der aktuellen Ausgabe unter anderem das "Glücksgeheimnis Singen" sowie die Nähe, die eine Beziehung erträgt. Active Life ist der noch neue, für Frauen gemachte Ableger des Wandermagazins Outdoor von der Stuttgarter Motorpresse. Und Burdas Monatsheft Fit for fun (Abo 28.000, Kiosk 61.000) - in den neunziger Jahren von Milchstrasse-Verleger Dirk Manthey gegründet - hat kürzlich eine neue Chefredaktion erhalten und dürfte sich künftig vom Unisex-Heft weg und stärker auf das männliche Publikum hin orientieren.

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Konkurrenz erwächst nun durch die Neuheit, die die Stuttgarter MotorPresse ( Auto Motor und Sport) seit Mai an den Kiosk bringt. Women's Health - ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem amerikanischen Verlag Rodale - ist der deutsche Ableger des gleichnamigen erfolgreichen US-Fitnessheftes und Schwestermagazin von Men's Health aus derselben Firma. Von der Erstausgabe sind laut Verlag am Kiosk imposante 130.000 Exemplare verkauft worden, und schon vor Erscheinen der zweiten Nummer in der vorigen Woche hatte der Verlag angekündigt, die Neuheit 2012 mindestens sechs Mal herauszubringen.

Auch bei Women's Health geht es um den "Sexy Body Plan", um "flacher Bauch, schlanke Beine, knackiger Po", und das Covermädchen zeigt viel Haut unterm Hemdchen. Aber die Frage "Werde ich wie meine Mutter?" meint hier nicht nur die Neigung zu Cellulite, sondern führt ins Psychologische. Für Beziehungs-Ambiente sorgt auch die Kolumne "Der Typ von nebenan", in der ein Redakteur von Men's Health aus männlicher Sicht Rat gibt auf Fragen wie die von Maika R. Sie sorgt sich: "Mein neuer Freund hatte zig Frauen vor mir, wie kann ich sicher sein, dass ich nicht nur eine Nummer bin?" Der Mann findet eine Antwort.

Wir sehen Women's Health nicht als Fitnesszeitschrift sondern in einer Lücke zwischen fitnessorientierten Zeitschriften und den monatlichen jungen Frauenzeitschriften", sagt Chefredakteur Wolfgang Melcher, der auch Men's Health verantwortet. Die Lesergruppe seiner beiden Hefte verbinde, sagt er, "dass sie sehr aktiv an sich selbst arbeitet und das nicht nur im sportlichen Sinne". Ehrgeiz? Ehrgeiz sei ein Wort, "das in Deutschland zwar ein eher negatives Image hat, aber im Grunde etwas Positives ist." Bei Women's Health suchten Leserinnen "Tipps, Ideen und Ratschläge, wie man im Leben weiterkommt", glaubt Melcher. Im ersten Editorial hat er sein Heft als "Lifestyle-Magazin" vorgestellt. Lifestyle, das bedeutet dann offensichtlich inzwischen nicht mehr die typische schicke Rundum-Mischung, sondern soll die Interessen ganz bestimmter Käufer aufwerten.

Auch nicht sehr anders als Melcher beschreibt MVG-Geschäftsführerin Waltraut von Mengden die Shape-Leserin: Als Frau "um Anfang dreißig, die sehr ehrgeizig ist mit ihrem Leben und ihrem Körper". Das bedeute nicht zwingend "superdünn", aber die Frauen wollen, sagt sie, "sportlich motiviert werden - sie wissen, dass man was tun muss, um einen guten Body zu haben". Dafür müsse man nicht ins Fitness-Studio, zum Kernkonzept des Heftes von Chefredakteur Gerald Büchelmaier gehöre es, zu zeigen, wie man Training ins tägliche Leben einbaue. Folgerichtig gibt es bei Shape auch Themen wie "Das geniale Holiday-Workout im Liegestuhl". Melcher erklärt, Shape enthalte "deutlich mehr Workouts, als wir in Women's Health je machen werden".

Die Konstellation ist sportlich. In den Sätzen, die man bei Rodale-Motor-Presse und MVG über den jeweils andern zu Protokoll gibt, ist von Koexistenz die Rede und davon, dass man sich den Markt nicht streitig macht, sondern ihn viel mehr erweitert. Was man so sagt. Shape habe trotz der Markteinführung von Women's Health im Mai Rekordzahlen abgesetzt, man sei "im Fitness-Segment beim Kioskverkauf Nummer eins und damit sehr glücklich", erklärt Mengden, die annimmt, dass viele Leserinnen schon aus Neugier beide Hefte gekauft hätten. Ob das so bleibt? Sicherheitshalber hat Shape gleichzeitig mit dem Start von Women's Health ebenfalls eine Neuheit erdacht und erscheint nun im Pocket- sowie im Magazinformat, Specials und DVDs werden ausgebaut.

Man könnte auch sagen, wer sich schwitzend mühen will, hat echt die Wahl der Qual.

© SZ vom 25.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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