"Bild"-Chef schreibt an "Zapp":"Bigott: Wie 'Bild' mit dem Papst Geld verdient"

"Bild"-Chef Kai Diekmann berät "Zapp" - in eigener Sache. Das investigative NDR-Magazin solle doch mal gegen seine Zeitung recherchieren. Soll das ein Witz sein?

Marc Felix Serrao

Wenn einer zwei Mal ungefragt eine E-Mail schickt, dann könnte das für den Empfänger lästig werden. Julia Stein, Redaktionsleiterin des NDR-Medienmagazins Zapp in Hamburg, erhält seit April regelmäßig Post von einem Mann aus Berlin. Sieben Mal hat er ihr selbst geschrieben. Einmal ließ er schreiben. Immer ging es um ein Thema: Bild beziehungsweise die Skandale, die den Weg der größten deutschen Boulevardzeitung in jüngster Zeit angeblich pflastern.

Springer laesst Videokameras fuer Leserreporter ueber Lidl anbieten

"Bild"-Chef Kai Diekmann hat wieder einmal neue Ideen - doch worauf will er hinaus? 

(Foto: ag.ddp)

"Bigott: Wie Bild mit dem Papst Geld verdient", heißt es in einer Mail vom April. Dann, im Mai: "In Bild steht nur ,Scheiße': Wie Bild-Kolumnist Franz-Josef Wagner unflätig die halbe Welt bepöbeln darf." Jedes Mal schlägt der Absender drei Themen vor, über die Zapp, ein öffentlich-rechtliches TV-Journal mit investigativem Anspruch, doch bitte berichten soll: Mal, weil Eva Herman in Bild ihre "bizarren Tiraden" ablassen darf. Ein andermal, weil die Zeitung "unser aller unschuldige Lena Meyer-Landrut ausschlachtet".

Der, der da so fleißig Themen anregt, muss es wissen. Es ist Kai Diekmann, der Chefredakteur von Bild. Der Schriftwechsel zwischen Diekmann und dem Zapp-Team ist der neueste Dreh in einer Entwicklung, die einen - ganz gleich, wie man zu Diekmann, 46, und Bild steht - nur noch erstaunt. Denn die Zapp-Redaktion wusste nicht, wie sie auf die schrägen Selbstanzeigen des einflussreichen Springer-Journalisten reagieren sollte.

Fünf Mal schrieb Redaktionsleiterin Stein zurück. Mal dankte sie für die Aufmerksamkeit und erwähnte den leider schon verstrichenen Redaktionsschluss. Mal verwies sie auf Bildblog, wo die "schlimmen Dinge" ja bereits nachzulesen seien. Steins bislang letzte Antwort stammt vom 16. Juni. Darin erinnert sie an die Sommerpause, in der Zapp sich nun befinde. Allerdings, "lieber Herr Diekmann, am 28. Juli ist Zapp wieder für Bild da".

Das klingt fast lustig, ein bisschen aber auch ratlos. Die Zapp-Leute stehen nicht allein. Wohl auch als Reaktion auf Bild-Blog, dem früher vom Internet-Aktivisten Stefan Niggemeier betriebenen Online-Marktplatz, der jeden Bild-Fehler öffentlich macht, öffnete Diekmann im Herbst 2009 einen 100-Tage-Blog. Darin verulkte er auf zunächst sehr hintersinnige Weise die Fehler anderer Medien - und damit ein Stück weit auch die gesamte Branche.

"Kai D. aus B."

Höhepunkt von Diekmanns Camouflage war ein YouTube-Video im Spiegel-TV-Stil, in dem ein mäßig anonymisierter "Kai D. aus B." über unfassbare Roaming-Gebühren klagte, die die Telekom dem echten Kai Diekmann aus Berlin in Rechnung gestellt hatte. Es ging um 40.000 Euro.

Man sah. Man rätselte. Man fragte sich: Was will er? Ja, was will er von Zapp? Diekmann war an diesem Dienstag für keine Erklärung erreichbar. Ein Bild-Sprecher bestätigte nur die Echtheit der E-Mails und teilte mit, der Chefredakteur habe sich erlaubt, Zapp "kreative Hilfestellung für Geschichten zu geben - die der Einfachheit halber gleich mit dem typisch einseitigen Zapp-Tenor versehen" worden seien. Die Antworten der Redaktion habe man entnommen, dass die Vorschläge "durchaus positiv" angekommen seien.

Das ist nett, und es entspricht vielleicht einem Bild-Sinn für Humor. Eine Antwort ist es nicht. Seit fast zehn Jahren ist Kai Diekmann Bild-Chef. Wenn nichts dazwischen kommt, wird er im Herbst länger im Amt sein als alle Vorgänger, länger sogar als Peter Boenisch (1961 bis 1971), der in den achtziger Jahren Regierungssprecher Helmut Kohls wurde. Regierungssprecher Diekmann? Der Posten wurde gerade neu besetzt.

Doch was kommt noch für Kai Diekmann, 46? Ein Springer-Vorstandsposten? Bei Bild kann Diekmann es sich bequem machen - nicht wegen der Auflage, die bewegt sich weiter abwärts, aber zumindest wegen der dreistelligen Millionengewinne, die Bild abwirft. Und unter Diekmann ist Bild in gewissen gesellschaftlichen und politischen Kreisen heute akzeptiert.

"Bild ist für Zapp kein feststehendes Feindbild", sagt auch Julia Stein. Die Zeit der furchtbaren Kampagnen scheint vorüber zu sein. Bild ist heute ein Blatt von vielen. Mal doof. Mal gut. Kurz: stinknormal. Man regt sich nicht mehr auf, sondern lächelt über den Komödianten an der Spitze. Das ist das Erbe Diekmanns.

Zapp, mittwochs, NDR, 23.05 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: