Bertelsmann:Wünschen kostet nichts

Zwei neue Männer wollen den Konzern Bertelsmann beleben: der als stur geltende Erbe Christoph Mohn und der eispickelkühle Vorstandschef Thomas Rabe. Bisher fallen sie vor allem mit Phantasie und Feuerwerk auf - für konkrete Vorhaben scheint hingegen das Geld zu fehlen. Dafür bringen ihre Pläne Unruhe in den Verlag Gruner + Jahr.

Hans-Jürgen Jakobs

So schön war die Zeit. Damals, als Bertelsmann noch weltgrößter Medienkonzern war. Als ein Markt nach dem anderen aufgerollt wurde. Musik und Bücher in den USA. Fernsehen in Europa. Internet überall. Als Mark Wössner von 1983 bis 1998 in Gütersloh den Vorstand lenkte. "Bertelsmann will das Glück, das sie einst hatten, wiederfinden", sagt Jürgen Richter, einst Vorstandschef von Axel Springer und Bertelsmann Springer.

Bilanzpressekonferenz der Bertelsmann AG

Bertelsmann-Chef Thomas Rabe schaut Liz Mohn gewissermaßen in die Küche - er wohnt in Gütersloh direkt neben der Haupteigentümerin des Medienkonzerns.

(Foto: dapd)

So wird jetzt in Ostwestfalen aufmerksam registriert, dass erstmals nach 1998 wieder ein Vorstandschef in Wössners alte Villa zieht, die direkt neben dem Anwesen der Haupteigentümerin Liz Mohn, 71, liegt: Topmanager Thomas Rabe, 43, schaut ihr gewissermaßen in die Küche. Er wohnt in der oberen Etage zur Miete. In diesem Biotop soll das kleine Wunder passieren und Bertelsmann wieder zur Weltmacht der Medien werden.

Das Untergeschoss der Wössner-Rabe-Villa ist für kulturelle Zwecke umgebaut worden. Hier empfängt Rabe in Kürze abends die wichtigsten Führungskräfte. Die Soiree soll den internen Erweckungskongress im Theater Gütersloh am 12. und 13. September abrunden, der Kraft und Zuversicht spenden soll.

Wie in Wössners Zeiten werden Expansionsfelder ausgelobt, jetzt heißen sie "Wachstumsplattformen": Musikrechte, Bildung, Digitales. Fonds sollen das Geld erbringen, kleine Firmen findiger Gründer groß gemacht werden und ein Tandem an der Spitze wirken: Finanzmann Rabe, der eispickelkühle Vorstandschef, und Christoph Mohn, der gleichaltrige bedächtige Stratege. Er, der Vertreter der Eigentümerfamilie, soll an diesem Donnerstag zum Aufsichtsratschef gewählt werden. Das steht auf der Tagesordnung.

Bei Bertelsmann hoffen sie auf ein neues Zeitalter.

Doch acht Monate nach Rabes Start zeigt sich, dass er bisher außer Phantasie und Feuerwerk wenig zu bieten hat. Der neu berufene Strategievorstand Thomas Hesse, seine rechte Hand, hat gewirbelt, als gelte es, Wössners Welt im Turbotempo wiederzubeleben. Assistiert von den Unternehmensberatungen McKinsey und Boston Consulting Group wurde eine mögliche Wunschfirma nach der anderen virtuell dem Reich zugeordnet. Ein Hochzeitsportal aus den USA, theknot.com? Oder doch lieber die Scout-Gruppe, die bislang bei der Deutschen Telekom angesiedelt ist?

Wünsch dir was bei Bertelsmann. Wünschen kostet nichts.

Am Ende stand eine Erkenntnis: Um 400 Millionen Euro Umsatz dazuzukaufen, müsste eine Milliarde investiert werden, so die Analyse. Und allzu viel Finanzmittel hat Bertelsmann nicht. "Die Familie braucht andauernd Kohle", sagt ein langjähriger Vertrauter. Selbst Wiederbeleber Rabe bekannte im Spiegel: "Bertelsmann stand noch nie für besondere Kapitalstärke, das war immer ein Engpass."

Aktuell macht ihm eine Formschwäche zu schaffen: Ausgerechnet der Hauptgewinnbringer RTL Group meldete fürs erste Halbjahr nur noch 331 Millionen Euro Nettogewinn, 51 Millionen weniger als im Vorjahreszeitraum. So wird es nichts damit, die lange Talfahrt zu stoppen. Der Umsatz des Konzerns war von 20 Milliarden Euro (2000) auf 15,3 Milliarden (2011) gerutscht.

Nein, kein Geld von der Börse

Es zeigt sich, dass der Familienfirma ihr großes Manöver aus dem Jahr 2007 geschadet hat: Damals wurde für 4,5 Milliarden Euro der wenig geliebte Mitgesellschafter Albert Frère ausgekauft, ein belgischer Baron mit Riecher für Geld und Rotwein. Seitdem tischte in Gütersloh Schmalhans auf.

In diesem Dilemma plant der ehrgeizige Neu-Vorstandschef, der trotz attraktiver Angebote am Hof der Mohns blieb, im Fall einer größeren Kaufokkasion die eherne Verschuldungsregel aufzuweichen. Nur so kann er eine Milliarde Euro organisieren. Die wird er noch brauchen können.

Aus dem vor Monaten ventilierten Plan, Aktien an die Börse zu bringen, wird aber erst einmal nichts. Dabei wurde das schon in der Presse groß gefeiert und hierfür unter Rabes Ägide extra die Rechtsform geändert: Von der AG in eine europäische Kommanditgesellschaft auf Aktien, was den Mohns alle Macht lassen würde.

Als der Vorstandschef Ende Juli intern seine Strategie für 2013 präsentierte, inklusive Option Börse, lehnte die Familie ab. Nein, kein Geld von der Börse. Es setzte sich im Gespräch die Erkenntnis durch, dass die Börsen breit aufgestellte Konzerne wie Bertelsmann nicht mögen und es einen deutlichen "Konglomeratsabschlag" auf den Wert gebe.

Anderswo dagegen werde derzeit Firmen das Geld doch geradezu hinterhergeworfen, eine Unternehmensanleihe über 750 Millionen Euro wurde zum Superzins von nur 2,6 Prozent platziert. Die Mohns planen einen Mix vieler Finanzierungsformen. Auch die Aufnahme von Investoren im Gesellschafterkreis ist da offenbar nicht ganz ausgeschlossen. Die Herrscher von Dubai gelten als mögliche Kandidaten, die Mohns unterhalten engste Beziehungen. Auch die Private-Equity-Firma KKR wird genannt.

Aber reicht das alles, um etwa die Wissenschaftsgruppe Springer Science + Business zurückzukaufen? Der jetzige Besitzer, die Finanzfirma EQT, will bis zu 2,8 Milliarden Euro. Und nur weil Meister Rabe bei der schwedischen EQT im Beirat sitzt, gibt es keinen Rabatt.

Auch Computerspiele-Firmen haben sich für die Gütersloher als zu teuer erwiesen. Da bleiben vorerst wohl die Lieblingslosungen des designierten Aufsichtsratschefs. "Das neue Google finden", gab Christoph Mohn den Managern auf den Weg. Und: "Schnäppchen suchen." Der Kaufmann, der zwei Jahre bei McKinsey gewirkt hat, liebt das Prinzip An- und Verkauf. Er surft mit dem Laptop durch die Wirtschaftswelt und beteiligte sich in Indien an Start-ups, die es schließlich an die Börse schafften.

Das brachte Cash. Das ist das Modell.

"Er glaubt, er kann's"

Mohn gilt als stur, wenn er sich erst mal etwas in den Kopf gesetzt hat. Bei der Internetfirma Lycos Europe, an der er und Bertelsmann beteiligt waren, half die Methode Sturkopf jedoch nicht. Von mehr als 730 Millionen Euro Börsenerlös im Jahr 2000 gab er innerhalb von 24 Monaten rund 400 Millionen aus; die Firma musste erst konsolidiert, dann abgewickelt werden.

"Er hat bei Lycos Europe zehn Jahre Zeit gehabt, Schnäppchen zu suchen und hat auch nichts gefunden", sagt sein Mentor Jürgen Richter, früher Aufsichtsratschef von Lycos Europe: Er sei von sich, "trotz mancher Fehler und schwacher Managementleistung, voll und ganz überzeugt. Er glaubt, er kann's." Richter glaubt nicht an Zäsuren bei Bertelsmann, Mohn werde sein Aufseheramt "nicht mit Unsicherheiten beginnen". Die Aufgabe könne er nur "mit seiner Mutter Liz im Hintergrund bewältigen".

Mit Topmanager Rabe versteht sich Mohn gut. Beide sind asketische Typen, die am liebsten im kleinen Kreis wirken, und bei großen Kundenveranstaltungen kaum als "Rampensäue" durchgehen.

Jenseits des Schnäppchen-Plans aber herrscht noch ein gewisses Vakuum. Gunter Thielen, Aufsichtsratschef bis Jahresende, brachte die Idee auf, den Konzern einfach zu teilen: In einen Medienarm - mit der TV-Gruppe RTL, dem Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr, dem Bücherbund Random House - sowie andererseits der Servicefirma Arvato, die den Großteil der Mitarbeiter beschäftigt und sich im Gefolge der Kunden mit hohen Investitionen aufreibt, aktuell für Microsoft auf den Philippinen. Doch auch diese Idee, die Thielen einen Kontrolleursjob erbracht hätte, lehnten die Mohns ab.

Ziemlich viele Baustellen. Fast zu viele für einen famosen Neustart. Rabe sei "schon jetzt unter Druck", glaubt Richter, die genannten Wachstumsfelder seien nur strategische Optionen: "Damit kann man ein Dickschiff wie Bertelsmann nicht ins nächste Jahrzehnt steuern."

Und dann erschien noch eine alte Gütersloher Idee im Manager Magazin: Danach wolle Bertelsmann bei Gruner + Jahr in Hamburg den Mitgesellschafter, die Familie Jahr, auskaufen. Das Thema zieht Kreise. Bei Random House wiederum soll ein Mitgesellschafter dazustoßen, bei RTL könnte der Eigenanteil von 92,3 Prozent auf 75 Prozent sinken.

Es handle sich um "finanzmathematisches Geschiebe", sagt Verlagskenner Richter, es gehe für Bertelsmann aber "vielmehr um neue Märkte und das beste Branding". Da sei es eine "Nullnummer", nur Anteile zu tauschen: "Die beschäftigen sich zu viel mit sich selbst."

Vielleicht tritt Rabe beim Manager-Treff in seiner Villa ja den Gegenbeweis an. Hausherr Wössner wusste: "Wir schießen nicht dauernd auf Hasen, sondern einmal gezielt auf einen Elefanten."

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