Beilage der "New York Times":Herrscher des Hochzeits-Hypes

Beilage der "New York Times": Sonntag ist der Tag in New York, an dem die "Sportseiten für Single-Frauen" erscheinen, wie schon Carrie Bradshaw in der Fernsehserie Sex and the City wusste

Sonntag ist der Tag in New York, an dem die "Sportseiten für Single-Frauen" erscheinen, wie schon Carrie Bradshaw in der Fernsehserie Sex and the City wusste

(Foto: Imago Stock&People)

Sonntag ist Jawort-Tag in New York. Dann erscheint die Hochzeitsbeilage der "New York Times" - und die ist hart umkämpft. Etwa 200 Paare bewerben sich jede Woche auf 40 Plätze. Warum die Zeitungsbeilage so beliebt ist und wer es reinschafft.

Von Lisa Maria Hagen

Es gibt den einen Tag, auf den erwachsene Amerikanerinnen hinfiebern wie kleine Kinder auf Weihnachten. Der Tag, an dem die "Sportseiten für Single-Frauen" erscheinen, wie schon Carrie Bradshaw in der Fernsehserie Sex and the City wusste. Sonntag. Denn Sonntag ist Jawort-Tag in der New York Times (NYT) - für all die Frauen, die noch immer auf ihren Traumprinzen warten.

Belohnung für diejenigen, die ihn endlich gefunden haben und dieses Glück ganz New York zum Frühstück servieren wollen. Tausende Frauen verschlingen die Geschichten der Hochzeitsreporter. Sie sind die wichtigsten Gäste auf den Feiern Fremder, die Herrscher des Hochzeits-Hype.

Rund 200 Paare bewerben sich jede Woche auf 40 Plätze in der Beilage - der Startschuss für den Wedding-Wettkampf. Sechs Wochen vor dem großen Tag müssen Paare ihre Liebesgeschichte in ein Bewerbungsformular pressen. Informationen über Ort, Eltern und besondere Verdienste müssen sie akribisch auflisten. "Wir suchen Leute mit Errungenschaften", sagt der zuständige Redakteur Robert Woletz. Wer die nicht hat, behilft sich eben anders. "Berühmte Eltern, Stars und Sternchen auf der Liste oder ein 'Elite' vor der Universität bringen dich rein", verrät Martin Oehmke, "in unserem Fall war das die Columbia Universität." Der gebürtige Bonner hat seine Frau Whitney Hopkins 2006 beim Skifahren in Colorado kennengelernt. 2012 haben sie geheiratet, erzählt Oehmke in einer Cafeteria der Columbia Universität in New York. Seine Frau sitzt ihm gegenüber und runzelt die Stirn. "Was?", fragt er und grinst, "habe ich es nicht romantisch genug erzählt?"

Für viele alteingesessene New Yorker Familien gilt es noch immer als Tradition und Pflicht, Vermählungen dort zu verkünden. "Die anderen wollen zeigen, wie erfolgreich, wichtig oder reich sie sind", sagt Oehmke. Für Alisha Holland (der Name der Braut kommt immer zuerst) und Glen Weyl in Chicago hat der Artikel in der NYT ihre Hochzeit besonders und ihre Eltern glücklich gemacht. "Was sie sonst von uns lesen, sind komplizierte akademische Aufsätze, die sie nur langweilen", sagt der Universitätsdozent Weyl.

Das richtige Foto ist unabdingbar

Ein paar Tage vor der Hochzeit klingelt in der Regel das Telefon. "Es ist, als ob ich der Ansager bei 'Der Preis ist heiß' wäre", schreibt Devan Sipher, einer der Hochzeits-Autoren, dessen Anruf die auserkorenen Bräute nicht selten mit Freudenschreien quittieren. Ist es ein Glücksspiel - wer gewinnt, und wer verliert? Jedenfalls ist es hilfreich, im Winter zu heiraten, wenn die "Vows Section", das "Gelübde-Ressort", mangels Angebot von manchmal acht Seiten im Juli auf zwei, drei Seiten schrumpft.

Es gibt viele Regeln, die es zu beachten gilt, und mindestens so viele Tipps in Foren und auf Blogs im Internet. Das richtige Foto ist unabdingbar. "Wir haben unsere Verlobungsbilder extra für die Bewerbung bei der Times konzipiert", erzählt Weyl. "Unsere Fotografin wusste, welche Orte die Redakteure sehen wollen."

Schnappschüsse einer Beziehung. Liebe, Freude, Hochzeitstorte? Setzt man die rosarote Brille ab, bleibt nur ein sehr "eindimensionales Bild" übrig, findet Weyl. Die Beilage spiegele weder die Vielfalt der Leute in der Metropole noch im Land wider. Man finde nicht viele "Feuerwehrmänner oder Kellnerinnen, die zum Altar schreiten".

Ausflüge ins echte Amerika

Doch ab und zu versucht die NYT, dem zu widersprechen und ihre Verbundenheit zum Durchschnittsamerikaner zu demonstrieren. Dann berichtet sie über Hochzeiten von Drogenabhängigen, Verbrechern oder Leuten, die staatliche Hochschulen besucht haben. Diese Ausflüge ins echte Amerika bestrafen treue Hochzeitfans oft mit harschen Kommentaren im Internet. So beschwert sich Toni Suzanne aus South Carolina: "Der weiße Abschaum Amerikas, der in Wohnwagen-Parks lebt, wird uns von der NYT in Rosen verpackt präsentiert."

Quasi garantiert sei der Abdruck für gleichgeschlechtliche Paare, sagt Martin Oehmke. Obwohl die NYT bereits seit 2002 über homosexuelle Hochzeiten berichtet, seien ihre Abdruckzahlen mit der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in mehreren US-Staaten merklich gestiegen. Ein politisches Statement? Fest steht, dass homosexuelle Paare in der Vorteilsgruppe von Universitätsabsolventen, Kongressabgeordneten und Staranwälten stark vertreten sind.

Alisha Holland verschlingt die Hochzeitsseiten, seit sie ein kleines Mädchen ist. Ihren Mann lernte sie in einem Kurs über lateinamerikanische Politik in Princeton kennen. Dank ihres Studiums und seiner Promotion an der Elite-Uni haben die beiden sogar einen der begehrten langen Artikel abgestaubt.

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