BBC-Miniserie:Die Serie zur "Me Too"-Debatte

Three girls

Trostlos in der Vorstadt: die Freundinnen Ruby (Liv Hill), Amber (Ria Zmitrowicz) und Holly (Molly Windsor, v.l.).

(Foto: ARTE)

"Three Girls" erzählt, wie drei Freundinnen von einer Gang über Jahre sexuell ausgebeutet werden - und wie männlich dominierte Autoritätsstrukturen dabei versagen, sie zu schützen.

Von Anna Steinbauer

Holly sitzt im Verhörraum der Polizei. Die rot gefärbten Haare hängen ihr strähnig ins Gesicht. Die blutige Wunde an ihrem rechten Handrücken ist notdürftig mit einem Pflaster überklebt. In einem Dönerladen soll sie eine Glasscheibe beschädigt haben und zwei Getränkedosen geklaut. Ob Holly erzählen wolle, was passiert sei, fragt der genervte Polizist. Die 15-Jährige schweigt. Sie solle doch endlich sprechen, damit die Polizei ihre Zeit nicht mit idiotischen Teenagern verschwenden müsse, sagt ihr Vater. Doch für die Wahrheit fehlen Holly die Worte.

Das Mädchen wird in der britischen Miniserie Three Girls wie eine Kriminelle behandelt, dabei ist es Opfer eines Verbrechens geworden. Holly (Molly Windsor) und ihre Freundinnen (Liv Hill, Ria Zmitrowicz) wurden, angelockt mit Essen und Party, von einer Bande pakistanischer Männer missbraucht und zur Prostitution gezwungen. In der dreiteiligen, von Arte an einem Abend ausgestrahlten BBC-Serie widmen sich Autorin Nicole Taylor und Regisseurin Philippa Lowthorpe einer tragischen Geschichte, die auf einem wahren Missbrauchskandal basiert. In Rochdale, einem Vorstadtviertel von Manchester, wurden von 2003 bis 2008 Hunderte Mädchen sexuell ausgebeutet und vergewaltigt. Als eine von ihnen Anzeige erstattete, glaubte die Polizei ihr nicht und ihr Peiniger kam wieder frei. Erst 2012 wurden die Ermittlungen aufgerollt und die Männer in einem langwierigen Prozess verurteilt.

Die Serie prangert auch das Versagen männlich dominierter Autoritätsstrukturen an

Three Girls ist auch eine Serie zur aktuellen "Me Too"-Debatte: Sie liefert düstere, trostlose Bilder aus der Arbeitervorstadt, in der die jungen Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen in ihrem pubertären Übermut in eine Spirale aus Gewalt und Abhängigkeit rutschen. Holly ist neu in Rochdale, sie freundet sich mit den verwahrlosten Schwestern Amber und Ruby an und hängt mit ihnen im "Top Curry" oder bei "Speedy Kebab" ab. Dort treffen sie zwielichtige Gestalten wie Tariq und Daddy, der für Wodka und Zigaretten eines Tages Sex will. "Du bist jetzt meine Nutte, wenn du mir Stress machst, bring ich dich um", sagt er zu Holly. Aus dieser fatalen Mischung aus Angst, Scham und Missbrauch entwickelt sich eine lebenslange Leidensgeschichte.

Die Serie, mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2017 beim Festival de la Fiction TV La Rochelle mit dem Jury-Spezialpreis, macht die Opferperspektive stark. Obwohl in den 50-minütigen Episoden die Geschehnisse zeitlich gerafft werden und einige inhaltliche Lücken entstehen, wirft Three Girls ein wichtiges Thema auf: das schockierende Versagen von Eltern, Behörden und Justiz. Es ist vor allem ein Versagen der männlich dominierten Autoritätsstrukturen, das die Serie anprangert. Der Vater wirft die Tochter raus, nachdem sie ihn mehrmals alkoholisiert beschimpft, der Polizist gähnt bei der Vernehmung und das Jugendamt leitet keine Informationen über die bekannten Missbrauchsvorfälle weiter. Die Wunde an Hollys Arm ist nicht ihre einzige Verletzung - nur die einzig sichtbare.

Three Girls, drei Folgen, Arte, ab 20.15 Uhr.

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