Bauer sucht Frau im TV:Von Menschen und Schweinen

RTL scheint eine Menge Geld mit nahezu unvermittelbaren Bauern zu scheffeln - und es sehen immer noch bis zu acht Millionen Menschen zu. Aber warum? Der Versuch einer Annäherung an das Phänomen.

Ruth Schneeberger

Das Schöne ist ja, dass die besten Geschichten das Leben selbst schreibt. Wenn der "sanfte Schweinebauer Uwe" sich wie ein Kind freuen darf, dass ihm endlich eine Versicherungsangestellte zur Seite gestellt wurde, die unbeschwert und vor Millionenpublikum mit ihm minutenlang über ein Wasserbett hüpft, ohne sich dafür zu schämen - dann strahlt der Bauer, der sich in den Medien als "der Mann mit einem Meteoriteneinschlag als Nase" kennzeichnen lassen muss, übers ganze Gesicht.

Bauer sucht Frau auf RTL

Neues Glück: Kuhbauer Horst aus dem Bergischen Land hat Buchhalterin Babette aus Ostfriesland gefunden. Geschichten wie diese in Bauer sucht Frau begeistern bis zu acht Millionen deutsche Fernsehzuschauer. Auch wenn oder gerade weil der Moment der Liebe bisweilen sehr flüchtig ist.

Auch Veit und Philipp, das erste schwule Paar in der Geschichte von Bauer sucht Frau, erscheinen beseelt: Mutter und Oma des Nicht-Bauern sind auf den Hof des Zukünftigen gereist, um bei von Männerhand gebackenem Kuchen mit Herzchendeko von alten Zeiten zu erzählen, als Homosexuelle sich noch hätten "verstecken" müssen. "Drum prüfe, wer sich ewig bindet", raunt die Großmutter unter einer eindrucksvollen Riesenbrille mit dann doch sehr nachdenklichem Blick.

Da freut sich auch RTL, dass es außer ein paar Alliterationen wie "fröhlicher Friese" und "munterer Milchbauer" (wobei die Zuschreibungen ironisch gemeint sein müssen, denn zu sehen ist das Gegenteil von "fröhlich" und "munter") nur ein paar Kameras und ein paar eigentlich öffenlichkeitsuntaugliche Protagonisten oder zumindest Randgruppenangehörige braucht, um "Tabus zu brechen" und damit ganz unerschrocken auf Zuschauerfang zu gehen. Bis zu acht Millionen Deutsche sahen in den vergangenen zwei Monaten wieder jeden Montagabend um 21:15 Uhr die neue Staffel des Kuppel-Formats Bauer sucht Frau, deren siebte Staffel nun zu Ende ging. Man fragt sich nur: Was treibt sie an?

Weil es Landliebe ist

Im Falle der Landwirte ist die Sache relativ klar: Einige von ihnen suchen wirklich eine Frau. Auf dem Land, da gibt's koa Sünd, Frauen sind Mangelware für rund um die Uhr arbeitende Schwerstarbeiter, das Fernsehen bietet da eine vergleichsweise schnelle und komfortable Variante der Partnerinnenvermittlung.

Im Falle von RTL ist die Sache mindestens genauso klar: Wenn alle Nachfolge-Kuppel-Formate weniger erfolgreich sind, obwohl sie mühevoll gecastet, gescripted und performt wurden, dann zieht am besten noch immer das Original mit den "echten" Menschen und der "echten" Landliebe. So echt, dass es beim Zuschauen nicht nur manchmal schmerzt, sondern in der Regel. Um dieses ständige Kuriositätenkabinett aufrechtzuerhalten, greift der Sender auch mal zu Bauern, die eigentlich Busfahrer sind, und zu Kandidatinnen, die eigentlich Prostituierte sind, was den Boulevardmedien wiederum wochenlang Futter gibt.

Warum schauen Millionen zu?

Bei den Zuschauern aber ist die Sache nicht ganz so eindeutig: Warum sehen sich das bäuerliche Laientheater wieder bis zu acht Millionen Deutsche an? Und warum verfolgen sie gebannt, wenn "Bild" oder sonstige Boulevardmedien noch am Tag der letzten Folge höhnisch verkünden, wie viele der Pärchen sich seit dem Ende des Staffel-Drehs schon wieder getrennt haben?

Die Lust am Fremdschämen alleine kann es nicht sein, sie müsste ja irgendwann einmal befriedigt sein - und wenn nicht, würde das eine Menge über die Psychologie der Deutschen aussagen, und über ihr eigenes Selbstwertgefühl, das da so billig verstärkt werden muss. Auch unter Humorgesichtspunkten kann die Sendung immer nur punktuell punkten - in der Masse ist das einfach zu viel Elend, über das man sich hier ernsthaft amüsieren könnte. So unverhohlen schadenfroh kann ein Millionenpublikum nicht in Serie sein - oder etwa doch?

Um nicht in Misanthropie zu verfallen, muss man sich vielleicht mit einer Erklärung für ein Massenphänomen begnügen, die sich aus einem Überangebot der Massenmedien selbst speist: Wenn anderswo allerorten sogenannte Stars und Sternchen glitzern, ihren wie auch immer angehäuften Reichtum präsentieren, den sie auf alle erdenklich unnötigen Weisen vor den Kameras aus dem Fenster werfen, dann ist Bauer sucht Frau wohl der erdenschwere und damit sehr nötige Gegenentwurf zu diesem für den gemeinen Zuschauer völlig unverständlichen Luxus- und Selbstoptimierungswahn.

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft eben auch in dieser Hinsicht immer weiter auseinander: Hier die bis zur Unkenntlichkeit an ihrer körperlichen Attraktivität arbeitenden medial verwertbaren "Stars und Sternchen", dort die noch körperlich arbeitenden Bauern, die für Äußerlichkeiten weder Zeit noch Sinn haben und deshalb Nachhilfe vom Fernsehen in Sachen Partnersuche brauchen. Hier die pure Verschwendung, dort die Knappheit und Bescheidenheit. Ist es einfach die Sehnsucht nach unverfälschtem Scheitern, und dass in dieser "noch heilen Welt" am Ende doch das "kleine Glück" wohnt, das man nicht ewig suchen und nicht immer weiter perfektionieren muss, sondern es irgendwann auch einmal finden kann, sogar im ganz, ganz Kleinen? Macht Bauer sucht Frau seinen Zuschauern am Ende Mut?

Im Falle des schwulen Paares mag das der Fall sein: "Bauer sucht Mann" ist in manchen Landstrichen Deutschlands immer noch ein Tabu - das vergleichsweise sympathische Erscheinungsbild und der liebevolle Umgang der beiden Pferdenarren aus der Sendung dürfte in der Tat dazu beitragen, hier und da unnötige Berührungsängste in der Bevölkerung zu mindern oder zumindest falsche Vorstellungen zu zerstreuen.

Doch für die meisten anderen Paare gilt: Was auch immer für Interessen hinter der Vermarktung jedes Einzelschicksals stehen - unter Gesichtspunkten der Vernunft ist und bleibt es eine so unerträgliche wie unergründliche Groteske.

Alle Infos zu "Bauer sucht Frau" im Special bei RTL.de

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: