Auslandsreporter protestieren:Multimedialer Häuserkampf bei der taz

Weil ihre Honorare gekürzt werden, protestieren die 14 Auslandsberichterstatter der taz in einem Video gegen ihre Chefredaktion. Am Wochenende könnte es zum Showdown im Machtkampf kommen.

Johannes Kuhn

Karim El-Gawhary wartet im ägyptischen Badeort Scharm-el-Scheich auf den US-Sondergesandten George Mitchell und ist sauer. Das liegt nicht daran, dass sich die Pressekonferenz verschiebt und der Nahost-Friedensprozess einmal mehr ins Stocken zu geraten droht: El-Gawhary ist wütend auf die Chefredaktion der tageszeitung (taz).

"Ich habe dieser Zeitung fast zwei Jahrzehnte die Stange gehalten", lässt er am Telefon seinem Frust freien Lauf, "ich habe für 49 Pfennig pro Zeile vom Golfkrieg 1991 berichtet, habe über den Libanon- und Gaza-Krieg geschrieben, wäre bei den Präsidentschaftswahlen in Iran fast verprügelt worden. Ich bin ziemlich verärgert, das sind Discounter-Methoden."

Discounter-Methoden, solche Vorwürfe erhebt man sonst nur gegen Firmen wie Lidl, die dafür von der linksalternativen taz oft genug gegeißelt werden. Nun steht die taz-Chefredaktion selbst im Kreuzfeuer der Kritik: Sie hat den 14 Auslandspauschalisten der Zeitung die Verträge gekündigt - und ihnen gleichzeitig angeboten, für weniger Geld weiterzuarbeiten.

Bislang mussten alle Korrespondenten bestimmte Textmengen pro Monat liefern, um einen Pauschalbetrag von der taz zu erhalten. Für alles, was darüber hinausging, erhalten sie Zeilengeld, zudem arbeiten sie häufig für mehrere Auftraggeber.

Die garantiert abgenommene Textmenge soll nun künftig auf 500 Zeilen gesenkt werden - wer zuvor beispielsweise 1000 Zeilen sicher im Blatt unterbrachte, verdient nun unter Umständen weniger. "Ich verliere ein Drittel meines taz-Einkommens", klagt El-Gawhary, "bei der Grundpauschale sind es sogar 60 Prozent."

Auch andere Korrespondenten halten die neue Regelung für inakzeptabel: In einem Video wenden sie sich deshalb nun an die Öffentlichkeit, um auf die Kürzungen aufmerksam zu machen. Von Madrid über Jerusalem bis Lateinamerika fragen sie, was der taz die Auslandsberichterstattung denn Wert sei.

Das Geld ist bei der taz immer ein Reizthema: "Wir sind chronisch klamm", gibt taz-Chefin Ines Pohl zu. Bereits heute bezahlt der Verlag seine Mitarbeiter zum Teil weit unter dem Branchendurchschnitt. Weil das Blatt als äußerst basisdemokratisch und idealistisch gilt, nehmen viele Journalisten dies dennoch in Kauf.

Ministreiks bis zum Wochenende

Ein Fünftel des taz-Etats fließt in das Auslandsressort, das einen guten Ruf genießt. Die Hälfte davon, sagt taz-Frontfrau Pohl, sei jedoch bislang fest für die Pauschalisten eingeplant gewesen. "Wir wollen mehr Flexibilität, zum Beispiel, um kurzfristig jemanden für die Berichterstattung nach Pakistan oder auf eine Recherchereise schicken zu können", begründet sie die Änderungen. Die Korrespondentenstruktur sei veraltet, oftmals säßen gutbezahlte Pauschalisten in Regionen, die nicht mehr so relevant wie vor zwanzig Jahren seien.

Das, entgegnet El-Gawhary, sei ein vorgeschobenes Argument: "Die Chefredaktion versucht, mit einem fadenscheinigen Gerechtigkeitsargument uns die Pauschale zu kürzen, weil andere angeblich noch weniger verdienen." Das Tischtuch zwischen den Parteien scheint vorerst zerschnitten: Man habe mit den Pauschalisten lange über die Änderungen diskutiert, behauptet taz-Chefin Pohl. Ja, entgegnet El-Gawhary, doch habe es keinerlei Kompromissbereitschaft seitens der Chefredaktion gegeben.

Dass der Streit in der Öffentlichkeit stattfindet, ist beinahe gute taz-Tradition. "Dieser multimediale Häuserkampf zeigt, dass unsere Auslandspauschalisten hohe Multimedia-Kompetenzen besitzen", reagiert Pohl deshalb gelassen auf das YouTube-Video.

Die nächste Schlacht findet am kommenden Wochenende statt. Dann findet die taz-Genossenschaftsversammlung statt - die Auslandspauschalisten haben einen Antrag gestellt, die Kündigungen rückgängig zu machen. "Es wäre ein wichtiges Signal, wenn die Besitzer der Chefredaktion die rote Karte zeigen und signalisieren, dass man so nicht mit Mitarbeitern umspringen kann, die für das stehen, was die taz ausmacht", sagt El-Gawhary.

Einen taz-Artikel schreibt er noch aus Scharm-el-Scheich - danach geht er wie die anderen Auslandspauschalisten bis Wochenende in einen Mini-Streik.

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