Arte: "Novemberkind":Ein Bad mit Fellmütze, Sekt und Freundin

Es ist ein wahres Meisterstück: Anna Maria Mühe und Ulrich Matthes überzeugen in der Arte-Produktion "Novemberkind".

Julia Amalia Heyer

Man mag ziemlich schnell einfach nicht mehr aufhören, dieses Gesicht zu sehen. Und das liegt nicht an den gleichmäßigen Zügen, an Anna Maria Mühes madonnenhaftem Antlitz - auch wenn hier das Wort Antlitz tatsächlich das richtige zu sein scheint. Es liegt daran, dass es vor allem ihr Gesicht ist, das diese Geschichte erzählt. Und zwar derart ausdrucksstark und fesselnd, dass man durchaus in eine Art Mühe-Gesichtshypnose verfallen kann, bei Novemberkind.

Novemberkind

Suche nach der eigenen Vergangenheit: Anna Maria Mühe in Novemberkind.

(Foto: obs)

Für sein Diplom an der Ludwigsburger Filmakademie hat der Regisseur Christian Schwochow 2008 diesen Film gedreht, und er ist eher Meister- als Gesellenstück: Nicht nur Mühe stimmt, es stimmt so ziemlich alles. Auch die anderen Schauspieler sind hervorragend und vor allem auch hervorragend ausgesucht - allen voran Ulrich Matthes als auf unbestimmte Weise ziemlich abstoßender Mensch. Und, auch das ist großartig, der Film erzählt in der Tat eine richtige Geschichte.

Eine junge Frau lebt bei ihren Großeltern in einem mecklenburgischen Kaff; sie hadert damit nicht, sondern badet lieber mit Fellmütze, Sektflasche und einer Freundin fröhlich auch im Herbst noch in einem dieser wunderschönen Seen. Sie arbeitet in der Stadtbücherei, kurz, sie ist schlicht und einfach Inga, alle kennen sie und sie kennt auch alle.

Es ist die kleine heile Welt, in der Mühes Gesicht so gelassen leuchtet, weil sie sich, im Gegensatz zu so vielen anderen Menschen, mit dem, was ihres ist, zu arrangieren weiß. Ihre Eltern hat sie nie kennengelernt, die Mutter soll ertrunken sein, der Vater unbekannt. Selbstverständlich dient auch hier das vermeintliche Idyll dazu, zerstört zu werden; es ist der undurchschaubare Robert (Ulrich Matthes), Professor aus Konstanz, der Inga das Wohlsein nimmt und sie plötzlich fragen, zweifeln und nach Süddeutschland reisen lässt.

Schwochow arbeitet derzeit an seinem zweiten Film, wieder mit Anna Maria Mühe und höchstwahrscheinlich findet der blöde Satz "Man darf gespannt sein" hier durchaus seine Berechtigung. Vielleicht kann man sich aber auch einfach darauf freuen.

Novemberkind, Arte, 20:15 Uhr

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