ARD-Zweiteiler:Mit wem schläft Papa?

Neu in unserer Familie (1) - Zwei Eltern zuviel

Sweet Home Berlin: Papa (Fürmann) mit Ehefrau Marit (Schöne) und den Kindern Luis (Max Boekhoff) und Selma (Maria Matschke).

(Foto: ARD Degeto/Christiane Pausch)

Meine Frau, meine Kinder, meine andere Frau: "Neu in unserer Familie" von Stefan Krohmer widmet sich der Komplexität eines modernen Beziehungsgeflechts.

Von Silke Burmester

Die Geschichte der Heiligen Familie ist voller Fragen. Wie konnte Maria rein technisch gesehen vom Heiligen Geist schwanger werden? Was sagte ihr Mann Josef dazu, dass ein anderer seine Frau geschwängert hatte, und warum blieb er trotz dieses Umstands bei ihr? War er schlicht sehr tolerant? Wusste er nicht, dass ein anderer der Vater war? War es ihm egal?

Genauso wenig, wie diese Fragen geklärt sind, weiß man über Josefs Engagement als Vater und die Ehe von ihm und Maria. Kümmerte der Ziehvater sich ums Kind? War er seiner Frau treu? Wer ist der Vater der Geschwister von Jesus? Obwohl das alles ungewiss ist, ist die Heilige Familie zum christlichen Rollenmodell für Treue und Ausschließlichkeit avanciert. Darin dient sie seit 2000 Jahren als moralische Vorlage. Seit über 60 Jahren auch der ARD.

Und weil die ARD stets bemüht ist, gesellschaftliche Realität abzubilden, widmet sie sich jetzt dem Versuch moderner Menschen, Familie als mehr zu begreifen als "Vater, Mutter, Kind". Nämlich als ein Netz von Menschen, die jenseits des strengen Zuordnungssystems von "mein Mann", "meine Frau", "meine Schwiegereltern" miteinander zu tun haben wollen und Verantwortung füreinander übernehmen. Kurz, Menschen, die unser durch die Kirche geprägtes, normatives Verständnis von Zugehörigkeit und dem "Recht am anderen" aufbrechen.

Es ist die Geschichte von Marit (Maja Schöne) und Jonas (Benno Fürmann), die mit ihren pubertierenden Kindern Selma (Maria Matschke) und Luis (Max Boekhoff) von Köln ins spießige Berliner Zehlendorf gezogen sind und sich zwischen den Wirren der Umzugskartons auf eine offene Beziehung einigen. Dass es okay ist, wenn es jeweils noch andere Partner gibt und man sich dies, ebenso wie den Kindern, mitteilen will. Kaum geeinigt, lässt Jonas sich von einer sehr attraktiven und im weiteren Verlauf schwer auszuhaltenden Polyamoristin beturnen, während Marit, die Verantwortung als Alleinverdienerin im Nacken, sich in ihrem neuen Job Mobbingangriffen erwehren muss und versucht, den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen.

Benno Fürmann leckt ständig an der armen Maja Schöne rum

Daniel Nocke hat das Drehbuch des Zweiteilers geschrieben, Stefan Krohmer hat die Regie geführt, und es bedarf eines Dämmermodus seitens des Zuschauers, um im ersten Teil nicht aus Gründen der Unerträglichkeit abzuschalten. Die atmosphärischen Beschreibungen sind zu ausufernd, die Musik ist zu bemüht, und weil in den Dialogen viel Alltag verhandelt wird, sind diese entsprechend aufregend. Benno Fürmann leckt ständig an der armen Maja Schöne rum, und ab und zu schleicht sich der nicht totzukriegende Geist der ARD-Produktionsfirma Degeto ein und illustriert familiäre Happiness dadurch, dass Kinder und Eltern gemeinsam "Sweet Home Alabama" musizieren.

Dann aber wird Marit auch ein Liebhaber (Henning Baum) zugestanden, sie wird beim ersten Sex mit Christian schwanger, und der zweite Teil von Neu in unserer Familie wird richtig, richtig gut. Es ist schwer zu sagen, ob es an der charmanten, einnehmenden Figur des Christian und seinen zwei ebenfalls pubertierenden Töchtern liegt oder ob das Auftauchen von Henning Baum am Set die Atmosphäre verändert hat, aber was eben noch steif und ungelenk war, wird geschmeidig und leicht. Selbst der immer in sich gefangen zu sein scheinende Benno Fürmann kommt aus sich heraus, Maja Schöne, die vom ersten Moment an grandios spielt, wird noch besser, und die in der körperlichen Metamorphose der Pubertät steckende Maria Matschke offenbart sich als wahre Entdeckung.

Vielleicht haben die Protagonisten ein wenig zu viel Drehbuchglück mit auf den Weg bekommen - die Herausforderung, als erweiterte Familie zusammenzuziehen, wird relativ konfliktfrei angenommen. Dass Eifersucht so wenig eine Rolle spielt, mag man sich kaum vorstellen. Aber zu sehen, wie mit Gefühlen und Schwierigkeiten umgegangen werden kann, wenn man eine Lösung wirklich will, und wie gut es Kindern tun kann, sich von dem normativen, einengenden Familienbegriff zu lösen, ist eine wahre Freude.

Wenn am Ende das frisch geborene Baby im Körbchen liegt und seine drei Elternteile und vier Geschwister "Schlaf, Kindlein, schlaf" mit Gitarre, Schlagzeug und Akkordeon spielen, dann bringt diese Szene auf den Punkt, worum es im Leben geht. Um Menschen, die sich zueinander bekennen und Verantwortung füreinander übernehmen. Das war vor über 2000 Jahren nicht anders. Von Ausschließlichkeit war nie die Rede.

Neu in unserer Familie, ARD, Mittwoch und Freitag, 20.15 Uhr.

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